Die größten Gefahren für die österreichische Bevölkerung gehen derzeit von der Regierung aus - um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, braucht man keinen Analytiker des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Es genügt ein Blick in die Zeitungen, wobei diese nicht der Opposition nahe stehen müssen. Aber wenn es gilt, Gefahren, ehe sie Gestalt angenommen haben, zu jener Größe aufzublasen, die "Die Presse" in Stand setzen soll, der "Kronen Zeitung" den Rang einer Instinktdrüse des österreichischen Organismus abzulaufen, zögert deren Chefredakteur nicht, gemäß seinem beruflichen Motto zu handeln: "I scheiß mir nix".

Sein Versuch vom Wochenende, die Auflage der "Presse" durch das Bemühen zu steigern, ausgerechnet der "Krone" Leser abspenstig zu machen, steht an Kühnheit seinem Motto um nichts nach, an Seriosität nur wenig. Also bastelte man den Aufmacher Exekutive warnt: Islamisten in Österreich auf Vormarsch. Eine Botschaft, die man, weil sie in ähnlicher, wenn auch meist abgeschwächter Form, im Laufe dieses Jahres schon durch alle anderen Meiden gegeistert ist, mit der Leiste versah: Heute exklusiv in der "Presse". Daneben, um die Gefahr für Österreich zu verdeutlichen, das Foto eines Vermummten, dessen Stirnbinde den Text trug: Hate USA.

Kronzeuge des Blattes für den Vormarsch der Islamisten auf Österreich war ein nicht näher genannter Analytiker des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismubekämpfung, der etwas verschlüsselt, aber deutlich genug "dschihadistische Tendenzen" in islamistischen Kreisen verriet, wobei Dschihadismus nichts geringeres als die Ideologie bezeichnet, die Osama bin Ladens Terrornetzwerk al-Qaida verbreitet.

Mit dieser brandgefährlichen Definition war der Vormarsch schon zu Ende. Eine regelrechte Terrorismus-Szene habe sich in Österreich noch nicht herausgebildet, sagte der BVT-Mitarbeiter zur "Presse". Entwarnung wollte er jedoch nicht geben. Verbindung zur al-Qaida seien, "keinesfalls auszuschließen". Aber auch nicht zu erkennen: In Österreich sei der Nährboden für Radikalismen nicht so fruchtbar wie in anderen Staaten.

Um dem islamistischen Vormarsch doch etwas Exklusives abzuringen, untermauerte der Chefredakteur den Aufmacher mit einem Leitartikel, der an Dramatik nichts zu wünschen übrig ließ. Aktuell war da zu erfahren: Im Jänner dieses Jahres kam erstmals so etwas wie erhöhte Alarmbereitschaft ins öffentliche Bewusstsein. . . Seither köchelt das Thema "Islamismus in Österreich" auf mittlerer Flamme dahin. Das sollte man aber nicht unterschätzen. Nimmt man zusammen, was Verfassungsschützer, Integrationsexperten und Sozialwissenschaftler während der vergangenen Monate an Erkenntnissen gewonnen haben, so lässt sich einigermaßen zweifelsfrei festhalten: Der politische Islam ist auch in Österreich dabei, sich vom Phänomen zum Problem zu entwickeln.

Islamisten in Österreich auf Vormarsch vom Phänomen zum Problem - das wäre ein exklusiver Aufmacher gewesen. Anfang Jänner jedenfalls. Im November auch nicht mehr, da haben andere ihre Duftmarke längst abgesetzt. Die "Kronen Zeitung" als Instinktdrüse des österreichischen Organismus brachte es im vergangenen Jänner auf den Punkt: "Unter Kreisky hatte es fast Tradition, gewisse Gruppierungen in Österreich in Ruhe zu lassen. Vielleicht ein wenig opportunistisch, aber es hat funktioniert." Auch "Die Presse" kann es noch zur nationalen Instinktdrüse bringen - nur mir nix, dir nix auf den Spuren der "Krone" wandeln!

Das Doppelporträt, das Ioan Holender zwei Tage vorher von sich und Yassir Arafat im Feuilleton entworfen hat, war schon ein guter Anfang. Niemand in der Gegenwartsgeschichte hat je eine so lange Zeit als lebende, symbolische Inkarnation für eine Nation existiert, schwadronierte da der Direktor der Staatsoper über den Palästinenserchef. Warum hat ihn auch Nelson Mandela nie zum Mittagessen eingeladen?

Ich durfte neben ihm sitzen, etwa 30 teils uniformierte Mitarbeiter speisten am Tisch mit, und an den Wänden entlang standen die ganze Zeit über Männer mit Maschinenpistolen. Man aß, der Gewohnheit entsprechend ohne Besteck, viele verschiedene Speisen, welche - wie stets - die Frauen aus Ramallah und aus der Umgebung ihrem "Präsidenten" brachten. Es war nämlich so: Niemand in der gesamten Geschichte der Neuzeit konnte seine körperliche Beschaffenheit derart für dauerhafte Symbole, für eine politische Ideologie oder für die physische Verkörperung einer Nation gestalten. Auch wenn die Ursache seines Nichtrasierens eine dauerhafte Hautentzündung gewesen ist, wurde sein Bart zum Symbol des Widerstandes.

Ohne Hautentzündung - kein Widerstand! Hätten die Israelis ihn nur zur Kur ans Tote Meer gelassen, der Nahe Osten sähe anders aus! Auch "Kefiya" und die Uniform wurden dazu benützt, um einerseits seine kleine Statur und einen Körper, der zur Fülligkeit neigte, zu kaschieren sowie seine Glatze zu bedecken. Kreisky konnte er so täuschen. Holender nicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2004)