Bild nicht mehr verfügbar.

Saugstark, armreich und ohne Gschistigschasti: Krake.

Foto: Reuters/Andrea Winkler

Eigentlich wollte ich schreiben, dass einer, der Kraken und Kalmare in einem Atemzug nennt, wahrscheinlich auch keine Kuh von einem Pferd auseinanderkennt: Haxen haben beide, und beide wohnen auf der grünen Wiese. Aber das nehme ich natürlich zurück, denn der Kollege Müller auf der nächsten Seite hat ja wahrlich beiden tief in die Augen geblickt. Die Wiener Linien hingegen sicher nicht: Im U-Bahn-TV, an dem sich frühmorgens auf dem Weg in die Hacke meine schlaftrunkenen Augen festsaugen, sah ich jüngst eine lächerliche Paul-Zeichnung, mit Babykopf und viel zu kurzen Ärmchen, daneben ein Rezept für Calamari. Wir hier kochen jedenfalls heute uns namentlich völlig unbekannte Oktopusse (jetzt erst recht!), denn Freunde isst man nicht und Punkt.

Weil wir ihnen sagen wollen, dass wir sie trotz ihres Ministerpräsidenten immer noch sehr lieb haben, kommen heute wieder einmal die Italiener zu Wort, wobei beim Nachforschen in italienischen Kochbüchern an Oktopus-Rezepten nicht so sehr viel zutage tritt. Calamari und Seppie (Letztere sind die eigentlichen Tintenfische) sind favorisiert, der Polpo und seine kleinen Unterarten Moscardino und Totano kommen viel weniger vor. Den Oktopus kocht und isst man eben, ohne Gschistigschasti, wie auf dem Vucciria-Markt in Palermo direkt aus dem Topf am Standl, mit Zitrone.

Calamari und Seppie

Vielleicht nicht mit Rezepten, aber ein Buch könnte man füllen mit der Aufzählung von "Die einzig richtige Art, wie man einen Oktopus kocht". Mehr Legenden als über den Riesenkraken gibt es über den Zähenkraken. Wenn man ihn zu kurz kocht, zu lang kocht, ohne Korken kocht ... oder halt, der ist doch für die schöne Farbe? Wenn man ihn nicht ordentlich gegen den Felsen schlägt, mit einem Stößel bearbeitet, in die Waschmaschine zum Schleudern tut ...

Also, zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Je größer desto zacher, das heißt, die kleineren Exemplare braucht man nicht in der Gegend herumhauen. Und das Einfrieren - in diesem armen Binnenlande bekommt man im Normalfall ja nur solche Ware - verändert auch die Textur in Richtung weich. Mir ist so einer, ein durchaus großer, schon einmal sogar ein bisschen gatschig geraten, keine Rede von wieder in den zähen Zustand zurückgekocht.

Je größer, desto zacher

Eine Glaubensfrage ist auch das Kochwasser, manche sagen, viel muss es sein, mit Lorbeerblatt und Knoblauchzehe (oder auch nicht), und den Deckel bitte überhaupt nie, nie lüpfen (schleierhaft, wie man feststellt, wann er weich ist). Die andere Schule lautet, gar kein Wasser darf dazu, höchstens Tröpfchen, denn er lässt genug eigenes und sitzt dann in seiner eigenen dicken Sauce, das heißt Schmoren ist das Ding. Beim Kochen: nachher häuten, beim Schmoren: vorher.

Von der Kochpartie schwören einige darauf, dass der Polpo im Kochwasser erkalten muss, dann erst wird er richtig zart. Auch gut, warum nicht, wenn wir ihn kalt für einen Salat brauchen, ganz Natur mit Olivenöl, Zitrone und Petersilie, mit oder ohne Knoblauch, vielleicht mit Kapern oder Oliven, klassisch auch mit Erdäpfeln. Oder zum modischen Wiederanbraten - vorsichtig knusprig - als warmen Gang mit diversen Zuspeisen. Damit sich die Arme schön ringeln, kann man sie ein paar Mal kurz ins kochende Wasser versenken und wieder herausziehen, bevor das ganze Tier (natürlich geputzt, Augen und Schnabel entfernt) in diesem landet.

Klassisch auch mit Erdäpfeln

"Affogato" (ersäuft) ist die neapolitanische warme Zubereitungsart, "alla luciana" (nach der Santa Lucia) wird daraus, wenn Peperoncino dabei ist. Manche Köche schneiden ihn schon vor dem Garen in Stücke, wir machen das aus Bequemlichkeit eher danach. Mein guter alter "Mestolo d'oro" (Goldener Kochlöffel) kocht vor: In einen Schmortopf kommt der eingeölte Polpo (oder mehrere kleine), enthäutete Paradeiser, Peperoncino, Knoblauch und Basilikum. Salzen, gut verschließen (traditionell mit eingeöltem Papier und Spagat) und auf ganz langsamer Flamme schmoren. Bis zu zwei Stunden, bis er eben fertig ist, steht in dem klugen Buche, danke für die Aufklärung!

Das geht natürlich genauso gut im Rohr. Und mit zusätzlich Sardellen, Kapern und/oder Oliven. Selbstverständlich kann daraus auch ein Sugo für die Pasta werden, dann wird er - vorher oder nachher - eben in kleine Stücke geschnitten. "Dazu ist eine Flasche weißer Cirò "Pflicht", heißt es in dem entsprechenden kalabrischen Rezept. Aber es gibt durchaus auch in Rotwein geschmorte Polpi. Die saufen eben auch alles.(Gudrun Harrer/DER STANDARD/rondo/06/08/2010)