Marie Ringler, Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete, ist Technologiesprecherin der Wiener Grünen. Mehr Informationen zu den Grünen Aktivitäten rund um Linux finden sich unter: www.marieringler.at.

WebStandard: Seit einem Jahr fordern die Wiener Grünen, dass die Stadt Wien sämtliche Arbeitsplätze von Windows auf Linux und andere freie Software umstellen soll. Warum?

Marie Ringler: Ganz kühl: Es ist im dringenden öffentlichen Interesse, dass unsere Verwaltung sich aus der Abhängigkeit von einzelnen Monopolisten löst. Für mich gilt da das Motto: "Open Source – Open Mind – Open City".

Offene Software und Normen sind kommerziellen "De-Facto-Standards" im Interesse der Gesamtgesellschaft einfach vorzuziehen. Daneben spielen auch finanzielle Aspekte eine große Rolle, etwa in der Frage des "Investitionsschutzes". Durch Open Source-Software schaffe ich eine Loslösung von "vorgeschriebenen" Erneuerungszyklen. Und natürlich gibt es auch finanzielle Aspekte die zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt etwa die Frage des "Investitionsschutzes". Denn das Auslaufen von Supportdienstleistungen für Produkte schafft regelmäßig massive Probleme und zwingt zu kostspieligem und lizenzpflichtigem "Upgrade".

WebStandard: Sollte Wien auch auf Linux setzen, wenn Microsoft einen "besseren" Preis macht?

Marie Ringler: Linux beziehungsweise Freie und Open Source-Software stehen für Offenheit und freien Wettbewerb von Ideen versus Geheimniskrämerei, Monopolismus und Dominanz Einzelner. Und damit ist der Umstieg auch eine politische Frage, die wir klar mit "ja" beantworten. Es gibt aus unserer Sicht, neben der Herstellerunabhängigkeit, auch die verstärkte Sicherheit sensibler Daten, aber auch Transparenz und Nachvollziehbarkeit zum Beispiel im Bereich von E-Voting, die für Open Source-Software sprechen.

Wir sollten den Umstieg auf Linux nicht als reine Software-Entscheidung betrachten, sondern auch als standortpolitische Chance für Wien.

Denn abseits der Frage um mögliche kurzfristige finanzielle Vorteile, die wir anhand der hoffentlich bald veröffentlichten Studie der Stadt Wien diskutieren werden, verstehen wir einen Umstieg auf Linux auch als möglichen Impuls in der Wirtschaftsförderung.

Wenn ein großer "Tanker" wie die Stadt umsteigt, dann kann das ungeheure Signalwirkung entfalten, und wir können in Wien das Know-How für große Migrationsprojekte sammeln.

Dazu muss es gelingen – und das ist eine klare grüne Forderung – vor allem kleinere, lokale Unternehmen in die Linux-Migrationsstrategie einzubeziehen. Neben dem Aufbau von Know-How, können wir dadurch auch die lokale Wertschöpfung stärken. Um das zu erreichen werden klarerweise einige Anstrengungen nötig sein.

Unsere Vision geht hier in Richtung eines Wiener Open Source-Kompetenznetzwerks, dass auch über die Grenzen der Stadt hinaus wirken soll und das wir modellhaft im Herbst vorstellen wollen.

WebStandard: Arbeiten die Grünen mit der Linux-Community, wie zum Beispiel LUGA, der Linux User Group Austria, zusammen?

Marie Ringler: Wir kommunizieren viel und gut mit Menschen aus der Freien und Open Source-Software-Community und werden diesen Dialog gerade in Hinblick auf unser grünes Modell eines Open Source-Kompetenznetzwerks noch verstärken. Die LUGA ist auch ein wichtiger Ansprechpartner bei den gemeinsamen Anstrengungen die Europäische Richtlinie zu Software-Patenten zu verhindern.

WebStandard: Setzen die Grünen selbst Linux auf dem Desktop ein? Wenn ja, wie stark ist das freie Betriebssystem verbreitet? Nutzt auch die Parteispitze Linux?

Marie Ringler: Mittlerweile gibt es viele Grüne die Linux am Desktop einsetzen. Auf meinem Laptop arbeite ich am liebsten mit der Linux-Distribution "Mandrake". Wir bieten innerhalb der Grünen auch kostengünstige Linux-Workshops, an um den Umstieg zu fördern. Für unsere Parteispitze wollen wir im Herbst eine Linux-Install-Party machen. Wer Lust hat uns dabei zu helfen, ist herzlich eingeladen.

WebStandard: Die Wiener Grünen haben in den vergangenen Monaten eine kostenlose Linux-CD unter das Volk gebracht. Wie ist die angekommen? Gibt es weitere derartige Verteilaktionen?

Marie Ringler: Die grüne "Linux für Alle" CD, übrigens eine gemeinsame Entwicklung mit den Münchner Grünen und der Wiener Software-Firma antitachyon, war ein kleiner Sensationserfolg. Innerhalb von drei Tagen haben mehr als 3000 Menschen die CD online bestellt. Ingesamt wurden in ganz Österreich 5000 Stück unter die Menschen gebracht und es hätten noch viel, viel mehr sein können. Ich glaube die Aktion hat gezeigt, dass es viel Interesse gibt, Linux auszuprobieren und die Möglichkeiten zu testen. (sum)