Das riesige Adams-Mammut dominiert die Sonderausstellung im Naturhistorischen Museum Wien.

Foto: NHM Wien, Kurt Kracher

Mammutbaby Dima wurde 1977 entdeckt und ist das bis dato einzige entdeckte männliche Kalb. Flankiert wird Dima von den Präparaten seines Herzens und seines Penis.

Foto: NHM Wien, Kurt Kracher

Der Stammbaum der Rüsseltiere. Die Mammuts spalteten sich vor rund fünf Millionen Jahren von den heutigen Elefanten ab. Die Wollhaarmammuts waren die letzte von insgesamt zehn Mammutarten.

Im Vordergrund liegt ein Haufen Elefantendung aus dem Zoo von Schönbrunn. Er steht symbolisch für die große Menge an pflanzlicher Nahrung, die Elefanten (und früher auch Mammuts) benötigen. Das Bild des Mammuts als Bewohner des ewigen Eises ist daher falsch: Die Mammutsteppe war reich an krautigen Pflanzen und Gräsern.

Foto: NHM Wien, Kurt Kracher

Wir schreiben das Jahr 1799. Ludwig van Beethoven vollendet in Wien die Klaviersonate Pathétique. In Ägypten ist der Feldzug Napoleons in vollem Gange. Im Zuge dessen findet der Offizier Pierre Bouchard den Stein von Rosette. Und mitten in den Weiten der sibirischen Tundra gelingt dem Jäger Ossip Schumachov, einem Angehörigen des indigenen Volks der Ewenken, im Delta des Flusses Lena eine wissenschaftlich ebenso bedeutende Entdeckung: Er findet den Kadaver eines ausgewachsenen Mammuts.

Er verkauft die Stoßzähne an einen Händler, der selbst die Fundstelle besucht und Skizzen des riesigen, noch fast vollständigen Rüsseltieres macht.

Durch diese Zeichnungen wird 1806 der deutsch-russische Naturwissenschafter Michael Friedrich Adams auf die Entdeckung aufmerksam. Er erwirbt die Stoßzähne, rüstet eine Expedition aus und fährt von Jakutsk die Lena flussabwärts zum Fundort nahe dem Polarmeer.

Das Mammut ist mittlerweile zu großen Teilen von Aasfressern geplündert worden, Adams kann jedoch neben dem fast kompletten Skelett noch die Fußsohlen, Fellteile und die Kopfhaut inklusive eines kompletten Ohrs bergen. Der Fund wird in der Kunstkammer von Sankt Petersburg aufgestellt, bei der Montage dient das Skelett eines indischen Elefanten als Bauanleitung.

Der erste Fund und ...

Das Adams-Mammut ist nicht nur das erste entdeckte vollständige Exemplar, sondern gilt auch bis heute als eines der größten und schönsten Exemplare von Mammuthus primigenius, dem Wollhaarmammut. Im Naturhistorischen Museum Wien ist dieser paläontologische Schatz nun als eines der Highlights der Ausstellung Mammuts - Eismumien aus Sibirien zu bestaunen.

Für die Sonderschau konnte das NHM eine ganze Reihe hochklassiger Leihgaben des Zoologischen Museums der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg nach Wien bringen. Das erst 2009 entdeckte Mammutbaby Khroma (siehe Kopf des Tages) ist der einzige Fund dieser Art, der niemals aufgetaut und chemisch konserviert wurde. Das zum Teil noch dicht behaarte Mädchen wird in einer Kühlvitrine bei minus 17 °C tiefgefroren präsentiert.

Mit dem 1977 entdeckten männlichen Kalb Dima ist ein weiteres Original eines Mammutbabys Teil der Ausstellung. Im Gegensatz zu Khroma, in deren Magen Reste von Muttermilch gefunden wurden, die also kurz vor ihrem Tod noch gesäugt worden war, war der sechs bis zwölf Monate alte Dima stark unterernährt, er litt außerdem an einer Wunde am Bein und starkem Parasitenbefall. In seinem Magen befanden sich seine eigenen Haarbüschel, die er sich wohl aus Hunger ausgerupft und gegessen hatte.

Neben den zwei Originalen werden auch Kopien der Kälber Mascha und Lyuba gezeigt. Letztere starb mit gerade einmal dreißig Tagen und gilt als die am besten erhaltene Mammutmumie.

Von den lediglich acht weltweit überlieferten Mumien von Mammutbabys ist damit die Hälfte in Wien zu sehen.

Neben den kompletten Tieren bietet die Ausstellung zahlreiche weitere Attraktionen wie bis zu vier Meter lange Stoßzähne, eine perfekt erhaltene Rüsselspitze und die zum Teil mumifizierten Überreste verschiedener Zeitgenossen der Mammuts wie Wollhaarnashorn, Pferd, Steppenbison und Vielfraß.

Die Rüsseltiere lebten jedoch nicht nur in den Weiten Sibiriens, sondern auch direkt vor unserer Haustür: Neben den Funden aus dem als Folge des Klimawandels nicht mehr ewigen Eises zeigt das NHM auch Überreste von Mammuts aus der direkten Nachbarschaft. In Wien gibt es kaum eine Ecke, an der in der Vergangenheit nicht Knochen oder Zähne zum Vorschein gekommen sind. Unter anderem ist auch ein Oberschenkelknochen zu sehen, der 1443 bei Bauarbeiten am Stephansdom gefunden wurde und mit der Jahreszahl und "AEIOU", dem Wahlspruch Friedrichs III., beschriftet wurde.

... die letzten Überlebenden

Lange Zeit glaubte man, dass die Wollhaarmammuts mit dem Ende der Eiszeit vor spätestens 12.000 Jahren ausgestorben sind, doch Funde von der Wrangel-Insel im äußersten Nordosten Sibiriens belegen, dass einzelne Populationen bis vor 3700 Jahren überdauerten. Diese letzten Vertreter ihrer Art waren mit an die 1,8 Meter Schulterhöhe deutlich kleiner als ihre rund drei Meter messenden Vorfahren auf dem Festland. Dieses Phänomen ist als Inselverzwergung bekannt und ist auch bei anderen Arten der Gattung Mammuthus zu beobachten, so erreichte das Kretamammut gerade einmal ein bisschen mehr als einen Meter, während die größten Mammutarten vier Meter und mehr maßen.

Das Verschwinden ihres Lebensraumes bedeutete jedenfalls auch das Ende der pelzigen Riesen. Die Mammutsteppe erstreckte sich einst von Spanien über ganz Sibirien bis nach Nordamerika. Zwar bieten die Mumien von Khroma & Co der Wissenschaft die potenzielle Möglichkeit, die ausgestorbenen Tiere eines Tages mithilfe der Gentechnik wiederauferstehen zu lassen, doch dieses Thema ist immer noch mehr Fiktion als Realität. Davon abgesehen wären noch viele ethische wie auch praktische Probleme zu lösen, denn ohne passendes Habitat ist die Nachzüchtung der Eiszeitriesen sinnlos. (Michael Vosatka, DER STANDARD, 19.11.2014)