"Ich weiß nicht, was Erfolg ist, ich habe das Privileg, einfach arbeiten zu können. Das hat mit meinen Bildern zu tun. Ich denke, es hat etwas damit zu tun, was in den Bildern ist." (Julian Schnabel: Joe Dante, 1988, Privatsammlung)

Foto: Schirn

Julian "Mr. Big" Schnabel plant sein Comeback. Derzeit in der Frankfurter Schirn Kunsthalle.

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Julian Schnabel: Untitled (Zeus and Duende), 1992 (Privatsammlung)

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Es scheint wieder Zeit zu sein für Schnabels materialintensive Demonstrationen in Sachen Unmittelbarkeit.

"Painting", sagt Julian Schnabel, "is about not to lose the point", was man durchaus als ein inständiges Gegen-den-Tod-Anmalen deuten kann. "Stil", sagt er, "ist ein Nebeneffekt der Intuition", was wiederum den Pluralismus in den Ausprägungen seines Oeuvres plausibel machen soll.

Jedenfalls ist Julian Schnabel gerade dabei, zu seinem zweiten Höhenflug als Maler anzusetzen. Operationsziel: Kunstmarkt. Zurück in die Zukunft, zurück zu einer Million Dollar pro Bild, zurück in die 80er-Jahre,

Wir erinnern uns: Der konzeptuellen Fadesse der 60er und 70er, der aufgezwungenen Selbsterkenntnis in weißen Quadern, der Ehrfurcht vor dem Minimalen bis hin zum Nichts hatten Typen wie er Heftiges entgegenzusetzen. Die Typen hießen Sandro Chia, Enzo Cucchi und Francesco Clemente oder Martin Kippenberger oder Albert und Markus Oehlen oder, regionaler, Siegfried Anzinger und Hubert Schmalix. Oder eben Julian Schnabel.

Letzterer war der Superstar, der Messias für eine Klientel, die Hunger nach Bildern hatte, über die sich bei einem Cocktailempfang etwas sagen ließ, das zu einem Cocktailempfang auch passt: groß, kraftvoll, bunt, geil und "Meine Frau ist drauf, es war unglaublich teuer".

Schnabel pappte Scherben mit Spachtelmasse auf mindestens mannshohe Leinwände, pinselte vage Porträts auf den ruppigen Untergrund, und brachte so das Glück, erlöste die Kunstfreunde im Kapital von jenem Loch, das sich auftat, als nach der klassischen Moderne und ihrem Totengräber Marcel Duchamp plötzlich irgendwelche Spinner mit Wollfäden die Ecken riesiger Hallen zu markieren begannen, Zeit raubende Wegstrecken durch Ödland angaben oder immergleiche Steinkreise auslegten. Julian Schnabel kam den Kurs- und Immobilengewinnlern mit großen Stücken vom Bauchfleisch entgegen, mit saftigen Dekors fürs Loft hoch über Man- oder auch Mainhattan.

Typen wie Julian hatten Handfestes zu bieten – endlich wieder auffälliges Material im Tausch gegen harte Dollars. Und die Typen hatten Glamour. Nicht länger mehr galten Vernissagen als halbverwaiste Treffpunkte anonymer, aber latent linksverdächtiger Brillenträger, nicht länger mehr opponierten Kunst und Kohle.

Endlich war "Subversion" schick geworden, konnten Makler in edlem Tuch, vermittelt durch Armani-kostümierte (Mary-)Boonen-Stangen, mit dekorativ bekleckerten Malerfürsten in der Pubertät, in entspannter Atmosphäre den Standardbelag von den Blinis lecken, en gros über die Kunstmarktstädte der Welt herfallen und in fast unabhängigen Hochglanzmagazinen behaupten: "Die Tellerbilder mache ich, weil ich die Bildoberfläche aufbrechen wollte, und weil mich die Dissonanz zwischen der Helligkeit der Teller und den anderen Teilen des Bildes interessierte" (Schnabel).

Man nannte das Boom. Und der hielt an, bis 1990 die Ölversorgung stockte und auch Japan zu lahmen begann. Die Kunstfreunde reagierten sensibel und stießen ihre Schnabels ab – und aus.

Den Wiederaufbau sollte eine Generation bewerkstelligen, die sich anstatt in Heldenepen lieber in anonyme Kollektive flüchtete. Die Malerei galt wieder einmal als tot. Und die Händler lebten von Vor-80er-Resten, mit denen sie Kommendes zu rechtfertigen suchten. Nur, alles ging irgendwie immer schneller.

Alte Buddys

Gegen so manchen Stern der beginnenden 90er-Bescheidenheit, war der Schnabel noch immer ein Zentralgestirn – und im Hintergrund nicht untätig. 1996 wird sein Film Basquiat, über das Leben des 27-jährig verstorbenen New Yorker Post-Schnabel-Shooting-Stars Jean Michel Basquiat im Wettbewerb des Filmfestivals von Venedig gezeigt. Und alle Buddys halfen mit, für Glanz zu sorgen. In Haupt und Nebenrollen: David Bowie, Dennis Hopper, Gary Oldman, Courtney Love.

1999 folgt Before the Night Falls, die Verfilmung der Lebensgeschichte des schwulen Kubanischen Dichtes Reinaldo Arenas. Johnny Depp und Sean Penn halfen mit, das Lehrstück in Sachen Pathos zu platzieren. Der Film erhält den Jurypreis in Venedig 2000. Hauptdarsteller Javier Bardem wird mit dem Colpa Volpi für den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet. Und: Die Malerei erobert die Kunstwelt zurück. Den Studenten diverser Akademien ist Schnabel längst Großvater und also bewundernswert. Bilder aller Orten, Zeit für ein glanzvolles Come back.

Die Tournee hat eben in der Frankfurter Schirn begonnen. Fulminant. Nächste Termine: die Reina Sofia in Madrid und dann Neapel und bald schon – wer weiß – wieder der ganz große Handel. Schließlich kann man Krise auch so definieren, dass Handfestes allemal sicherer ist, als die verschrobenen Ideenfindungen anonymer Autorenkollektive.

Wie in alten Tagen

Das Fest in Frankfurt jedenfalls war ganz im alten Stil: Pelze, Börsen und Moneten. Michel Friedman in seiner Rolle als Michel Friedmann, deutsche Schauspieldiven, als Künstler verkleidete Künstler, Werber, Wirte. Und – ungeschminkt zunächst fast unerkannt – Julians alter Buddy Lou Reed im Kaputzensweater. Nach dessen Outing aber wurde so manche Dame der Gesellschaft nicht müde zu erzählen, dass der total liebe und völlig natürliche Lou, auf ihr schüchtern gehauchtes "Hi, I'm Inge", doch gerade ihr mit einem total netten und ausführlichen "Hi, I'm Lou" entgegengekommen ist.

Und die Bilder? Einige sind so gut, dass man dem Schnabel den Unsinn mit den Scherben allemal verzeihen kann. Die nach wie vor riesigen Formate nehmen die berüchtigt verunglückte Architektur der Schirn mit links. Schnabels Serien (La voz de Antonio Molina oder Los Patos del Buen Retiro beide 1991), und vor allem die jüngsten Arbeiten zählen sicher zum Besten, was in den letzten 15 Jahren auf Leinwand gebannt wurde. Wieso? Sie sind so intensiv, und in ihrer Vereinnahmung europäischer Traditionen und Ismen, so amerikanisch, dass man sie einfach mögen muss. Schon erstaunlich, wie der ohne auch nur an Umwege zu denken, einfach Bilder macht. Bilder, die ganz ohne Sekundärinformation auskommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2004)