Ein chinesischer Kochplatz ist meist faszinierend einfach ausgestattet: ein Wok und ein Schöpflöffel, eine offene Feuerstelle, meist eine riesige Gasflasche, ein beweglicher Wasserhahn und eine Vielzahl an kleinen Schüsseln und Töpfen, mit vorgeschnittenen Gemüsen, Ölen und Gewürzen.

Mit dem Schöpflöffel schöpft der Koch aus den Würztiegeln und Töpfen, rührt Fleisch und Gemüse im Wok und holt sich etwas Wasser für die Sauce aus dem beweglichen Wasserhahn. Mehr braucht es meist nicht, um in ein, zwei Minuten kleine kulinarische Wunder zu wirken. In Sichuan ist eines dieser Wunder (vielleicht das berühmteste) Mapo-Tofu.

Foto: Tobias Müller

Laut Fuchsia Dunlop heißt der Tofu nach der "pockennarbigen Mutter eines Chengduer Restaurantbesitzers" aus der Quing-Dynastie, die den Tofu für die Ölhändler zubereitete, die bei ihr auf dem Weg zum Markt einkehrten. Der weich-cremige Tofu schmeichelt Hals und Gaumen, die scharf-würzig-ölige Sauce wärmt und tränkt den Reis, der Sichuan-Pfeffer prickelt, und die fermentierten Sojabohnen entzücken mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich das Glück habe, auf einen der salzigen Wonnebrocken zu beißen.

Mapo-Tofu ist noch simpler gemacht als Dan-Dan-Nudeln, fast so gut und gerade bei Wetter wie diesem unheimlich befriedigend. Er ist in zwanzig Minuten ohne große Verrenkungen gekocht, und es braucht kein spezielles Werkzeug oder Wissen. Bloß ein Besuch im Asia-Shop ist wie so oft vorher nötig.

Die wichtigste Zutat für Mapo-Tofu ist (neben, no na, Tofu) fermentierte Chili-Bohnen-Paste (Dou Ban Jiang), ein roter, scharfer Brei aus Favabohnen und Chili. Sie ist es, die dem Gericht großteils seinen typischen Geschmack verleiht. Meine Variante stammt aus diesem Shop, wird in einem kleinen, transparenten Plastiktiegel mit rotem Deckel verkauft und heißt "Sichuan Pixian Douban", nach der Stadt Pixian, aus der angeblich die beste Paste kommen soll.

Fleisch wird beim Mapo-Tofu nur in kleinen Mengen verwendet, wie so oft in China ist es eher ein Gewürz und gut für die Konsistenz. Ich finde es für das Gericht nicht unbedingt nötig, es kann ohne große Verluste weggelassen werden. Das folgende Rezept ist Fuchsia Dunlops Variante, von der sie schreibt, es sei jenes Rezept, das an der staatlichen Sichuan-Kochschule unterrichtet wird.

Für zwei bis vier Esser braucht es:

500 Gramm Tofu, nicht zu weich, damit er beim Kochen nicht zerfällt. Ich kaufe meinen ebenfalls im Asia-Shop und nehme meist den offenen aus den Kübeln.

Eine Stange Lauch oder zwei, drei Frühlingszwiebel. Original, aber schwer zu bekommen ist dieses Gemüse.

1/8 Liter Erdnussöl, für chinesische Gäste deutlich mehr.

150 Gramm Rindsfaschiertes optional.

40 bis 50 Gramm Chili-Bohnen-Paste

15 Gramm fermentierte Sojabohnen

2/3 getrocknete Facing-Heaven-Chilis, in Streifen geschnitten optional, siehe hier: Dan-Dan-Nudeln - Das Sichuan-Äquivalent zur Käsekrainer.

1/4 Liter Suppe oder Wasser: In die Suppe sollte jedenfalls Ingwer, idealerweise Ingwer und Schwein. Diesmal bei mir: der Knochen und die Haut einer zwölf Stunden geräucherten Stelze, ein fünf Zentimeter langes, zerdrücktes Stück Ingwer, drei Schalotten, mit Wasser bedeckt und zwei Stunden geköchelt.

Eine Prise Zucker

Ein Schuss helle Sojasauce

Nicht zu wenig Maisstärke

Ordentlich gerösteter, gemahlener Sichuanpeffer (siehe wieder hier)

Den Tofu in kleine Würfel schneiden, in eine Schüssel geben, salzen, mit kochendem Wasser übergießen, einige Minuten ziehen lassen und abgießen.

Foto: Tobias Müller

Den Lauch schräg in dünne, ovale Scheiben schneiden (der "Pferdeohren-Schnitt", einer der zahlreichen Sichuaner Schnittformen) und mit ihm genauso verfahren wie mit dem Tofu.

Foto: Tobias Müller

Das Öl in eine Pfanne (bei mir ein gusseisener Bräter) geben und auf mittlere Hitze bringen. Das Faschierte, falls verwendet, braun und knusprig braten. Die Chili-Bohnenpaste dazugeben und 30 Sekunden mitbraten, bis das Öl schön rot ist. Die schwarzen Sojabohnen und die gehackten Chilis folgen lassen und erneut kurz braten.

Foto: Tobias Müller

Die Suppe / das Wasser zugießen, den Tofu hineingeben und mit etwas Zucker, Salz und Sojasauce würzen. Zum Köcheln bringen und fünf Minuten blubbern lassen. Den Lauch / die Zwiebel untermischen und kurz kochen, bis er weich ist. So viel Maisstärke hineinstreuen und rühren, bis das Ganze eine leicht sämige Konsistenz bekommt und die Sauce gut am Tofu haftet. In eine Schüssel schöpfen, mit ordentlich Sichuan-Pfeffer bestreuen (ja nicht sparen!) und servieren.

Foto: Tobias Müller

Bonus-Track: Frittierter Tofu

In Hunan wird ein ähnliches Gericht wie der berühmte Mapo-Tofu serviert, bei dem frittierter Tofu zum Einsatz kommt. Ich habe das zu Testzwecken diesmal auch für den Mapo-Tofu probiert und war nicht überzeugt. Was allerdings ganz köstlich ist, ist der frische frittierte Tofu, gleich nach dem Abtropfen genossen - außen knusprig, innen heiß und cremig, nur mit ein wenig Salz oder was Ihnen sonst so als Würze einfällt.

Schneiden Sie den Tofu in kleine Würfel, bringen Sie ordentlich Erdnussöl auf mindestens 200 Grad, und frittieren Sie die Würfel ein, zwei Minuten. Wie bei allem Frittieren essenziell: Packen Sie nicht zu viel Frittiergut ins Öl, weil sonst die Temperatur zu sehr sinkt und der Tofu nicht recht knusprig wird. Frittieren Sie lieber kleinere Mengen in mehreren Durchgängen. Ich kann es chemisch nicht erklären, aber bei mir war die Öltemperatur ideal, wenn es ordentlich geschäumt hat und die einzelnen Tofu-Stücke nach dem Eintauchen ins Öl beschlossen haben, ein wenig aneinanderzukleben.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, derStandard.at, 14.9.2014)