Die Wahl künftiger Mitbewohner will wohlüberlegt sein. Markus (rechts) und Yannick (links) haben Hannah bei einem Casting überzeugt.

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Seit zwei Monaten leben Hannah, Markus und Yannick unter einem Dach. Im Sommer machte sich Hannah auf die Suche nach Mitbewohnern für eine Wohnung im 17. Bezirk. Auf ihr Inserat hin haben sich innerhalb weniger Tage mehr als hundert Interessenten gemeldet. 20 wurden zu einem Casting geladen. Die Entscheidung fiel "nach Bauchgefühl", berichtet die Studentin, die im gemeinsamen Wohnzimmer Platz genommen hat. Als Wohnzimmertisch fungieren Paletten, die ihre Mitbewohner organisiert haben.

Die zukünftigen Mitbewohner genau unter die Lupe zu nehmen, das empfiehlt auch Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband: Aus seinem beruflichen Alltag kennt er viele Konflikte, die sich in den vermeintlich unkomplizierten Wohngemeinschaften aufstauen. Das reicht von Besuchern über Streitigkeiten, was Energiekosten und Reinigung betrifft, und geht bis hin zum Zahlungsausfall einzelner Mieter.

Mietvertrag: Unterschiedliche Konstruktionen

"Das Konfliktpotenzial in einer Wohngemeinschaft ist relativ groß", sagt er. Denn im Mietrechtsgesetz sei vieles nur "völlig unzureichend" geregelt, Streitigkeiten seien deshalb nur schwer lösbar. Der Mietrechtsexperte empfiehlt daher, "alles, was nur irgendwie wichtig sein kann", schriftlich festzuhalten – und das am besten gleich am Anfang. Nicht nur die obengenannten Konfliktfelder, auch die Frage, ob das leere Zimmer in den Sommermonaten vermietet werden darf und wer welche Räume benützen darf, soll darin geklärt werden. Diese "Hausordnung" diene dazu, dass Konsens darüber besteht, was erlaubt ist – und was nicht.

Auch der Mietvertrag will gut überlegt sein. Es gibt zwei unterschiedliche Konstruktionen. Meist wird die Form aber vom Vermieter vorgegeben: Entweder dieser schließt mit allen Bewohnern Hauptmietverträge ab oder nur mit einem, wobei die weiteren Bewohner dann als Untermieter zu betrachten sind. Welche der beiden Varianten die bessere ist, sei schwer zu sagen, meint Kirnbauer.

Vor Gericht chancenlos

Zu Variante 1): Stehen alle Bewohner als Hauptmieter im Mietvertrag, dann sind sie rechtlich nur gemeinsam handlungsfähig. Und das birgt Tücken, so der Mietrechtsexperte. Es reiche nämlich bei einem Auszug nicht, die Kündigung gegenüber dem Hauseigentümer zu erklären: "Man kann sich nicht einfach aus dem Mietverhältnis heraussprengen." Alle Beteiligten – also die übrigen Hauptmieter und der Vermieter – müssten dem Ausscheiden auch zustimmen. Oft habe Letzterer aber gar kein Interesse daran, den Hauptmieter mit Auszugsambitionen zu entlassen. Dieser zieht dann aber trotzdem aus – was rechtliche Kosequenzen haben kann: "Wir hatten schon Fälle, in denen jemand zehn Jahre nach Auszug auf tausende Euro Mietzins geklagt wurde, obwohl er sich nicht einmal mehr an die Wohnung erinnern konnte", berichtet Kirnbauer. Formal war der Betroffene nämlich noch immer Hauptmieter der Wohnung – und daher vor Gericht chancenlos, als der Vermieter ihn auf entgangenen Mietzins klagte. Auch im Fall einer WG-Auflösung sind Unterschriften aller Hauptmieter nötig. Kirnbauer empfiehlt, dass jener Hauptmieter, der auszieht, den anderen Hauptmietern eine Vollmacht ausstellt, diese ihm aber wiederum bestätigen, dass sie ihn bei allfälligen Verfahren "schad- und klaglos halten".

Auch die andere Variante – ein Hauptmieter, mehrere Untermieter – kann problematisch sein, so Kirnbauer. Der Hauptmieter komme da oft "in eine Sandwichposition". Denn gegenüber den Untermietern ist der Hauptmieter in der Rolle eines Vermieters, während er gegenüber dem eigentlichen Vermieter für Fehler, die die Mitbewohner machen, geradestehen muss. "Ich kann mich an Fälle erinnern, in denen die Hauptmieter, die ja in der rechtlich stärkeren Position sind, mit ihren Untermietern nicht mehr zurande gekommen sind", so Kirnbauer. Denn dass Untermieter Zahlungsschwierigkeiten bekommen, komme relativ häufig vor.

Kaution ein "furchtbares Thema"

Und noch ein weiteres Konfliktpotenzial gibt es: die Kaution. "Das ist ein ganz furchtbares Thema", sagt Kirnbauer. Der Hauptmieter muss beim Vermieter die Kaution hinterlegen und sammelt meist Anteile davon bei seinen Mitbewohnern ein. Zieht jemand dann früher aus, so will dieser die volle Kaution zurück – und bekommt sie auch oft vom Hauptmieter. Ob dieser dann aber Jahre später die volle Kaution auch tatsächlich vom Vermieter zurückbekommt, "das ist ein großes Fragezeichen".

Auch die kompliziertesten Konflikte landen nur selten vor Gericht, erzählt Kirnbauer. Das zahle sich nicht aus: Der Gerichtsweg dauere nämlich mehrere Monate, und die meisten, die in WGs wohnen, würden unter prekären Verhältnissen leben. Am Ende siege meist die Vernunft.

"Als Jurist müsste man eigentlich jedem sagen: Finger weg von einer WG", sagt Kirnbauer angesichts der möglichen Konfliktfelder. Andererseits sei eine WG eben die günstigste Form des Wohnens, und viele Wohnungen seien anders nicht leistbar. "Es gibt viele WGs, in denen alles reibungslos klappt", betont Kirnbauer – jene von Hannah, Markus und Yannick im 17. Bezirk zum Beispiel: Die drei haben sich nicht nur aus finanziellen Gründen für eine WG entschieden, sondern auch weil sie gerne mit anderen Menschen zusammenleben. "Ich wollte Österreicher kennenlernen", sagt Markus, ein Engländer. Zudem ist eine WG unkompliziert: In einem Jahr will Markus weiterziehen. Dann werden sich Hannah und Yannick auf die Suche nach einem neuen Mitbewohner und, vielleicht, einem neuen Wohnzimmertisch machen. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 8.11.2014)