Der US-amerikanische Blueser Seasick Steve gastiert in explosiver Formation am Donnerstag in der Wiener Arena. Da geht die Post ab.

Foto: Warner Music

Wien - Gern spielt er auf selbstgebauten Instrumenten. Als ihm Jack White einmal eine alte Felgenkappe geschenkt hatte, sah er darin den Auftrag, daraus eine Gitarre zu bauen. Etwas Gartengerät, eine Bierdose und eine Grillzange später - und schon hielt Steven Wold ein neues Instrument in Händen. Auf derlei funky Klimbim zu spielen findet er aufregend, denn es könnte ja jeden Moment auseinanderfallen. Steven Wold ist der bürgerliche Name von Seasick Steve.

Der ist 71 oder 72 Jahre alt und Bluesmusiker. Kommenden Donnerstag steht er in der Wiener Arena auf der Bühne. Mit Band. Die ist so ökonomisch wie seine Instrumente. Eine mit nur drei Saiten bespannte Gitarre gehört da dazu und eben ein Schlagzeuger. Aus. Mehr braucht es nicht. Der Blues ist keine Verschwendungskunst. Mit Verschwendung kennt sich Seasick auch nicht aus, beim Blues schon.

Wobei ihm dieser immerhin eine späte Karriere beschert hat. Mit 63 (oder 64) Jahren nahm er seine erste Platte auf. Da blickte er auf ein Leben zurück, das man gemeinhin als unstet beschreibt.

Geboren in Kalifornien, haute er früh von zu Hause ab und verbrachte lange Jahre als Hobo. Züge haben es ihm seitdem angetan. Ihr Rhythmus ist ihm Musik, ihre Bewegung der Antrieb seines Lebens und seiner Kunst. Diese ist dreckiger Countryblues. Für den lässt er sich heute noch im Süden der USA inspirieren, obwohl er längst in Norwegen lebt. An die 60 Wohnsitze soll er davor gehabt haben, die meiste Zeit jedoch gar keinen. In den Südstaaten findet er noch jenes Amerika, das er gern besingt, das aber zusehends verschwindet: Gegenden mit windschiefen Strommasten, die Straßen säumen, über die man nüchtern noch wie betrunken fährt. Kleine Familienrestaurants, alte Läden, Spelunken, in denen es keine Sperrstunde oder Ausweispflicht gibt.

Fans wie Nick Cave

Im Jahr 2004 veröffentlichte er sein erstes Album: Cheap. Das zweite, Dog House Music, verkaufte sich in England wie warme Semmeln, am dritten, genialisch I Started Out with Nothin and I Still Got Most of It Left betitelt, unterstützten ihn Fans wie Nick Cave oder KT Tunstall. Es machte aus dem alten Haderlumpen einen wohlhabenden Mann. In einer BBC-Dokumentation sagte er: "Andere Leute kaufen sich ein Boot oder ein Sportauto, wenn sie berühmt werden und Geld haben. Ich hab mir einen Traktor gekauft." Ein Boot wäre in seinem Fall auch keine gute Idee, sein Alias hat nämlich einen realen Hintergrund: Steve wird leicht seekrank.

Das Album You Can't Teach an Old Dog New Tricks (2011) veröffentlichte Jack White, ein gewisser John Paul Jones (Stichwort Led Zeppelin) spielte darauf den Bass. Zu Hause in den Staaten gilt Seasick Steves Musik dennoch nicht viel. Dort hat der Blues immer noch einen schweren Stand, in Europa ist die Fangemeinde hingegen groß und treu.

Seasick wundert dies zwar, aber er genießt den späten Ruhm. Als er das erste Mal in der ausverkauften Londoner Royal Albert Hall spielte, war er gar überrascht, dass man einen Typen wie ihn da überhaupt reinlässt. Er sieht aus wie ein pensionierter Hipster: dreckige Jeanshose, verlauster Bart und ein Hemd wie ein Tischtuch. Das ist übrigens keine Bühnengarderobe, Steve hat nichts anderes. Doch, eines noch. Er trägt eine Kappe von John Deere. Das ist der Hersteller des Traktors, den er sich gekauft hat.

Live geht Steve ab wie eine Rakete, angeschoben wird er von Drummer Dan Magnusson, einem Geistesverwandten. Zusammen ergibt das einen Blues, der den Samen des Punk in sich trägt. Ein Traum. Wem das aber alles viel zu wild und aufregend ist, noch ein Hinweis: Am selben Abend wird Eric Clapton in der Wiener Stadthalle einen Bluesvortrag halten. Bei Ruhepuls. (Karl Fluch, DER STANDARD, 24.6.2014)