Rom/Palermo - Im Mittelmeer werden nach UN-Angaben 75 Flüchtlinge vermisst, die nach Europa gelangen wollten. Die italienische Marine habe am Dienstag vor der Küste Siziliens ein havariertes Schiff entdeckt, 27 Menschen konnten gerettet werden, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Mittwoch mit. Die Überlebenden hätten berichtet, dass ursprünglich 75 weitere Menschen mit ihnen an Bord waren.

Die bisherigen Ermittlungsergebnisse deuteten darauf hin, dass "rund 70 Personen nach dem Unglück vermisst sind", sagte der Staatsanwalt der Stadt Catania, Giovanni Salvi. "27 konnten gerettet werden." Wahrscheinliche Ursache für das Unglück, das sich "in den vergangenen Tagen" ereignete, war demnach das schlechte Wetter sowie der Umstand, dass das Schlauchboot mit 101 Personen an Bord völlig überfüllt gewesen sei.

45 Leichen auf Boot gefunden

An Bord eines weiteren Flüchtlingsboots, das am Dienstagnachmittag auf Sizilien eintraf, wurden die Leichen von 45 Migranten geborgen. Bisher waren die italienischen Behörden von 30 Todesopfern ausgegangen. Feuerwehrmannschaften bargen um die Leichen aus dem engen Lagerraum, in dem die eingepferchten Flüchtlinge erdrückt wurden oder erstickten.

"Es ist wie ein Massengrab, das an Auschwitz erinnert", sagte der Polizeichef der Stadt Ragusa, Antonino Ciavola. Die Leichen werden jetzt in der Hafenstadt Pozzallo obduziert. Die Todesopfer - Männer aus Zentralafrika - wurden in einem Fischerboot entdeckt, auf dem sich 590 Migranten befanden, doppelt so viele, wie es der Sicherheit entsprechen hätte. Das Fischerboot wurde von einem Schiff der italienischen Marine nach Pozzallo geschleppt. Die Überlebenden wurden befragt, zwei mutmaßliche Schlepper wurden festgenommen.

Forderung nach Geld aus Brüssel

Mit dem Beginn der italienische EU-Ratspräsidentschaft will die italienische Regierung inzwischen die Flüchtlingsproblematik an die Spitze der europäischen Agenda setzen. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström reist am Donnerstag nach Rom, wo sie mit der Regierung Gespräche führen wird. Das Kabinett will vor allem über die Zukunft des Einsatzes "Mare Nostrum" zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer beraten und von der EU eine Zusage für finanzielle Unterstützung  erhalten. Premier Matteo Renzi will auf den designierten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker für eine rasche Ernennung eines EU-Kommissars Druck machen, der sich mit dem Flüchtlingsproblem befassen soll.

"Italiens EU-Vorsitz ist eine einmalige Gelegenheit, um die EU zu überzeugen, dass sie sich konkret zur Bewältigung der Flüchtlingswelle engagieren muss", sagte der Senator der Regierungspartei NCD, Renato Schifani.

Rechtsparteien hingegen verschärfen ihren Druck auf die Regierung für ein sofortiges Ende des Einsatzes, der ihrer Ansicht nach den Menschenhandel über das Mittelmeer nur noch fördert. "Wir haben zwar die Pflicht, Menschen in Seenot zu retten. Wir können jedoch diese verzweifelte Flucht aus Afrika nicht unterstützen, die kriminelle Schlepperbanden bereichert", sagte  der Senator der oppositionellen Forza Italia, Maurizio Gasparri.

Griechische Küstenwache rettet Flüchtlinge

Indessen hat die griechische Küstenwache am Mittwoch 31 Migranten vor der Insel Chios aufgegriffen. Ihr Boot sei wegen eines Motorschadens manövrierunfähig in der Meerenge zwischen der Insel und der Türkei getrieben, teilte die Küstenwache mit.

Am Vortag waren 205 Migranten in der Ägäis aufgegriffen worden. 140 von ihnen wurden aus einem havarierten Boot vor der Dodekanesinsel Karpathos gerettet, 65 waren vor der Insel Lesbos aufgegriffen worden. Alle Migranten, vor allem Syrer, seien wohlauf, hieß es. (APA, 2.7.2014)