Forscher entnehmen Material aus dem subglazialen Whillans-See im Westen der Antarktis. Die Analyse der Wasser- und Sedimentproben aus dem 800 Meter tief liegenden See brachte mikrobielles Leben ans Licht.

Foto: Reed Scherer, Northern Illinois University

Eines der entdeckten Lebewesen: Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt einen Einzeller aus der Wassersäule des Whillans-Sees.

Foto: Trista Vick-Majors

Knoxville/Wien - Tief unter dem antarktischen Eisschild und unerreichbar für die Strahlen der Sonne verbergen sich hunderte subglaziale Seen. Erst in den letzten Jahren haben Wissenschafter damit begonnen, zu den teilweise Tausende Meter unter der Oberfläche liegenden Süßwasserreservoirs vorzudringen. Lange war spekuliert worden, ob es dort unten auch Leben gibt, und wie dieses allenfalls aussehen könnte.

Nun haben US-Wissenschafter von der University of Tennessee eine spektakuläre Antwort auf diese Frage präsentiert: Die Forschergruppe um Jill Mikucki hat in Wasserproben aus dem 800 Meter tief liegenden Whillans-See im Westen der Antarktis zahlreiche Mikroorganismen entdeckt. Mehr noch: Die im Fachjournal "Nature" veröffentlichten Analysen belegen, dass es dort unten offenbar ein ganzes Ökosystem gibt, das ohne Licht und bei Temperaturen unter Null Grad Celsius floriert.

Seit Jahrtausenden isoliert

Über eineinhalb Jahre hatte es gedauert, ehe die beteiligten Wissenschafter sicher sein konnten, dass es sich bei den entdeckten Organismen nicht um eine Kontamination von außerhalb handelte. Die untersuchten Wasser- und Sedimentproben waren im Jänner 2013 im Rahmen des Forschungs-Projektes WISSARD (Whillans Ice Stream Subglacial Access Research Drilling) bei Bohrungen am Whillans-See, der vermutlich seit Jahrtausenden keine direkte Verbindung zur Atmosphäre hatte, entnommen worden.

Frühere Mikrobenfunde in Bohrproben aus dem Wostok-See, dem mit 250 Kilometern Länge größten subglazialen See der Antarktis, waren in Frage gestellt worden, nachdem nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die betreffenden Analyse-Resultate nicht des Ergebnis von Verunreinigungen darstellten. Um auch beim Whillans-See eine Kontamination auszuschließen, kam beim WISSARD-Projekt eine neuartige Bohrmethode zum Einsatz, die hauptsächlich auf heißem Wasser basierte.

Uralte Lebensgrundlage

DNA-Untersuchungen brachten schließlich Gewissheit: Den Hauptteil der vorgefundenen Mikroorganismen bilden Archaeen. Diese stellen neben Bakterien und den Eukaryoten, also Lebewesen mit Zellkern in ihren Zellen, eine der drei Lebens-Domänen dar. Viele der vorgefundenen Archaeen beziehen ihre Energie aus der Aufspaltung von Ammoniak. Eine weitere Energiequelle bildet Methan. Der Ursprung dieser beiden Lebensgrundlagen für das mikrobielle Ökosystem liegt nach Ansicht der Wissenschafter in organischer Materie, das sich vor Tausenden von Jahren angesammelt hat, zu einer Zeit also, als die Antarktis noch wärmer und damit lebensfreundlicher war. (tberg, DER STANDARD, 21.08.2014)