Im Blütenkelch der Dieffenbachia aurantiaca tummeln sich allerlei Insekten, bevor sich leuchtende Früchte bilden. Aber Achtung: Ihr Gift kann stumm machen.

Foto: A. Weber

Den Namen Dieffenbachia dürften die meisten Leute mit der beliebten Zimmerpflanze verbinden, tatsächlich handelt es sich dabei jedoch nur um eine Art (D. seguine) von insgesamt mehr als 50 Dieffenbachia-Arten, die alle im tropischen Süd- und Mittelamerika wachsen. Sie alle gehören zur Familie der Aronstabgewächse, die sich durch einen typischen Blütenstand auszeichnen: Viele kleine, unscheinbare Blüten sitzen an einem Spadix genannten Kolben, der von einem einzelnen Hochblatt, der Spatha, mehr oder weniger stark umhüllt wird. Oft ist das Hochblatt so gebaut, dass es an der Basis des Kolbens einen Kessel bildet, der für Insekten sehr attraktiv ist.

Eine der Pflanzen, bei denen das der Fall ist, ist Dieffenbachia aurantiaca, die Florian Etl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien an der Tropenstation La Gamba in Costa Rica untersucht hat. Die Art, die auf keinen deutschen Namen hört, hat glänzend grüne Blätter, die schraubig um einen unverzweigten, dreieckigen Stängel wachsen, und sondert bei Verletzung einen milchigen Saft ab.

Die Blütenstände haben die typische Aronstab-Form, wobei die männlichen Blüten am oberen Teil des Kolbens sitzen und die weiblichen am unteren. Letztere besitzen noch Staubblätter, die allerdings steril sind, sogenannte Staminodien. Diese dienen als Futterkörper für die Bestäuber. Während des zwei bis drei Tage dauernden Blühens öffnet sich das Hochblatt, das den Kolben umschlingt - so weit, dass die männlichen Blüten sichtbar werden, während sein unterer Teil einen Kessel um die weiblichen bildet. Gleichzeitig beginnt die Pflanze, einen würzigen Duft zu verströmen, und der Kolben erhitzt sich merklich: Der Spitzenwert lag acht Grad Celsius höher als die Umgebungstemperatur.

Mithilfe nachtsichttauglichen Video-Equipments und eines Endoskops mit eingebauter Kamera sowie viel Zeit und Geduld gelang es Florian Etl zu dokumentieren, wer aller den Blütenkessel besucht und zu welchem Zweck. Sein Fazit gleich vorweg: "Das ist ein richtiger Insektenpartykessel." Häufig beobachten konnte Etl zwei Arten von Bohrfliegen und eine Fruchtfliege, die ihre Eier im Kessel ablegen. Winzige Ameisen und Ohrwürmer kommen, um diese zu fressen. Die auffälligsten Besucher sind ca. fünf Millimeter lange, schwarz-orange gestreifte Wanzen (Neella floridula), die oft in Massen auftreten, den Pflanzensaft saugen und den Kolben als Paarungsplatz nutzen.

Bei all diesen Insekten handelt es sich jedoch um unerwünschte Gäste. Wie Etl zeigen konnte, erfolgt die Bestäubung ausschließlich durch die zwei Käferarten Cyclocephala gravis und Cyclocephala amblyopsis. Sie quartieren sich über Nacht im Kessel ein, fressen an den Staminodien, paaren sich und klettern am nächsten Abend hinaus. Dabei kommen sie an der Bauchseite mit dem Pollen in Berührung, der inzwischen aus den männlichen Blüten in Form feiner Würstchen herausgepresst worden ist. Beim Besuch der nächsten Dieffenbachia wird er an den empfängnisbereiten weiblichen Blüten abgeladen. Die daraus entstehenden Früchte, die sich zur Reifezeit leuchtend orange färben, werden von mehreren Vogelarten gefressen, die die Samen unverdaut ausscheiden und dadurch für die Verbreitung von Dieffenbachia aurantiaca sorgen. Außerdem gelang Etl der erste Nachweis, dass auch Reptilien, nämlich Helmbasilisken, die Früchte konsumieren und die Samen verbreiten.

Alle Dieffenbachia-Arten sind giftig: Sie enthalten Kalziumoxalat-Kristalle, die beim Verzehr zu starken Reizungen führen. Beim Menschen kann das sogar zur Stummheit führen - daher auch der zweite Name der Gattung, "Schweigrohr". Angeblich wurden in der Kolonialzeit singende Sklaven durch Verabreichung von Dieffenbachia zum Schweigen gebracht. Benannt wurde die Gattung 1829 vom österreichischen Botaniker und späteren Direktor der Schönbrunner Hofgärten Heinrich Wilhelm Schott, der als Namenspatron Joseph Dieffenbach wählte, den damaligen Schönbrunn-Obergärtner. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 2.7.2014)