Googles eigene Hardwaremarke Nexus soll laut einem aktuellen Bericht vor dem Aus stehen.

Foto: Google Developers

Im Bestreben, mehr Kontrolle über die Android-Welt zu gewinnen, scheint Google bereit zu sein, eines seiner Vorzeigeprojekte zu opfern: Laut einem Bericht von "The Information" soll die Nexus-Linie, in deren Rahmen Google seit einigen Jahren eigene Smartphones und Tablets verkauft, eingestellt werden. Stattdessen soll unter dem Namen "Android Silver" ein neues Premiumprogramm eingeführt werden.

Bestätigung

Die Quellen von "The Information" bestätigen dabei vieles, was Android Police bereits vor einigen Wochen über Android Silver ausgegraben hatte: Alle in dieses Programm aufgenommenen Smartphones dürfen nur minimale Änderungen gegenüber dem Original-Android von Google aufweisen - ähnlich wie es jetzt bereits bei den Google Play Editions bekannter Smartphones der Fall ist. Als Konsequenz sollen die Geräte dieser Reihe auch - ähnlich wie bisher die Nexus-Geräte - umgehend Softwareupdates erhalten.

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Ein entscheidender Unterschied: Android-Silver-Geräte sollen von Google selbst massiv beworben werden. So ist laut dem Bericht geplant, eigene Ausstellungsflächen in den Shops der Mobilfunktbetreiber einzurichten. Auch spezielle Schulungen für das Verkaufspersonal sind geplant, etwa um beim schnellen Umstieg von einem älteren Smartphone zu helfen. Insgesamt soll Google bereit sein, mehr als eine Milliarde Dollar zu investieren, um das Android-Silver-Programm in die Gänge zu bringen.

Kontrolle

Mit einem solchen Schritt würde Google - vorausgesetzt, Android Silver wird ein Erfolg - deutlich mehr Kontrolle über die Android-Welt gewinnen - vor allem in Hinblick auf die Softwareausstattung. Bisher bieten nur die Nexus- und GPE-Geräte Googles eigene Vision von Android in Fragen der User Experience. Im Vergleich zum Android-Gesamtmarkt handelt es sich dabei um einen eher geringen Prozentanteil. Für Google aber wohl noch wichtiger: Eine nichtmodifizierte Softwareausstattung bedeutet auch, dass eigene Services wie Google Drive und Google Play im Vordergrund stehen und nicht die Angebote der Konkurrenz.

Zeitrahmen

An den Start soll das Android-Silver-Programm allerdings erst kommendes Jahr gehen, dann mit parallelen Launches in - zumindest - den USA, Deutschland und Japan. Angesichts des noch recht weit gefassten Zeitrahmens könnte sich natürlich bis zur realen Umsetzung noch so manches Detail ändern oder das Konzept ganz scheitern. Immerhin müssen zuerst noch Mobilfunkbetreiber und Hardwarehersteller gewonnen werden.

Unsicherheitsfaktoren

Gerade die Hardwarepartner scheinen derzeit der größte Unsicherheitsfaktor zu sein. Immerhin verharren diese oftmals in der Überzeugung, dass die umfangreiche Modifizierung der Softwareausstattung einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz bietet. Allerdings zeichnete sich in dieser Frage bereits in letzter Zeit eine gewisse Trendwende ab. Grund dafür soll unter anderem Googles Zugeständnis gewesen sein, auf eine eigene Hardwareproduktion zu verzichten und die Mobilfunktochter Motorola Mobility an Lenovo abzustoßen. Ein Abgang von der Nexus-Linie und der Ersatz durch das Android-Silver-Programm wären insofern nur ein weiterer logischer Schritt in diese Richtung.

Abwägung

Für die Hardwarehersteller bietet Android Silver vornehmlich finanzielle Anreize: Immerhin würde Google in einem solchen Modell sowohl einen Teil der Marketing- als auch der Entwicklungskosten tragen - und damit die Geräte effektiv subventionieren. Im Gegenzug müssten die Dritthersteller zwar auf eigene Services verzichten, angesichts dessen, dass diese aktuellen Zahlen zufolge ohnehin kaum genutzt werden, dürfte das aber ein verkraftbarer Verlust sein.

Klärung

Für Google würde das zudem bedeuten, dass man eine ohnehin schon immer etwas komplizierte Situation beendet: Befand man sich mit der Nexus-Linie doch bisher in direkter Konkurrenz zu den eigenen Partnern, was dem Vernehmen nach auch immer wieder einmal zu Spannungen mit diesen geführt haben soll.

Mission accomplished?

Aus Google-Perspektive sollten die Nexus-Geräte vor allem zwei Aufgaben erfüllen: intern die Hardwarebasis für die Entwicklung neuer Android-Version bilden, andererseits als Vorzeigegeräte die Entwicklung des Gesamtmarkts vorantreiben. Dass man die letztere Mission mittlerweile als abgeschlossen ansieht, hat Google bereits vor einigen Wochen durchklingen lassen, als man im Rahmen des Motorola-Verkaufs betonte, dass in der eigenen Hardwareentwicklung künftig neue Produktklassen im Vordergrund stehen sollen - also wohl vor allem Wearables. Und die Android-Entwicklung könnte man genauso gut im Tandem mit der Hardware eines Drittherstellers vornehmen - nur eben das Ergebnis dann nicht als Nexus-, sondern als Android-Silver-Gerät vermarkten.

Und die Konsumenten?

Während ein Verzicht auf die Nexus-Linie für Google also wohl relativ leicht zu verschmerzen wäre, bleibt abzuwarten, was dieser Schritt für die Konsumenten bedeuten würde. Immerhin hat sich die Nexus-Reihe einen Namen für aktuelle Hardware zu einem vergleichsweise günstigen Preispunkt erarbeitet. Bleibt also abzuwarten, ob es im Rahmen der Android-Silver-Reihe auch Geräte geben wird, die sich im selben preislichen Rahmen bewegen werden, oder ob es doch eher in Richtung der bisherigen Google Play Editions geht, die üblicherweise auf dem Niveau des Listenpreises aktueller Top-Smartphones liegen - und damit beinahe doppelt so teuer sind.

Ein letztes Mal

Der aktuell berichtete Zeitrahmen bedeutet allerdings auch, dass ein Aus der Nexus-Reihe nicht direkt ansteht. Entsprechend könnte es also in den nächsten Monaten zumindest noch einmal eine weitere Hardwaregeneration der Google-eigenen Smartphones und Tablets geben. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 30.4.2014)