Bienenschonender Ersatz für Mais: Silphium perfoliatum, die Durchwachsene Silphie, gilt als Zukunftshoffnung für die Gewinnung von Biogas.

Foto: Ages/Peter Nemenz

Sida hermaphrodita, ein Malvengewächs, soll als umweltschonender Brennstoff genutzt werden.

Foto: Ages/Peter Nemenz

Ruprechtshofen - Auf dem Weg von Wien in das südlich von Melk gelegene Ruprechtshofen passiert man immer wieder Quellen erneuerbarer Energie: Windräder und Maisfelder. Letztere werden nicht nur zur Erzeugung von Tierfutter verwendet, sondern auch zur Produktion von Bioenergie.

Mais ist jedoch nicht die einzige Art, die sich dafür eignet. Mit der steigenden Nachfrage nach Bioenergie werden immer neue Pflanzen auf ihre diesbezügliche Eignung untersucht. Auch in Grabenegg bei Ruprechtshofen, wo die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) eine landwirtschaftliche Versuchsstation betreibt. Dort wachsen zwei vielversprechende Kandidaten: Silphium perfoliatum und Sida hermaphrodita. Vergangene Woche präsentierte die Ages erste Ergebnisse der Öffentlichkeit.

Unter einem bleigrauen Himmel haben sich eine Menge Leute vor zwei Versuchsflächen versammelt: Auf einem rund 300 Quadratmeter großen Flecken stehen dicht an dicht rund drei Meter hohe Pflanzen mit dicken, vierkantigen Stängeln und großen Blättern. Die gelben Blüten sind vergleichsweise klein, viele sind schon abgeblüht, andere haben ihre beste Zeit noch vor sich. Das ist Silphium perfoliatum, die Durchwachsene Silphie. Sie gehört zu den Korbblütlern und stammt ursprünglich aus Nordamerika. Der unterschiedliche Entwicklungsstand ihrer Blüten kommt daher, dass sie von Juni bis Mitte Oktober blüht.

Damit könnte sie in der Kulturlandschaft, die vor allem in Ostösterreich eine Tendenz zur "Vermaisung" zeigt, monatelang für attraktive Farbtupfer sorgen. Das ist jedoch bei weitem nicht alles, was man sich von der Silphie erhofft, wie Josef Mayr von der Ages, Leiter des vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekts "Bioenergy-Silphium" betont.

So gut wie keine Pestizide

Im Unterschied zum Mais braucht sie so gut wie keinen Pestizid-Einsatz, was ihre pollen- und nektarreichen Blüten für Bienen ungefährlich macht. Tatsächlich war die Misere um die giftigen Maisbeizmittel und das Bienensterben mit ein Grund für die Versuche mit Silphium. Zusätzlich verfügt sie über ein hohes Wasserhaltevermögen und wirkt mit ihren dichten Wurzelballen der Bodenerosion entgegen.

Im Rahmen des Forschungsprojekts werden seit etwas mehr als zwei Jahren Versuche zu Anbau und Verwertung von Silphium angestellt. Da sie neben ihren ökologischen Vorzügen auch einen hohen Ertrag an feuchter Biomasse liefert, sollte sie sich gut für die Erzeugung von Biogas eignen.

Erste Versuche der Wiener Universität für Bodenkultur, bei denen Silphium vergärt wurde, brachten gute Ergebnisse - vorausgesetzt, der Erntezeitpunkt stimmt: Im Juli geerntete Silphien hatten eine Methanausbeute, die fast an die von Mais herankam, wogegen die Pflanzen später im Jahr zu stark verholzt waren, um solche Größenordnungen zu erreichen. Derzeit testen die Boku-Wissenschafter Möglichkeiten, die in Silphium enthaltene, schwer abbaubare Lignocellulose für die Gärbakterien leichter verfügbar zu machen und damit die Ausbeute zu erhöhen.

Hoher Ertrag bei wenig Pflege

Neben den riesigen Silphien ducken sich in Grabenegg üppig-grüne Büsche mit handtellergroßen, tief eingeschnittenen Blättern. Einige Pflanzen tragen Rispen mit kleinen, weißen Blüten. Wir haben es hier mit Sida hermaphrodita zu tun, einer ebenfalls in Nordamerika beheimateten Art aus der Familie der Malvengewächse. Sie blüht von Juli bis September und kann ebenfalls bis zu drei Meter hoch werden. Dass die Exemplare auf der Versuchsfläche erst hüfthoch sind, liegt daran, dass sie noch jung sind: Sie wurden erst im Juli ausgepflanzt.

Sida ist das Herzstück des ebenfalls vom Klima- und Energiefonds sowie von der Förderagentur FFG geförderten Projekts Sideca - kurz für "Sida: Intelligent Densified Energy Carriers for Austria". Dabei geht es darum, Sida als alternativen Brennstoff zu nutzen. Wie Ages-Projektleiter Markus Gansberger ausführt, zeichnet auch sie sich, wenn sie einmal etabliert ist, durch eine langjährige Nutzungsdauer, hohen Ertrag und geringen Pflegebedarf aus. Im Jänner/Februar, wenn sie die Nährstoffe in die Wurzeln verlagert hat, werden die abgestorbenen oberirdischen Pflanzenteile geerntet und gehäckselt.

Das Ergebnis wird den Besuchern in einem Müllsack präsentiert: Sie dürfen in ein luftiges Gemisch aus trockenen, strohartigen Pflanzenteilen greifen. In dieser Form kann die Pflanze zwar verheizt werden, braucht aber enormen Lagerplatz und ist auch nicht für alle Anlagen geeignet. Deshalb laufen derzeit Versuche, sie in Pellets-Form zu bringen. Auch der Aschegehalt gibt Anlass zur Hoffnung: Mit 2,4 Prozent liegt er deutlich unter dem von Stroh (8,7 Prozent), wenn auch nicht so niedrig wie bei Fichtenholz, das nur ein Prozent Asche enthält.

Ein Problem, dem sich beide Projekte widmen, ist, die Pflanzen aufs Feld zu bringen: Bei Versuchen der Ages und der Boku, bei denen Aussaat und Anpflanzung verglichen wurden, gingen nur 42 Prozent der unbehandelten Samen auf. Bessere Ergebnisse - bis zu 75 Prozent - erzielte man mit Saatgut, das mit verschiedenen Temperatur-, Feuchtigkeits- oder Helligkeitsvarianten vorbehandelt worden war. Am besten funktioniert die Anpflanzung mit zwei bis drei Monate alten Setzlingen: Ende Mai gepflanzt, ergaben sie bereits Ende Juli einen geschlossenen Bestand. Diese Variante ist jedoch teuer und zeitaufwändig. Daher wird daran gearbeitet, geeignetes Saatgut zu entwickeln.

Die österreichische Energiegewinnung zu revolutionieren, dürfte den beiden neuen Pflanzen nicht gelingen - aber sie könnten vor allem dort eine Alternative zum Mais darstellen, wo Anbauflächen unter Erosionsgefahr oder Grundwasserproblemen leiden oder wo besondere Rücksicht auf Bienen genommen werden soll. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 17.9.2014)