So sehen Telomere aus: Sie spielen bei der Zellteilung eine wichtige Rolle und werden mit den Lebensjahren immer kürzer.

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Der Streckenstrich ist ein wenig beachtetes Satzzeichen, mit einer Ausnahme - und das sind Todesanzeigen. Die Zahlen, die davor und danach stehen, sind die Eckpfeiler eines Lebens. Wie viele Jahre ein Organismus durchhält, ist bis zu einem gewissen Grad in der DNA verankert. Insbesondere an den Enden der Chromosomen, an denen, wie Schutzkappen, die sogenannten Telomere dafür sorgen, dass die Erbinformation geschützt bleibt.

Je länger die Telomere, umso länger die verbleibende Lebenszeit. "Bei jeder Zellteilung werden die Telomere kürzer, nach 40- bis 50-mal ist Schluss, und die Zelle stirbt", erklärt Biochemiker Franz Schwarzenberger, der an der Universität für Veterinärmedizin in Wien diesen Mechanismus bei Vögeln erforscht hat.

Zündschnur für Zellen

Das Prinzip, wonach Telomere eine Art Zellzündschnur darstellen, ist eine fundamentale Entdeckung, für die die US-Forscher Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak 2009 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Um ihre Erkenntnis anschaulich zu erklären, nutzen die Forscher das Bild von Schuhbändern, genauer gesagt von den mit Plastik umwickelten Enden, die das Ausfransen verhindern. Je weniger Plastik, umso mehr leiden die Schuhbänder. Mit der DNA sei das ähnlich. Wenn die Schutzfunktion schwächelt, schleichen sich Fehler ein, und das ist eine Erklärung, warum im Alter Krankheiten entstehen.

Eine fixe Größe sind Telomere allerdings nicht. "Stress und Belastungen führen dazu, dass Zellen sich schneller teilen und Telomere sich rascher verkürzen", sagt Schwarzenberger und verweist auf eine Reihe von Studien, die das beim Menschen eindeutig belegen. Unsichere Lebenssituationen, Geldmangel, existenzielle Bedrohungen: All das erzeugt Stress, der Zellen schädigt.

Du bist, was du isst

Wie eine eben publizierte Studie im British Medical Journal eindrücklich zeigt, hat aber auch die Ernährung großen Einfluss auf Telomere. Immaculata de Vivo, Epidemiologin an der Harvard Medical School, konnte in einer Untersuchung an 4676 gesunden Frauen mittleren Alters zeigen, dass mediterrane Kost (viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Olivenöl und Fisch - wenig Fleisch, gesättigte Fettsäuren, Milchprodukte und Alkohol) die Länge der Telomere beeinflusst. Je gesünder die Kost, umso stabiler blieben die Stoßdämpfer der Chromosomen.

Ausschlaggebend sind weniger einzelne Komponenten als das gesamte Ernährungsmuster, de Vivo ermittelte einen Lebensgewinn von bis zu 1,5 Jahren. "Unsere Resultate zeigen eindeutig, dass Ernährung und Langlebigkeit in einer Wechselwirkung stehen", sagt die Forscherin.

Auch Entspannung und Meditation verlängern das Leben. Das hat Linda Carlson von der Universität Calgary in einer Studie an Brustkrebspatientinnen herausgefunden. Jene Gruppe von Frauen, die regelmäßig meditierte und dadurch Stress abbauten, hatten im Vergleich zu den Frauen, die das nicht machten, längere Telomerketten. Carlson räumt allerdings ein, dass der zellschützende Effekt von Meditation noch genauer untersucht werden muss.

Gefährliches Manipulieren

Offen bleiben Fragen, wie der Organismus selbst die Telomere reguliert. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Enzym Telomerase, das dafür sorgt, dass sich die Telomere wieder verlängern. Doch Telomerase spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Krebserkrankungen. Die Idee, Telomere mittels der Gabe von Telomerase als Medikament zu unterstützen, wäre insofern also lebensgefährlich.

Für alle, die alt werden wollen, bedeutet das: Stress meiden, gesund essen und meditieren. Wer sich bei solchen Vorhaben online unterstützen lassen will, könnte das Webservice Feelgood probieren. Deren Fragebogen ist, so Gründer Marcus Berg, auf Basis von Studien entstanden. Ein Programm rechnet sogar das Alter aus. Wer Tipps und einen Stundenplan zur Verlängerung von Lebenszeit will, muss dafür allerdings zahlen. (Karin Pollack, DER STANDARD, 6.12.2014)