Frank Underwood wäre das nicht passiert. Da schickt sich die oberwichtigste Videoplattform an, den deutschsprachigen Markt zu erobern, und dann sind ausgerechnet Premieren des hauseigenen Topsellers vom Gesamtangebot ausgeschlossen?


Einen solchen Patzer hätte Frank Underwood garantiert nicht durchgehen lassen. Wer zu verantworten hat, dass beim Netflix-Start in Österreich und Deutschland am Mittwoch die Erstausstrahlungsrechte der eigenproduzierten und immens beliebten Politserie "House of Cards" ausgerechnet beim Konkurrenten Sky liegen, müsste nach allen Regeln der Niedertracht dafür bezahlen. Und es liegt in der Natur dieses Paradepolitikers, dass ihm über die Art der Strafe einiges eingefallen wäre. Der Mann schreckt vor nichts zurück.

Foto: Netflix

Frank – oder förmlich Francis, wie seine Frau ihn nennt - Underwood, geboren am 2. November 1959 im Sternzeichen des Skorpions ist derzeit der mächtigste, mieseste und gleichzeitig schillerndste Held der Serienwelt. Erst mit ihm hat Netflix jenen Ruhm erworben, auf dem sich der sagenhafte Hype um den Markteinstieg begründet, dem seit Monaten medial entgegengefiebert wird.

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Franks Bildschirmkarriere startete am 1. Februar 2013, als Netflix 13 Folgen der Politserie ins Web stellte und die Konsumwelt des Abruffernsehens befeuerte. Bis dahin kamen nur wenige originale Webserien aus dem Amateurstadium hinaus. Netflix engagierte David Fincher ("Fight Club") als Produzenten und Regisseur für zwei Folgen, Kevin Spacey ("American Beauty") und Robin Wright ("Forrest Gump") als Hauptdarsteller und pumpte 100 Millionen Dollar in zwei Staffeln. Ein aufwendiger Pilotfilm, wie in der Fernsehbranche üblich, schien den Webvideopionieren überflüssig.

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Entstanden ist ein Politthriller in epischer Länge mit einem Bösewicht, neben dem J.R. Ewing wie ein liebenswürdiger Opa aussieht, und der in der ersten Staffel wahrscheinlich wirklich zum besten der TV-Unterhaltung gehörte, in der zweiten Staffel sich allerdings allzu sehr in Selbstdarstellungsexzessen verlor. Auf die dritte Staffel darf man gespannt sein. Neu erfunden hat die Webserie das Genre freilich auch nicht, bis auf das Detail, dass der Politbonze ab und an direkt zu uns, den Zuschauern spricht. Abgesehen davon folgt "House of Cards" der amerikanischen Tradition des guten, alten Storytelling. "House of Cards" ist ein Erfolg, auch wenn Netflix detaillierte Angaben zu Marktanteilen beharrlich verschweigt.

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Was Frank Underwood befürworten könnte. Er lässt sich nämlich nicht gern in die Karten schauen. Seine Geschichte beginnt in Gaffney, South Carolina. Den Vater, ein Pfirsichbauer in Gaffney, South Carolina, verachtet er von klein auf. Als dieser mit nur 43 an einem Herzinfarkt stirbt, fühlt er nichts. Disziplin und strategisches Denken schult er an der Militärakademie The Sentinel und an der Harvard University.

Seinen Serieneinstand gibt er, als er einem Hund mit bloßen Händen das Genick bricht. Gnadenhalber, versteht sich. Es wird nicht die letzte Leiche sein, über die der überzeugte Demokrat eiskalt geht. Wenn er eine Bedrohung sieht, scheut er sich nicht, selbst Hand anzulegen. Gegner werden entweder vereinnahmt oder auf Lebenszeit unschädlich gemacht. Stets an seiner Seite: seine Frau Claire (Wright), mit der beim nächtlichen Lauf durch Washingtons Parkanlagen, stets schwarz gekleidet, finstere Pläne ausheckt. Geheiratet hat er, weil „ich sie mehr liebe, als Haie Blut lieben“.

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Mit Claire arbeitet er sich hoch, schafft es vom einfachen Kongressabgeordneten bis in höchste Ämter. Über sein Demokratieverständnis lässt er keinen Zweifel. Sie sei überbewertet: „Mein Job ist es, die Rohre durchzublasen, damit die Scheiße fließt“, sagt er. Wie echt ist "House of Cards"? Darüber lässt sich nur spekulieren, wiewohl: Barack Obama versäumt keine Folge. (Doris Priesching, derStandard.at, 16.9.2014)

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