Verkehrstafeln wie hier an der Staatsbrücke weisen auf die Sperre des Neutors hin.

Foto: Thomas Neuhold

Salzburg – So etwas nennt man wohl die Kraft des Faktischen: Was seit Jahrzehnten immer wieder am Widerstand der Altstadtkaufmannschaft sowie von ÖVP und SPÖ scheiterte, ist seit Anfang Februar schlichte Tatsache: Die Durchfahrt durch die Salzburger Altstadt über die Bürgerspitalgasse und durch das Neutor ist seit Montag für Private nicht mehr möglich. Busse, Taxis, Einsatzfahrzeuge und Lieferanten können einspurig passieren. Dauer der Maßnahme: mindestens ein halbes Jahr, also bis zu den Festspielen.

Tunnel aus dem 18. Jahrhundert

Einschub für alle Nichtsalzburger zur Erklärung: Das Neutor – eigentlich heißt es ja Sigmundstor, nur hat sich der offizielle Name nie durchgesetzt – wurde im 18. Jahrhundert durch den Mönchsberg gehauen. Es verbindet die Altstadt (von der Pferdeschwemme und den Festspielhäusern weg) mit dem Stadtteil Riedenburg südwestlich des Mönchsbergs. Der immerhin rund 130 Meter lange Tunnel gehört zu den ältesten Straßentunnels weltweit. Durchschnittlich quälen sich Tag für Tag 14.000 Kfz durch den Tunnel und in der Folge durch die engen Altstadtgassen, vorbei beim Haus der Natur hinunter bis zur Salzach beziehungsweise in die Gegenrichtung.

Fernwärme und Datenleitung

Dass die Salzburger Altstadt für knapp sechs Monate verkehrsberuhigt wird, liegt freilich nicht an der Abkehr der städtischen Verkehrspolitik von der Ausrichtung an den Interessen des motorisierten Individualverkehrs, sondern schlicht an einer großen Baustelle: Der regionale Energieversorger Salzburg AG muss das Fernwärmenetz erneuern, auch eine neue Datenleitung wird eingezogen. Dazu kommt die Sanierung des völlig veralteten Kanalnetzes in der Getreidegasse. Kostenpunkt alles in allem: 3,2 Millionen Euro.

Die erzwungene Verkehrsberuhigung könne ein Testlauf für eine Dauerlösung sein; oder zumindest genug Zeit bringen, "um sich Gedanken über den Verkehr in Salzburg zu machen. Ohne Zeitdruck, ohne Hysterie, ohne Denkverbote", wie es Lokaljournalist Anton Prilic in den "Salzburger Nachrichten" formulierte. Der gelernte Salzburger weiß freilich, dass die Chancen dafür schlecht stehen. In den Köpfen von ÖVP und SPÖ regiert noch immer das Auto. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs in der Landeshauptstadt (Modal Split) hat sich – entgegen des Trends in vergleichbaren Städten – in den vergangenen Jahren sogar noch erhöht und liegt derzeit bei etwa 50 Prozent. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs sinkt beständig und liegt bei etwa zehn Prozent.

Schrankenlösung

Dass sich daran so schnell nichts ändern wird, wurde schon im Vorfeld der Baustelleneinrichtung klar. Verkehrsstadtrat Johann Padutsch (Bürgerliste/Grüne) war für eine Schrankenanlage eingetreten, die Salzburg AG hatte diese um 20.000 Euro auch gekauft. Der Schranken sollte mit den ohnehin schon vorhandenen Fernsteuerungen für die Altstadtpoller, die zumindest einen kleinen Teil der Innenstadt vor den Autos schützen sollen, bedient werden.

Der Plan scheiterte freilich an den Interventionen der Kaufmannschaft und an Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ). Inhaltliches Argument: Ein Schranken würde signalisieren, dass die Altstadt gesperrt sei. Dahinter steht freilich auch eine konkrete Angst: Hätte sich das System bewährt, wäre vielleicht aus dem Provisorium wäre eine Dauerlösung geworden.

Teurere Lösung

Jetzt wird die Zufahrt (Berechtigte erhalten ein Pickerl) von einem privaten Wachdienst überwacht. Das Ganze ist unverhältnismäßig teurer: Die Salzburg AG nennt zwar offiziell keine Zahlen für den Sicherheitsdienst, Insider berichten aber von bis zu 200.000 Euro. Das wäre dann das Zehnfache der Schrankenlösung. Aber wenigstens ist der Schranken nicht ganz vergeblich angeschafft worden: "Wir setzen die Anlage eben bei anderen Baustellen ein", heißt es vonseiten der Salzburg AG. (Thomas Neuhold, derStandard.at, 2.2.2015)