Die britische Journalistin Sarah Harrison war am ersten Tag zu Gast bei der Republica in Berlin. Sie hat Snowden im Sommer 2013 bei seiner Flucht von Hongkong nach Moskau begleitet.

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"Es arbeiteten so viele Menschen für das US-Überwachungssystem wie Norwegen Einwohner hat", erzählt sie in Berlin.

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"Journalisten, die Snowdens Material erhalten haben, sind die interessanteren Gesprächspartner", sagt Christian Flisek beim Panel "Geheimdienste versus Demokratie".

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Die britische Journalistin Sarah Harrison, die Snowden im Sommer 2013 bei seiner Flucht von Hongkong nach Moskau begleitet hatte und als engste Beraterin von Wikileaks-Gründer Julian Assange gilt, beschrieb bei der Republica, dass sie nun ihrerseits in Berlin lebe. Anwälte hätten ihr dazu geraten, da sei bei einer Einreise in ihre Heimat Großbritannien Befragungen durch Behörden zu erwarten habe. Sie könne gleich bei der Einreise festgehalten werden. In Berlin fühle sie sich wohl, schließlich lebten hier schon andere "Exilanten", die nicht mehr in den USA oder Großbritannien arbeiten könnten. Es gebe in Berlin schon eine Gemeinschaft, sagte sie.

Druck auf die USA aufbauen

Sie hoffe, dass möglichst viele andere Druck auf die USA aufbauten, sagte Harrison. Auf die Frage ihrer Kollegin Alexa O'Brian, was die Situation in den USA von der in anderen Ländern unterscheide, antwortete Harrison: "Diese unfassbare Massenüberwachung. Das Ausmaß ist so groß." Dies sei eine andere Qualität als bei anderen Geheimdiensten, die ebenfalls spionierten. Die Mittel für die US-Geheimdienste seien in vergangenen zehn Jahren verdoppelt worden. Es arbeiteten so viele Menschen für das US-Überwachungssystem wie Norwegen Einwohner habe, erklärte Harrison.

Andere Regierungen fühlten sich ihrer Ansicht nach "noch nicht stark genug", Snowden Asyl anzubieten. Harrison, die auch beim Bureau of Investigative Journalism gearbeitet hatte, regte eine internationale Vereinbarung an, damit Whistleblower in anderen Ländern Schutz bekämen. Edward Snowden habe einen "politischen Akt" durch die Mitnahme der Geheimdienst-Dokumente begangen, deshalb sei die Frage nach Asyl für ihn politisch zu beantworten. Den deutschen Journalisten rief sie zu: "Ihr habt noch zwei Monate, eure Regierung zu überzeugen!" Potenziellen Whistleblowern riet sie, alles immer komplett zu veröffentlichen, am besten über Wikileaks. Snowden habe für den Fall, dass ihm etwas auf der Reise nach Moskau zugestoßen wäre,  Vorkehrungen getroffen, "von denen die Welt erfahren hätte".

Akten vor den Ausschuss

Bei der Diskussion Geheimdienste versus Demokratie ging es ebenfalls vor allem um Edward Snowden und die Frage, wie man seine Aussage im NSA-Untersuchungsausschuss in Deutschland erreichen könnte. Markus Löhning vom Privacy Project  vertrat die Position, solange Snowden in Moskau sitze, könne er nicht frei aussagen. Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Christian Flisek könne eine Befragung schriftlich oder per Videoschalte erfolgen. "Journalisten, die Snowdens Material erhalten haben, sind die interessanteren Gesprächspartner", meinte Flisek. Der Ausschuss werde sich nicht bieten lassen, dass die Regierung Akten verweigere.

Wenn es um einzelne streng vertrauliche Dokumente gehe, dann schließe er nicht aus, dass man dafür Regelungen finde, etwa jene, dass nur die Obmänner diese sehen dürften. "Aber was nicht geht, ist, dass die Regierung komplett verweigert", betonte der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss. Das Staatswohl definiere nicht nur die Bundesregierung sondern auch das Parlament. Für den SPD-Politiker klingt das Wort Spionage "zu sehr nach 007". Man müsse es vielmehr durch Massenüberwachung ersetzen. Eine strukturelle Kontrolle der Geheimdienste sei notwendig.

Europäisches Datenschutzrecht gefordert

Es müsse klar sein, dass europäische Staaten Grundrechtspositionen nicht einfach preisgeben, sagte Flisek. Die "Stern"-Journalistin Katja Gloger, die Reporter ohne Grenzen auf dem Podium vertrat, forderte ein europäisches Datenschutzrecht. Sie kritisierte auch die Kooperation von US-Tech-Firmen mit der NSA, die sie "Kollaboration" nannte. Gloger verwies auch darauf, dass der ehemalige NSA-Chef Michael Hayden das Bundesverdienstkreuz in Deutschland bekommen habe.  Außerdem würden mehr als 200 Unternehmen weltweit Überwachungssoftware exportieren, darunter 20 aus Deutschland. In den USA belächle man deshalb die Doppelmoral der Deutschen - gerade mit Blick auf Snowden.

"Überwachung macht impotent"

Etwas zum Lachen gab es zum Auftakt der achten Republica, bei der insgesamt 6000 Teilnehmer erwartet werden, auch: Die Yes-Men-Show schilderte auf witzige Weise ihren Umgang mit dem Überwachungsskandal und regte subversive Aktionen an. Etwas später präsentierte der deutsche Moderator Friedeman Karig seine satirische Sicht unter dem Titel: "Überwachung macht impotent." Auch da war Snowden das Hauptthema. Den größten Lacherfolg landete Karig allerdings mit der Aussage: "Die Bibel war damals eine Art Wikipedia. Jeder konnte reinschreiben, was er wollte!" (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, derStandard.at, 6.5.2014)