"Irgendwie" konnte der Archaeopteryx fliegen - und in etwa so sah er dabei aus.

Illustration: R. Liebreich/Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie

Möglich wurden die neuen Erkenntnisse durch die Untersuchung dieses Archaeopteryx-Fossils, bei dem die einstige Befiederung noch sehr gut zu erkennen ist.

Foto: H. Tischlinger

München - Die zum Fliegen notwendigen Schwungfedern von Vögeln sind eine Meisterleistung der Evolution - und so komplex im Aufbau, dass sie sich nicht in einem einzigen Schritt entwickelt haben können. Einfacher aufgebaute Vorstufen müssen also zunächst einem anderen Zweck gedient haben, ehe der Flug als weitere Möglichkeit ins Spiel kam.

Hätten ihnen diese "Urfedern" nicht Vorteile gebracht, hätten nicht so viele Dinosaurierarten ein Federkleid entwickelt. Vor zwei Jahren beispielseise hatten Münchner Forscher einen mit dem Tyrannosaurus verwanden Baby-Raubsaurier untersucht. Unter ultraviolettem Licht sahen sie die Reste der Haut und des Federkleides als leuchtende Flecken und Fasern - der Beweis, dass Jungtiere Federn hatten. Oliver Rauhut, Konservator an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie, schloss damals nicht aus, "dass auch ein ausgewachsener Tyrannosaurus rex noch flauschig war".

Federn für jeden Zweck

Auch Funde gefiederter Spezies aus China brachten das alte Bild von Dinosauriern als drachenartigen Reptilien ins Wanken. Da die wärmende Bedeckung nur Sinn macht, wenn Tiere ihre Körpertemperatur regeln können, müssen zumindest die gefiederten Dinosaurier eine Art von Endothermie gehabt haben. Verschiedene Theropodenarten - darunter auch der 150 Millionen Jahre alte "Urvogel" Archaeopteryx - nutzten die Federn zudem vermutlich auch beim Laufen: Ihre Schwingen dienten zum Halten der Balance, ähnlich wie bei Straußen.

Und noch einen Zweck dürften die Federn schon früh erfüllt haben: Sie waren ein sexuelles Signal. In einer in "Nature" veröffentlichten Studie berichten Rauhut und seine Kollegen von der Bedeutung, die das Federkleid für die Balz des Archaeopteryx gespielt haben dürfte. "Er tat es vermutlich nicht so ausgeprägt, wie Vögel es tun - aber wahrscheinlich in irgendeiner Form schon", so Studienerstautor Rauhut. Vor allem mit den Federn an Schwanz, Flügeln und Hinterbeinen wollte der Urvogel Partnern gefallen.

Mit den Federn konnte sich der Archaeopteryx auch aufplustern. "Das vergrößert die Oberfläche und macht die Tiere imposanter", sagt Rauhut. Vielleicht diente das als Drohgebärde gegenüber Feinden - oder bei der Partnersuche.

"In irgendeiner Form konnte er fliegen"

Für ihre Studie zogen die Forscher von Staatssammlung und Ludwig-Maximilians-Universität das elfte, erst 2011 entdeckte Archaeopteryx-Exemplar heran. Es hat von allen Funden das besterhaltene Federkleid. Immerhin fanden sie dabei auch Hinweise dafür, dass der Archaeopteryx tatsächlich fliegen konnte. Das war bisher immer noch nicht unumstritten - manche Forscher nahmen an, dass er sich vor allem hüpfend fortbewegte.

"Interessanterweise waren die seitlichen Schwanzfedern von Archaeopteryx aerodynamisch geformt und dürften daher auch eine wichtige Rolle bei der Flugfähigkeit gespielt haben", sagt Koautor Christian Foth. Auch Rauhut sagt: "In irgendeiner Form konnte er fliegen. Wir sind nur nicht sicher, wie gut." 

Optikfrage bleibt offen

Noch rätseln die Forscher, wie bunt der Urvogel war. Ziemlich sicher ist: Er war nicht knallbunt wie ein Papagei - aber auch nicht nur schwarz-weiß wie oft dargestellt. Vor einem Jahr ergab eine Studie, dass die Federn dunkle Kanten und Spitzen hatten und das Federkleid gemustert war. Mit einer speziellen Röntgentechnik entdeckte das Team der Universität Manchester und des Berliner Museums für Naturkunde damals auch Metallspuren, die auf helle Farben in der Federmitte hindeuten.

"In den Pigmentkörperchen gibt es Anreicherung bestimmter Metalle: Kupfer, Eisen. Das führt dazu, dass bestimmte Farben sichtbar werden", sagt Daniela Schwarz-Wings, Kuratorin für fossile Reptilien am Naturkundemuseum. "Es könnten schwarze, braune und rote Farbbereiche da sein." Der Archaeopteryx war vermutlich eher dunkel. "Aber Blau, Grün oder Gelb - solche schillernden bunten Farben kann man durch die Analysen nicht nachweisen." Denn diese Farben seien durch den inneren Aufbau der Feder vorgegeben - im Stein ist aber nur der äußere Abdruck erhalten.

Nun ordnete das Team um Foth und Rauhut das rekonstruierte Federkleid des Urvogels auch in eine Übersicht der bekannten Federformen bei Dinosauriern ein - sie bieten große Vielfalt. "Wären die Federn primär für das Flugvermögen entstanden, dann hätte das die Variation aus funktionalen Gründen vermutlich eingeschränkt", sagt Foth. Es gab Saurier mit gefiederten Beinen, manche hatten lange Federn bis zu den Zehen, andere daunenartiges Gefieder. (red/APA, derStandard.at, 3. 7. 2014)