Ob Silberkarpfen (in der Hand von Ferdinand Trauttmansdorff)...

Foto: Katharina Seiser/esskultur.at

...oder Schuppenkarpfen (auf dem bewässerten Sortierbrett):

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Karpfen, wie sie auf Gut Dornau im südlichen Niederösterreich abgefischt werden, haben laut Haubenkoch Xie Hong (Restaurant ON) "eine mit Hummer durchaus vergleichbare Fleischqualität".

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Man nehme einen Fleischerhaken, sagt Simon Xie Hong vom wunderbaren Wiener Restaurant ON, hänge einen ganzen Karpfen dran, halte ihn über einen heißen Wok mit Öl und verpasse dem Fisch eine heiße Dusche, bis die Haut braun und knusprig ist. Karpfen, so Simon, gibt es in China überall, die meisten Leute würden gar keinen Salzwasserfisch kennen. Er halte Süßwasserfisch - und ganz besonders Karpfen - sowieso für unterbewertet. Im ONwird das Tier danach mit Ingwer und Chili kurz gebraten, mit Reiswein und Fond bedeckt, mit braunem Zucker und schwarzer Bohnenpaste gewürzt, gekocht und die Sauce danach cremig reduziert. "Wenn die Qualität gut ist", sagt Simon Xie Hong, "dann schmeckt so ein Karpfen um nichts schlechter als Hummer." Und mit Qualität meint er zum Beispiel Bio-Ware aus dem Waldviertel. Auf Vorbestellung ist dieser geschmorte Karpfen im ON zu haben. In Wiens bestem vietnamesischen Restaurant Good Morning Vietnam steht ebenfalls ganzer Karpfen auf der Weihnachtsmenü-Karte (für vier Personen auf Vorbestellung). Nguyen Thao Giang mariniert ihn mit Kräutern, ein wenig Palmzucker, Fischsauce und Ingwer und brät ihn anschließend knusprig.

Albtraum aus der Badewanne

Dabei kann so ein Karpf auch Abscheu statt Appetit auslösen. Nicht wenige, die im Osten Österreichs mit dem Weihnachtskarpfen in der Badewanne aufgewachsen sind, denken eher an schwammiges Fleisch, das die Lippen beim ersten Bissen wie eine Wachsjacke imprägniert und den Gaumen mit der Erinnerung an einen modrig-feuchten Keller verschreckt. Von den hundsgemeinen, Y-förmigen Zwischenmuskelgräten nahe der Haut ganz zu schweigen. Heinz Reitbauer (Steirereck) hat diesbezüglich den richtigen Buchstaben zur Hand. Mit dem Z-Schnitt, so der Vier-Hauben-Koch, der die eleganten Amurkarpfen vom niederösterreichischen Gut Dornau zwecks besten Geschmackes immer ganz durchbrät, befreie man den Karpfen am elegantesten von den lästigen Gräten. Die Grätchenfrage ist aber auch für Laien einfach zu lösen: Karpfenfilets werden nämlich auch geschröpft, d. h. in engen Abständen bis zur Haut eingeschnitten, angeboten. Hitze und Säure helfen, die jetzt nur mehr winzigen Grätenstückchen vergessen zu machen.

Sportliche Karpfen sind besser

Sowohl im Waldviertel als auch auf Gut Dornau bei Leobersdorf, von dem viele Spitzenrestaurants in Wien beliefert werden, wachsen die Karpfen langsam, werden nicht übermäßig zugefüttert und haben keine Badewannentemperaturen zur Verfügung, die sie faul und fett werden lassen. Ferdinand Trauttmansdorff, der die Teichwirtschaft Gut Dornau seit zwölf Jahren leitet, sagt: "Die Naturnahrung im Teich ist das Wichtigste überhaupt." Nach drei bis vier Sommern kommen die Tiere in den Verkauf. Nicht ohne vorher ausgewässert zu werden. Karpfen sind eben Grundler, die sich am Teichboden ihr Futter suchen. Direkt nach dem Abfischen Ende Oktober kann es schon sein, dass der Fisch ein wenig schlammig schmeckt, das geht aber nach zwei Wochen Hälterung im Frischwasser wieder weg. Problematischer ist das widerliche Letteln oder Moseln, das durch eine Algenart verursacht wird. Dagegen hilft auch Wässern nichts, aber die Züchter beruhigen: So ein Geschmack würde in Teichwirtschaften, die auf Qualität achten, kaum vorkommen, er lasse nämlich Rückschlüsse auf überdüngte Teiche zu.

Karpfen werden in Österreich seit knapp 900 Jahren gezüchtet - früher von Klöstern, die damit eine gute Antwort auf das Vierfüßer-Fastenproblem gefunden hatten. Dass die genügsamen und gesunden Fische in den letzten Jahren wieder an Terrain gewinnen, ist auch der Schutzmarke "Waldviertler Karpfen" zu verdanken, die strenge Qualitätsmaßstäbe anlegt. Meinrad Neunkirchner serviert im Gasthaus Freyenstein ein hochgelobtes Karpfengericht, er vertraut auf die Waldviertler Ware. Und Christian Domschitz vom Schwarzen Kameel sagt: "Karpfen ist bei uns das Hauptprodukt am 24. Dezember." Zurzeit hat er ihn auch in der Mohnkruste im Mittagsmenü. Durch die Nachfrage inspiriert, lässt er sich zu einer typischen Domschitz-Kreation à la Hummer-Szegediner hinreißen: "Wie wär's mit einem Schweinsbraten vom Karpfen mit Knoblauchsaftl?" Man darf ihn jetzt vor Weihnachten ruhig beim Wort nehmen. Echte Karpfenfans bekommen die klassische Fischbeuschelsuppe im Kameel übrigens den ganzen Dezember zum Mitnehmen. Ohne Grätchenfrage. (Katharina Seiser/Der Standard/rondo/28/11/2008)