Kathrina Dankl (li.) und Lisa Hampel forschen zum Thema Alter...

Foto: Martin Stöbich

...und setzen die Erkenntnisse in Produkte um.

Foto: Martin Stöbich

DER STANDARD: Sie haben für eine Ausstellung Menschen zwischen acht und 65 Jahren befragt, was sie unbedingt ins Altersheim mitnehmen würden? Was kam heraus?

Lisa Hampel: Vieles hatte sentimentalen Wert, Fotos zum Beispiel oder Bücher, Musik und Instrumente. Ganz viele erwähnten den Laptop. Er steht für Musik, Fotos und Kommunikation, eine Art Tor nach draußen. Ein Mann sagte, er würde den Schlüssel zu seiner alten Wohnung mitnehmen. Viagra, Rotwein, Marihuana kamen ebenso vor. Eine Dame sagte mir, ihr seien die Erinnerungen an Reisen am wichtigsten.

DER STANDARD: Was würden Sie beide mitnehmen?

Kathrina Dankl: Die Sammlung meiner Notizbücher. Es wäre mir peinlich, wenn die jemand finden würde. Und den Laptop.

Hampel: Fotos, ein Bett und den Computer.

DER STANDARD: Welche Rolle spielt bezüglich Altersheim der Gedanke der Endgültigkeit? In der Regel ist die Übersiedlung in ein Heim der letzte Umzug in einem Leben.

Dankl: Es gibt viele Menschen, die einen durchaus positiven Zugang zum Seniorenwohnhaus haben. Manche fühlen sich zum Beispiel mit ihrer bisherigen Wohnsituation überfordert. Eine Verkleinerung kann das Leben vereinfachen. An so etwas denken viele junge Menschen nicht. Wichtig ist, sich auf die neue Situation vorbereiten zu können. Wir kennen Bewohner, die sich schon zehn Jahre vor dem Umzug angemeldet und die ihre künftige Einrichtung gut geplant haben. Aber natürlich gibt es auch traumatische Fälle.

DER STANDARD: Das heißt, die eigene Vergänglichkeit nicht zu verdrängen wäre eine gute Strategie?

Hampel: Auf jeden Fall. Ich habe gerade im Economist einen Artikel mit dem Titel "The joy of growing old (why life begins at 46)" gelesen. Dort stand, dass man ungefähr mit 46 die Lebensunzufriedenheitskurve am größten ist. Je älter man wird, nimmt diese Unzufriedenheit ab. Es geht um ein Wachstum an Gelassenheit. Man kann ja nicht ständig depressiv sein, nur weil man älter wird.

DER STANDARD: Sie haben leicht reden, Sie sind beide um die 30. Wann ist man denn alt?

Hampel: Irgendwann ist man's halt. Jeder will alt werden, also muss man damit rechnen, dass man es eines Tages auch ist.

Dankl: Vielleicht merkt man es daran, dass man nicht mehr in eine andere Stadt ziehen will, oder wenn man nicht mehr im 6er-Liegewagen reisen will. Für mich hat es mit Ansprüchen zu tun, mit Bequemlichkeit und Gewohnheiten.

DER STANDARD: Wie kann Ihre Arbeit das Älterwerden leichter machen?

Hampel: Wir arbeiten zum Beispiel auf dem Gebiet der Behelfsprodukte, das sind Gehhilfen oder Besteck für Menschen, deren Feinmotorik nicht mehr so funk- tioniert. Solche Produkte sind nach wie vor sehr stigmatisierend. Dabei ist es ein Unterschied, ob ich einen aufgepimpten Rollator in einer Silver-Agers-Stadt in Florida benutze oder in einem Wiener Einkaufszentrum.

DER STANDARD: Was unterscheidet Sie von klassischen Produktdesignern?

Hampel: Eigentlich nichts, bis auf den Unterschied, dass wir einen ausgedehnteren Rechercheaufwand haben und uns auf diesem Gebiet ein Expertenwissen aneignen mussten. Es geht um eine wissenschaftliche Arbeit, die wir in Produktdesign übersetzen. Wir müssen sehr viel beobachten und kommunizieren.

DER STANDARD: Zum Beispiel?

Dankl: Erst heute hat mir wieder eine ältere Dame gesagt, dass die Gitterkörbe an Rollatoren keinerlei Sichtschutz bieten. Man trägt im Prinzip ihren Inhalt wie in einem Einkaufswagen zur Schau. Viele Leute verkleiden diese Gitter dann selbst mit Stoff. Menschen sind oft wendiger und kreativer als der Markt. Es ist toll, zu sehen, welche Strategien mit alltäglichen Dingen entwickelt werden.

DER STANDARD: An welchem konkreten Produkt arbeiten Sie gerade?

Hampel: Wir haben gerade einen Wäscheständer entworfen. Das Briefing lautete, der Ständer soll für bequeme und ältere Menschen funktionieren. Im Rahmen der Recherche bemerkten wir, dass sich die Ansprüche beider Gruppen weitgehend decken.

DER STANDARD: Wann ist man denn ein bequemer Mensch?

Dankl: Wir denken dabei an jene, die eher allein wohnen, Jüngere, deren Hauptaugenmerk nicht gerade auf Hausarbeit liegt. Kurz: auf jeden Fall keine Großfamilie. Ältere Menschen leben meistens auch in kleinen Wohneinheiten.

DER STANDARD: Woran hapert's denn bei Wäscheständern?

Dankl: Themen sind das umständliche Aufstellen oder ihre Unterbringung. Auch der Wunsch, dass die Wäsche in einer kleinen Wohnung nicht ständig sichtbar sein soll, war zu hören.

DER STANDARD: Wie sieht Ihr neuer Wäscheständer aus?

Hampel: Das dürfen wir noch nicht verraten, er wird auf der Messe "Ambiente" in Frankfurt präsentiert. Aber sagen wir, er hat einen sehr wohnlichen Charakter.

DER STANDARD: Es heißt, im Jahr 2030 wird jeder dritte Österreicher älter als 60 sein. Aber Gestaltung für ältere Menschen wird von Designern vernachlässigt.

Hampel: Nicht nur von Designern, da gibt's mehrere Player bzw. Nichtplayer. Fakt ist, dass sich das Altersbild sehr verändert hat. Heute Großmutter zu sein bedeutet etwas anderes als noch eine Generation zuvor. Menschen mit 65 schauen heutzutage mitunter betreten, wenn man ihnen seinen Platz in der U-Bahn anbietet. 60-Jährige sind heute so fit und zahlungskräftig wie nie zuvor. Hinzu kommt, dass diese Generation auch in einer Konsumgesellschaft aufgewachsen ist. Trotzdem reagiert die Industrie sehr langsam.

DER STANDARD: Warum?

Dankl: Vor gut 25 Jahren hat das Marketing begonnen, diese Gruppe zu labeln. Man sprach gezielt diese Gruppe an. Statt Seniorenreisen hieß es nach einem Lernprozess im Marketing Wellnessreisen. Diese Zielgruppe will aber nicht gelabelt werden. Dort liegt das Problem. Sie will keine ausgewiesenen Seniorenprodukte.

DER STANDARD: Bei welchen Produkten ist der Handlungsbedarf in Sachen Design am größten?

Hampel: Es kommt sehr aufs Lebensumfeld an. Manche Leute kaufen sich mit 35 eine Wohnung und denken gar nicht daran, dass sie dort vielleicht bis ins hohe Alter leben werden. Gibt es einen Lift? Muss man um fünf Ecken gehen, bis man ins WC kommt? Inzwischen haben sich manche Architekten auf solche Fragen spezialisiert. Es gibt auch Tischler, die auf diesem Gebiet umdenken. Das Öffnen eines Schranks kann im Alter durchaus zum Thema werden. Dann geht's natürlich um technische Geräte wie Handys. Das iPad ist ein gutes Beispiel für ein Produkt für jedes Alter. Es lässt sich sehr intuitiv bedienen, und keiner würde sagen, das ist ein Seniorenprodukt. Aber unterm Strich muss man sagen, dass jedes Produkt schwierig in der Bedienung werden kann. Verpackungen sind ein Riesenthema. Aber auch die Art, wie Produkte platziert werden.

DER STANDARD: Es wird also doch nichts besser, wenn man älter wird?

Hampel: Das ist das Image. Klar müssen wir uns in diesem Bereich fragen, was schlechter wird. Wir möchten aber auch herausfinden, ob etwas bzw. was besser wird.

DER STANDARD: Was wird denn besser?

Dankl: Erfahrung ist ein Thema oder kulturelle Prägungen aus vielen Jahrzehnten. Ältere Menschen können mitunter ein Problem ganzheitlicher erfassen. Das ersetzt nicht die Kraft im Arm, wenn man eine Dose nicht öffnen kann. In diesem Punkt geht es um Dinge wie Qualitätsbewusstsein, zu wissen, was man will und die Erfahrung mit Produkten, die man über ein Leben lang aufgebaut hat.

DER STANDARD: Was sind die größten Hürden, mit denen Sie konfrontiert sind?

Hampel: Das möchte ich gern mit einem Produkt beantworten. Wir haben eine Studie über Gehstöcke durchgeführt. Ein Hersteller zeigte starkes Interesse an den Produkten. Sein Problem war letztlich der Vertrieb, der ausschließlich auf den Health-Care-Bereich ausgelegt ist. Das zeigt die Problematik. Es gibt ein spezielles Geschäft, in dem ich einen Gehstock bekomme. Wir würden das Produkt aber auch gern zum Beispiel in einem Diesel-Store sehen, weil es durchaus auch einen Lifestyle-Anspruch haben kann. (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/11/02/2011)