Die Jungjournalistinnen Lisa Altmeier und Steffi Fetz von crowdspondent.de.

Foto: derStandardat/sb

Lorenz Matzat: "Wir brauchen einen Presseausweis für Roboterjournalisten".

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Berlin - "Du hast das Fernsehen verlassen, um eine Website zu bauen?" Lara Setrakians Mutter war erstaunt über den Wechsel ihrer Tochter zu einem digitalen Nachrichtenprojekt. Setrakian hat sich das geringe Interesse der US-Medien an Auslandsberichterstattung zu nütze gemacht und "Syria Deeply" gestartet. Die monothematische Seite berichtet, was in der Syrien-Berichterstattung "fehlt und relevant ist" und hat es damit wieder in den traditionellen Nachrichtenfluss geschafft. "We hacked the news cycle", sagt die Journalistin auf der Internetkonferenz Republica in Berlin.

Ideen, bei welchen Themen man noch in die Tiefe gehen könnte, gibt es bei "News Deeply" genug. Setrakian nennt etwa den Kongo, Armut und Ozeane. Doch das Projekt will langsam wachsen und sich nur mit entsprechender Expertise weiteren Bereichen zuwenden. Ein "Deeply"-Ableger soll sich der Arktis widmen. Dem Projekt geht es nicht darum, Traffic zu monetisieren, sondern das Engagement der User. Setrakian nennt das "Audience Revenue".

Crowdspondents in Brasilien

Wie man User einbinden kann, zeigt das Crowdfunding-Experiment crowdspondent.de von Lisa Altmeier und Steffi Fetz. Die beiden Jungjournalistinnen waren drei Monate in Brasilien unterwegs. Sie berichteten aus Favelas und von Straßenprotesten. Was ihre Auslandsberichterstattung besonders macht: Auftraggeber der beiden Journalistinnen waren keine Redaktionen, sondern User. Eine Crowd setzte Themen, gab Tipps und Hinweise. Das Experiment wird ab Juli fortgesetzt - in Deutschland.

Roboterjournalismus nicht trivial

Alltäglicher wird in den nächsten Jahren Roboterjournalismus, prognostiziert Lorenz Matzat, Datenjournalist und Softwareunternehmer. Er sieht den Vorteil wenn Algorithmen Nachrichten machen etwa darin, dass ein Roboter Archive schneller durchforsten kann als ein menschlicher Autor. Bekommt der Bot den Auftrag, einen Bericht zu einem Fußballspiel zu schreiben, holt er sich die Spielstatistik und bewertet anhand eines Regelwerks das Match. Die große Herausforderung sei, berichtenswertes zu identifizieren, zu interpretieren und schließlich zu programmieren. "Das ist alles andere als trivial", sagt Matzat. Es stecke viel Know-how in Roboterjournalismus.

Presseausweis für Roboterjournalisten

Matzat erwartet, dass künftig nicht nur Spielberichte von Algorithmen verfasst werden, sondern auch Radioberichte oder Videos. An die Grenzen der Automatisierung stoße man hingegen bei journalistischen Darstellungsformen wie Reportagen, Interviews, Kommentaren oder Glossen. Im Jahr 2020 werde man wie selbstverständlich automatisiert verfasste Berichte lesen. Ohne ethische Standards gehe es aber auch im zukünftigen Roboterjournalismus nicht. "Wir brauchen einen Presseausweis für Roboterjournalisten", scherzt Matzat. (Sabine Bürger, derStandard.at, 9.5.2014)