Ein ehemaliger Mitarbeiter sagt: Man habe sich unauffällig verhalten, um nur ja nicht "das nächste Opfer" Plachuttas zu werden.

Foto: rwh/derStandard.at

Wien - 50 Gramm Zucker hatte sich ein Mitarbeiter des Restaurants Plachutta in Wien genommen, um seine Erdbeeren zu zuckern. "Der Zucker stand dort wie auch der Pfeffer oder die Zahnstocher", sagte er am Mittwoch in einem Interview mit der "Wiener Zeitung". Diese Menge reichte dennoch für eine fristlose Entlassung. Der Fall sorgte in den vergangenen Tagen für viel Aufregung. Kritik kam auch von der Arbeiterkammer, die sich daran stößt, dass die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde. Doch es gibt weitere Hinweise, dass raue Sitten bei Plachutta herrschen. Ein ehemaliger Mitarbeiter, der seinen Namen nicht im Internet lesen will, wandte sich an derStandard.at.

Wir nennen ihn H. Vor einigen Jahren arbeitete er während der Sommermonate im Rahmen eines Pflichtpraktikums bei Plachutta in der Wollzeile in der Inneren Stadt. Er besuchte eine Tourismusschule und war im Juni und Juli als Servicekraft tätig. Er wurde gemäß Kollektivvertrag bezahlt. Doch die Erfahrungen, die H. damals gesammelt hatte, wirkten lange nach. "Psychoterror" habe Mario Plachutta auf seine Mitarbeiter ausgeübt. Der Druck sei extrem hoch gewesen.

"Laufen, lachen, Leistung bringen"

So habe Plachutta seine Mitarbeiter grundlos angebrüllt. H. erinnert sich, dass Plachutta zwei Köchen, die sich unterhielten, ihre Getränkedosen aus der Hand riss und diese in den Müll warf. Ein Mitarbeiter, der sich krankmeldete, sei trotz Krankheit ins Restaurant zitiert worden, und es sei vor Ort kontrolliert worden, ob er seinen Dienst tatsächlich nicht absolvieren konnte.

H. erzählt, dass, sobald Plachutta den Raum betrat, immer alle Mitarbeiter doppelt so schnell liefen. Man habe sich unauffällig verhalten, um nur ja nicht "das nächste Opfer" zu werden. Plachutta habe seinen Mitarbeitern außerdem immer die "drei Plachutta-L.s" verinnerlicht: "Laufen, lachen, Leistung bringen".

Kein Trinkgeld bei Acht-Stunden-Tag

Schon das Vorstellungsgespräch, das von Plachutta persönlich geführt worden sei, machte H. stutzig. Denn er sei vor die Wahl gestellt worden: Entweder er arbeite acht Stunden pro Tag und ohne Trinkgeld, oder aber elf Stunden pro Tag – Trinkgeld inklusive. H. entschied sich für die Elf-Stunden-Variante, wie der Großteil der anderen Mitarbeiter auch. Bis auf die Mittagspause von 30 Minuten seien den Mitarbeitern keine weiteren Pausen gestattet gewesen, so H.

In der Mittagspause wurden die Mitarbeiter zwar bekocht – jedoch sei das Essen oft ungenießbar gewesen. H. erinnert sich: "Einmal gab es Backhendl, das komplett verbrannt war. Uns wurden die Überreste vom Vortag gegeben, die neu verkocht wurden."

Oft soll es auch sogenannte geteilte Dienste gegeben haben. Die Servicekräfte mussten demnach in der Früh zum Dienst antreten, arbeiteten bis zum Nachmittag und hatten anschließend drei Stunden frei. Am frühen Abend habe der Dienst fortgesetzt werden müssen.

Umgang mit Empfangsdamen

Frauen seien in der Regel nicht als Servicekräfte angestellt worden. H. sagt, dass Plachutta der Meinung gewesen sei, sie seien zu schwach dafür. Sehr wohl übten Frauen die Tätigkeit als Empfangsdamen aus. "Plachutta hat sich darum gekümmert, dass sie nie einen Rock trugen, der länger als knielang ist", so H.

Er hat nach diesen Erfahrungen, die er vor einigen Jahren gemacht hat, die Branche gewechselt. Ihn wundert, wie er sagt, dass es so lange gebraucht habe, bis bekannt wurde, welche Sitten bei Plachutta herrschen. Überrascht hat ihn der zuletzt bekannt gewordene Vorfall nicht. Und er glaubt auch nicht, dass sich in den letzten Jahren viel geändert habe. Seine Tätigkeit liegt einige Jahre zurück, aber er hält noch Kontakt zu vielen seiner Ex-Kollegen, die nach wie vor bei Plachutta beschäftigt seien. In anderen Restaurants habe man auch viel Stress, sagt H. Aber nirgendwo sonst sei es "annähernd so wild".

Plachutta: "Mediale Hetzjagd"

Mario Plachutta will zu den neuen Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. Auf ein E-Mail an Plachutta antwortet seine Pressesprecherin. Sie schreibt von einer "medialen Hetzjagd" und immer irrationaler werdenden Vorwürfen. "Es erscheint uns daher im Moment eine sachliche Diskussion, zu der wir sonst jederzeit gerne bereit sind, in den Medien als nicht möglich." (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 30.4.2014)