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Jungdirigent Maxime Pascal.

Foto: apa/barbara gindl

Salzburg - Er würde dem Publikum jetzt ein Geheimnis verraten, sagte Maxime Pascal mit bubenhaftem Charme, nachdem er in der Felsenreitschule gerade Strawinskys Feuervogel mit beeindruckendem Tempo, unglaublicher Präzision und vollem Körpereinsatz dirigiert und dafür tosenden Applaus geerntet hatte: Dirigenten seien nicht so wichtig, auch ohne sie könne man Musik zum Klingen bringen, nicht aber ohne Orchester. Daher widme er den soeben empfangenen Young Conductors Award (YCA) der Salzburger Festspiele dem Gustav Mahler Jugendorchester (GMJO). Weil er aber nicht mit Worten, sondern Musik das Konzert beenden wollte, dirigierte er den letzten Feuervogel-Satz gleich noch einmal. Pascal ist talentiert, in vielerlei Hinsicht.

Sicher, wenn der Vater Jazz-Posaunist ist und die Mutter Klavierlehrerin, liegt wohl auch deren einzigem Sohn Musik im Blut. Schon der sechsjährige Maxime lernte Geige und Klavier, komponierte später ein bisschen, zeichnete, schrieb. Dass er Musiker werden wollte, wusste der Schnellredner, der Herbert von Karajan als eines seiner Idole nennt, allerdings erst nach der Matura.

Geboren 1985 in Nantes, aufgewachsen in Südfrankreich, ging er zum Studieren nach Paris. Als sein Lehrer am Konservatorium, François-Xavier Roth, Chefdirigent von Baden-Baden und Freiburg, bald danach die Schule verließ, verlor auch Pascal die Freude am Studium: "Dirigieren kann man lernen, aber nicht lehren. Ich hatte kein Problem mit den Lehrenden, sondern mit der Institution und ihren restriktiven Strukturen." Nach fünf Jahren in Opposition flog er schließlich.

Aber da hatte der widerständige Musiker mit einigen Kommilitonen bereits sein eigenes Orchester, Le Balcon, gegründet: Aus einem Pool unterschiedlichster Instrumentalmusiker, Sänger, Schauspieler, Korrepetitoren, Bühnenbilder kann er das Ensemble zusammenstellen, je nachdem, ob Symphonien, Jazz, Techno, Zeitgenössisches oder Opern auf dem Spielplan stehen. Das erste Ensemble à Géometrie Variable gründete Pierre Boulez in den 1970er-Jahren; der große Meister höchstpersönlich kam auch zu Proben von Le Balcon und arbeitete mit dem jungen Kollegen: "Das war wie private Master-Classes. Ich lernte auf einem nichtformalen, nichtinstitutionellen Weg."

Mittlerweile ist Le Balcon samt seinem Dirigenten Maxime Pascal in Frankreich einigermaßen berühmt: "Es ist wie in einer Familie, in der man die Kinder wachsen sieht: Wir haben Le Balcon auf Studentenlevel gegründet, jetzt sind wir professionelle Musiker."

Und erfolgreich dazu: Beim YCA setzte sich der gleichermaßen temperamentvolle wie charismatische Jungstar gegen 81 Konkurrenten durch. Neben 15.000 Euro Preisgeld der vermutlich viel wichtigere Aspekt der Auszeichnung: das sonntägige Konzert in der Felsenreitschule mit dem GMJO. Genutzt hat Pascal die Chance - mit La Mer von Debussy, Ernest Chaussons Poème de l'amour et de la mer, das die gefeierte Mezzosopranistin Marianne Crebassa sang, und eben Igor Strawinskys Feuervogel.

Licht der Partitur

"Ich denke bei der Stückauswahl immer an die Besonderheit des Orchesters. Das GMJO besteht aus lauter jungen Musikern, es ist fast zwingend, La Mer zu spielen. Und Feuervogel braucht viel Herz und Begeisterung." Maxime Pascal bevorzugt beim Musizieren das Herz, aber "das Licht kommt von der Partitur. Wenn man die Partitur nicht lesen kann, reicht das Gefühl nicht - auch wenn es am Ende nur darauf ankommt." (Andrea Schurian, DER STANDARD, 19.8.2014)