Rund um Freistadt wurde der "Mühlviertel 8000" ausgetragen, ein Acht-Etappen-Bewerb mit einer Gesamtlänge von 190 Kilometern. An den Start gingen vor allem leistungsorientierte oberösterreichische Teams - und zwei Spaßpartien aus Wien

Was uns, fragte der Platzsprecher, hierher verschlagen habe. Schließlich sei Wien nicht unbedingt die Nachbargemeinde von Bad Leonfelden.

Denn auch wenn die Veranstalter des ASVÖ Mühlviertel 8000 stolz in ihre Pressemeldung schrieben, dass heuer Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, Tschechien, Italien und "erstmals den USA" angemeldet waren, sprach das Gesicht des Platzsprechers am Stadtplatz eine klare Sprache: 132 Teams waren vergangenen Samstag angetreten, eine anständig hügelige Gesamtstrecke von rund 190 Kilometern in acht unterschiedlichen Etappen zu Fuß, am Rad oder schwimmend zu bewältigen. Sie waren bunt gemischt - aber meist stark regional verwurzelt.

Dass zwei Teams aus Wien angereist waren, fiel auf: Wir waren Exoten. Nicht nur deshalb. Aber dazu später.

Foto: Screenshot

Was uns also hierher verschlagen hatte? So genau wusste das keiner mehr. Irgendwann im Frühjahr war die Idee im Raum gestanden, an einem Staffelbewerb teilzunehmen, bei dem auch Leute, die sich nicht unbedingt die harten und langen Distanzen zutrauten, dabei sein können.

Den MV 8000 brachte dann eine oberösterreichischstämmige Freundin ins Spiel: Der Event würde Mitte August zum dritten Mal ausgetragen und biete für alle etwas: 750 Meter Schwimmen, 15 Kilometer Berglaufen mit 650 Höhenmetern, 68 Kilometer am Mountainbike (1.000 HM), zwölf Kilometer (370 HM) Nordic Walking, 65 Kilometer am Rennrad (1.100 HM), nochmals acht Kilometer am Mountainbike (200 HM), noch einmal acht Kilometer Laufen mit 70 Höhenmetern - und zuletzt ein Dirt-Run über fünf Kilometer.

Ein feiner Mix für ein nettes Wochenende mit der Gang. Für Reinbeißer ebenso wie für die, die beim Sport Erholung, Spaß und Gruppenerlebnis suchen.

Foto: Thomas Rottenberg

Und auch, wenn da jeder und jede sein oder ihr Bestes geben würde, war klar: Wir wollten Spaß - und uns auf keinen Fall um Stockerlplätze matchen.

Nicht nur die Streckenbeschreibungen, auch das Veranstaltungsmotto "Acht Berge. Acht Sieger. Acht Helden. Acht Sieger" legte nahe, dass das wohl auch irgendwie die Idee der Veranstalter war. Trotzdem: Ganz ohne Training geht sowas nicht.

Ich meldete mich für den Berglauf – obwohl ich bis dahin kaum Steileres und Höheres als den Konstantinhügel im Prater gelaufen war. Die Herausforderung tat gut. Und das "Hügeln" im Lainzer Tiergarten und im Wienerwald machte mehr Spaß als gedacht. Ganz abgesehen davon, dass dann eben auch noch Thomas Krejcis "Run Together"-Berglaufcamp und der "Gore-Tex Experience-Trip" dazukamen. Und ich ließ mir von Sandrina Illes einen Trainingsplan basteln: Ich würde zwar nicht schnell sein, aber durchkommen.

Es kam anders: Knapp zwei Wochen vor dem großen Tag sprangen uns beide Rennradfahrer ab. Mitten in den Sommerferien zwei Leute zu finden, die Zeit und Lust auf eine Radetappe hätten, die man ganz ohne Roadbike-Praxis eher nicht angeht – zum anderen aber ehrgeizlos genug sein mussten, mit einer Fun-Partie zu einem Event zu fahren, bei dem (das hatten wir mittlerweile mitbekommen) in fast allen Teams Ex-Profis, Staats- oder Landesmeister mit antraten.

Foto: Thomas Rottenberg

Die echte Herausforderung, merkten wir dann, war weniger der Sport als die Logistik: Start-, Wechsel- und Zielpunkte lagen teils weit voneinander entfernt. Wir waren weder mit der Region vertraut, noch hatten wir Betreuer oder Angehörige, die da als Fahrer einteilbar gewesen wären: Wer wen wann wo wie mit welchem Fahrzeug einsammeln oder absetzen sollte, wie welcher Autoschlüssel zu wem kommen könnte, wer welches Wechselgewand in welchem Auto brauchte und wie wer wem wann mitteilen würde, welcher Zeitplan gerade gültig sei und so weiter: die Hölle.

Noch dazu für zwei Teams, bei denen niemand vorhersagen konnte, wie rasch die einzelnen Etappenzeiten wie weit auseinanderklaffen würden. Derartige Aufgaben lösen bei mir Panikattacken aus. Zum Glück gibt es Menschen, die solche Herausforderungen lieben: Das File, an dem wir uns dann orientierten, ist für mich das "Excel-Sheet des Jahrtausends".

Foto: Thomas Rottenberg

Der Wetterbericht verhieß wenig Gutes. Und das war die optimistische Lesart: Als wir am Samstag in Horni Plana am Ufer des Moldaustausees die Schwimmer zum Start begleiteten, war es nass und kalt und windig.

Foto: Thomas Rottenberg

Das Wasser war wärmer als die Luft. Noch etwas war augenscheinlich: Die anderen Teams nahmen den Event ernster als wir.

Foto: Thomas Rottenberg

Nach dem Schwimmen kam der Berglauf. "Unsere" Athleten waren super unterwegs - und froren danach bei Regen, Wind und Kälte auf 1.200 Metern Seehöhe erbärmlich: Ihr Abholer war in Tschechien in eine Verkehrskontrolle geraten und fand den Zulassungsschein des (fremden) Wagens nicht. Pass hatte er natürlich keinen dabei ...

Thomas Rottenberg

Währenddessen waren die Mountainbiker schon unterwegs. Der Regen hatte die Strecke rutschig gemacht. Zusätzlich waren aber auch Streckenschilder verschwunden.

Foto: Copyright MV8000

Ob es sich da um einen Scherz, den Racheeakt eines Grundbesitzers oder umgeknickte und versehentlich falsch aufgestellte Schilder handelte, ist unklar. Unbestritten ist, dass etliche Fahrer ordentlich in die Irre geschickt wurden.

Foto: Thomas Rottenberg

Freilich: Der Gap zwischen den Ersten und den Letzten betrug da bereits weit über eineinhalb Stunden. Auch, weil beim MV 8000 regionale Teilnehmer strategisch brillierten: Nach dem MTB kam, was im Programm "Nordic Walking" hieß. Doch auf der gleichen Strecke wird mit dem "Sternsteinlauf" ein bekannter Berglauf abgehalten. Das hätte uns warnen müssen.

Dass im Reglement stand, dass seit 2013 "kein Rucksack oder Zusatzgewicht" mehr mitgeführt werden muss, auch. Vor Ort hieß "Nordic Walking" dann plötzlich "Nordic Hiking". Und der Satz "Der Einsatz von Walkingstöcken ist verpflichtend" wurde von 130 Teams so interpretiert: Der Läufer hat Stöcke, setzt sie aber nicht ein. Einige Stöcke waren sogar noch originalverpackt.

Im Grunde hätten auch Essstäbchen oder Zahnstocher genügt - dass unsere Nordic Walkerinnen sich dadurch nicht beirren ließen und inmitten der Bergläufer tatsächlich "walkten", fand ich großartig.

Thomas Rottenberg

Ich stieg etwas mehr als zwei Stunden nach dem ersten Rennradfahrer auf. Stressfrei. Ich genoss die Fahrt. Immerhin hatte es vor kurzem aufgehört zu schütten. Und die Spätsommernachmittagssonne trocknete die Straßen rund um Freistadt ein bisserl auf. Außerdem hatte ich Rückenwind.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Hälfte der Strecke fuhr ich allein. Dann holten mich Gernot, ein freundlicher Polizist aus Linz, und eine Amstettnerin ein, die vermutlich ebenfalls Polizistin ist. Ihren Namen verschluckte der Wind.

Die beiden waren erfahrene Biker und schoben ordentlich an, "weil wir aufholen müssen, was unserer Teamkollegen verspielt haben". Ich hängte mich an - und war ehrlich überrascht, wie gut ich mithalten konnte.

Foto: Thomas Rottenberg

Obwohl ich mir sicher war: Bei der Auffahrt nach Liebental würde ich die beiden verlieren. Wie ich 500 Höhenmeter mit teils mehr als 13 Prozent Steigung überhaupt schaffen sollte, hatte ich bis dahin schlicht verdrängt. "Wir sind zu dritt, das machen wir schon", sagte Gernot. Und hatte recht - obwohl ich bis jetzt nicht weiß, wie. Wir überholten einige andere Radfahrer.

Foto: Thomas Rottenberg

Dann kam der Regen. Und zwar richtig: Hätten in Sandl nicht die Mountainbiker gewartet, wäre ich abgestiegen und hätte in einem Gasthaus oder einer Bushaltestelle Unterschlupf gesucht. Obwohl: Da wäre ich vermutlich erfroren.

Foto: Thomas Rottenberg

Außerdem folgt auf Regen ohnehin wieder Sonnenschein. Auch hier. Und von Liebenau nach Sandl konnten wir es (zum Teil) wieder ordentlich krachen lassen.

Thomas Rottenberg

Die Mountainbikeetappe ging eine Skipiste hinauf - und dann hinunter. Danach kam ein lockerer Wald-und-Wiesen-Lauf. Und zuletzt der Dirtrun: durch Gräben, Autowracks und über Reifenstapel oder Erdhaufen, durch Rohre - und Gatsch, Gatsch, Gatsch.

Ein furioses Finale, das allerdings zum Teil knackiger aussah, als es war. Jedenfalls schrieben die Veranstalter, dass diese Passage für jedermann bewältigbar sei.

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Stimmt. Absolut. Und zwar im Gegensatz zur "neunten Etappe" - der Siegerehrung auf der "Freistädter Wies'n" auf der Freistädter Messe: Zu der eilten wir, als wir nach über zehn Stunden wieder komplett waren, kollektiv - aber ich fiel relativ rasch aus.

Nicht, weil es mich frustrierte, dass zwischen den Gesamtzeiten der Sieger und uns über drei Stunden lagen: Das war mir wirklich herzlichst egal.

Auch nicht, weil dort dann Landespolit-Kasperliaden bei der Siegerehrung abgehalten wurden: So was ist ebenso provinziell wie unvermeidlich.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber ich kann einfach nicht mit Zelt- und Bierfesten: Das "Fest des Huhnes" ist ein großartiger Film - darin mitzuspielen überfordert mich aber restlos. Mein Fehler.

Foto: THomas Rottenberg

Trotzdem: Die ersten acht Etappen des "Mühlviertel 8000"-Tages waren ein großer (und gut organisierter) Spaß. Und ich werde gerne wiederkommen - obwohl es da ein kleines Problem gibt: Wie ich das nächste Mal wieder ohne Ehrgeiz an den Start gehen soll, ist mir noch nicht ganz klar. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 21.8.2014)

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