Marlene Agreiter (li.) und Camille Boyer in ihrem Büro im 7. Wiener Gemeindebezirk.

Foto: Georg Molterer

Marlene Agreiter und Camille Boyer haben alle Hände voll zu tun. Das ist zu hören und zu sehen. Die Handys klingeln, das helle Büro ist von einer Wand zur nächsten vollgestellt mit Kleiderständern, dicht an dicht behängt mit den Kollektionen junger Modedesigner. Agreiter und Boyer, beide Jahrgang 1977, sind die Köpfe hinter der Austrian Fashion Association (AFA), die mit Jänner 2014 im Auftrag von Stadt und Bund die heimische Modeförderung übernommen hat.

Jetzt steht der erste große Auftritt, die öffentliche Verleihung der Austrian Fashion Awards, an. Statt ein eigenes Festival wie die Vorgänger-Institution Unit-f auszurichten, haben Agreiter und Boyer beschlossen, sich in das Programm der knapp einwöchigen MQ Vienna Fashion Week einzuklinken. "Die Fashion Week funktioniert als Veranstaltung wunderbar, wir wollen Synergien nutzen: Für Grabenkämpfe ist die Stadt zu klein."

Die beiden wissen genau, wovon sie sprechen. Sie sind in der lokalen Szene seit Jahren vernetzt. Kennengelernt haben sich Agreiter und Boyer 2010 über ihre Arbeit für die "Kooperationsbörse Mode", eine Initiative der Kommunikationsplattform Austrianfashion.net, um Kooperationen von Gewerbetreibenden und Designern anzustoßen. Eine folgenreiche Begegnung. 2011 initiierte das Duo das erste "Austrian Fashion Showcase" auf der Pariser Fachmesse Première Classe.

Hands-on

Wie Agreiter und Boyer als Team funktionieren? "Wir sind beide ziemlich hands-on. Wenn man abends nach dem Ende eines Projekts auch noch gemeinsam den Müll aufräumt, weiß man, dass man auf den anderen zählen kann." Camille Boyer und Marlene Agreiter bringen dabei ganz unterschiedliche Perspektiven ein.

Die eine, in Frankreich aufgewachsen, kennt die Modeindustrie von der Warte der Designer und Einkäufer. Die andere, gebürtige Südtirolerin, hat Modedesign und Psychologie studiert und eine Kulturmanagement-Ausbildung gemacht. Agreiter sei vielleicht eher die Administrative, Boyer die Exekutive. So ganz festlegen lassen wollen sie sich da aber nicht. Die Gewaltenteilung lasse sich im Tagesgeschäft sowieso nicht wie auf dem Papier geplant durchziehen.

An einem Prinzip aber wollen sie nicht rütteln: "Die Tür offen zu haben." Wie zum Beweis ist die Tür hinaus auf die Lindengasse das Gespräch über sperrangelweit geöffnet, Tiberius-Designer Marcos Valenzuela und Designerin Christiane Gruber grüßen im Vorbeigehen durch die Glasfront.

Mitten in der Szene

Fast täglich kämen Designer vorbei, erklären Agreiter und Boyer. Auch die, die nicht ins Afa-Förderprogramm passten, würden hier beraten: "Wir sitzen im siebenten Bezirk inmitten einer funktionierenden Szene, die einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass Wien als Mode- und Kreativstadt wahrgenommen wird. Sich dem zu verschließen, wäre ein Fehler."

Die Afa will eine Lücke in der Förderlandschaft schließen. Mit der Förderschiene "Afa support/collection" sollen junge Designer ganz praktisch in ihren Anfängen unterstützt werden, mit dem Programm "Afa support/focus" wird fortgeschrittenen Designern eine Finanzspritze verpasst.

Netzwerken

Am Anfang stünden meist junge Designer mit einer oft showlastigen Uni-Kollektion. "Wir fühlen uns da dem Kunstfördermodell verpflichtet. Wer das kreative Potenzial hat, soll die Möglichkeit bekommen, seine Handschrift zu entwickeln." Gleichzeitig will die Afa Labelgründern helfen, den Markteintritt wohlüberlegt anzugehen.

Der sei nämlich, so die Erfahrungen von Agreiter und Boyer, meist der Kasus Knacktus. Im September startet deshalb eine Workshop-Reihe, in der bis in den Mai hinein zwölf Designern unter die Arme gegriffen wird. Mithilfe internationaler Experten werden Themen wie Vertrieb, Presse, Produktion angepackt, und das möglichst praxisnah.

Was die Macherinnen sonst noch vorhaben? Hinsichtlich der Produktion gelte es, in Europa engere Netzwerke aufzubauen, auch in Österreich sehen sie noch Handlungsbedarf. Und dann sei man auf universitärer Ebene auf der Suche nach einem Partner, der die Strukturen und Arbeitsverhältnisse der österreichischen Modeszene abbilde.

Lange Anlaufzeiten

In Planung ist außerdem der in Paris gastierende Austrian Fashion Showroom. Der musste allerdings von diesem Herbst auf das kommende Jahr verschoben werden. Auch wenn so manches längere Anlaufzeiten braucht als geplant, Marlene Agreiter und Camille Boyer scheinen beseelt davon, "eine neue Designergeneration aufzubauen - und mit ihr zu wachsen". Zum Startschuss werden aber erst einmal Preise verliehen. Mit dem "langweiligen Award-Verleih" soll gebrochen werden. Wally Salner, die ehemalige Fabrics-interseason-Designerin, hat einen performativen Auktionsabend geplant.

Auch das ist ein Statement. "No risk, no fun", grinsen die beiden. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 5.9.2014)