Das männliche Geschlechtsorgan im Modell: Penisse nachzuzüchten ist keine leichte Angelegenheit.

Foto: iStock

Die Transplantationsmedizin hat im letzten Jahrhundert unglaubliche Erfolge gefeiert. Die Idee, verletzte Organe durch neue zu ersetzen, hat sich in vielen Teilbereichen durchgesetzt. Auch in der Urologie. Bereits vor acht Jahren konnten Forscher am Wake Forest Institute of Regenerative Medicine in North Carolina einen großen Erfolg feiern. Dort hatte Anthony Atala und seine Kollegen einen Hasen-Penis aus Zellen gezüchtet. Insgesamt wurde der künstlich erzeugte Penis zwölf Rammlern implantiert. Mit Erfolg.

Alle 12 versuchten sich zu paaren, bei acht funktionierte die Ejakulation, bei vieren auch die Befruchtung. Das machte Hoffnung, dass es schon bald möglich sein würde, solche Penisse auch für Menschen zu züchten. Bedarf gäbe es: Missbildung, Unfälle, Krebs oder andere Erkrankungen können das männliche Geschlechtsorgan massiv schädigen.

Penis mit Blasbalg

Die Behandlungsmöglichkeiten waren bisher begrenzt. Derzeit werden Penisse aus Haut und Muskelgewebe von Oberschenkel oder Unterarm konstruiert, die Funktionalität wird durch einen manuell zu bedienenden Aufblasbalg erzeugt.

Diese Technologie ist seit den 1970er-Jahren im Einsatz – und funktioniert nicht besonders gut. Eine andere Methode ist jene der Penistransplantation durch ein Spenderorgan. Abgesehen von immunologischen Abstoßreaktionen, die mit Medikamenten ganz gut beherrscht werden können, ist die Patientenzufriedenheit aber ebenfalls sehr gering.

Warum, fragte die britische Zeitung "Guardian" unlängst, dauert es vom funktionierenden Hasenpenis bis zum menschlichen Penis so lange. Die Antwort: Der Penis ist ein hochkomplexes Organ. Die Zelldichte ist enorm und strukturell überaus komplex. Vor allem das schwammähnliche Gewebe im Inneren stellt die Forscher vor große Herausforderungen. Während einer Erektion sind es die Signale aus den Nervenzellen, die die Blutgefäße weiten und das schwammähnliche Gewebe auffüllen. Das wiederum muss zu einer Verlängerung und Versteifung führen.

Ejakulation als Ganzkörperleistung

Die komplexe Architektur und Funktionalität künstlich nachzuahmen, ist überaus schwierig. "Wir haben es bei kleinen Säugetieren schon geschafft, aber größere Strukturen stellen uns seit dem gelungenen Versuch mit dem Hasen weiter vor große Herausforderungen was Zellanzahl und Prozesse betrifft," sagt Atala.

Bisher hat er sechs Penisse mit den Methoden des Bioengineerings herstellen können, sie werden in seinem Labor auf ihre Effektivität und Funktionstüchtigkeit hin geprüft. Das machen die Wissenschafter, um die Zulassung einer solchen Prothese bei der US-Zulassungsbehörde FDA zu erwirken. Wann die künstlichen Penisse am Menschen ausprobiert werden, will Atala nicht sagen – nur "irgendwann in den nächsten fünf Jahren".

Wahrscheinlich werden aber zuerst einmal nicht ganze Penisse ersetzt werden, sondern nur teilgeschädigte. Die Idee: aus den eigenen Zellen eines Patienten verloren gegangenes Gewebe nachzuzüchten. Ob und wie das funktionieren kann, daran werden Atala und sein Team in North Carolina weiterarbeiten – mit Hochdruck. (Karin Pollack, derStandard.at, 6.10.2014)