Sir Ken Adam bei der Arbeit und beim Rauchen.

Foto: Andreas-Michael Velten, Deutsche Kinemathek

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Konnte nicht nur schnell fahren, sondern auch tauchen und eine Menge anderer Stückln spielen, der Lotus Esprit, ein weiteres Spielzeug, das Ken Adam für den James-Bond-Streifen "Der Spion, der mich liebte" (1977) entwarf.

Foto: Reuters

Sein Job klingt wie der größte aller Bubenträume. Ken Adam machte ihn wahr. Der 1921 als Klaus Hugo Adam in Berlin geborene Gestalter baute Raketen genauso wie Vulkane, ließ teure Autos und Luxusvillen in die Tiefe tauchen und so manch anderes in die Luft fliegen. Wie kein anderer machte der Production-Designer klar, wie wichtig die Ausstattung für einen Film sein kann. Adam, der 1934 nach England emigrierte und Kampfpilot in der Royal Air Force war, arbeitete mit Regisseuren wie Stanley Kubrick, Robert Aldrich oder István Szabó. In erster Linie ist sein Name mit dem Design von sieben James-Bond-Filmen verknüpft.

Der zweifache Oscarpreisträger steht für eine ganz eigene Raumvorstellung, die mehr mit Spielerei, Fantasie und guter Spinnerei zu tun hat als mit architektonischen Gesetzen. Seine Entwürfe für mehr als 90 Filmprojekte gaben den Geschichten einen Raum, der diese erst wirklich funktionieren ließ, egal ob es sich dabei um ein Schurkenversteck oder einen U-Boot-schluckenden Riesentanker handelte. Die ungeheure Vielzahl von Werken, ein Archiv von unter anderem 50.000 Objekten und 4.7000 Grafiken hat Adam vor zwei Jahren der Deutschen Kinemathek übergeben, welche den 93-Jährigen zurzeit mit einer großen Ausstellung ehrt.

STANDARD: Sie haben mit der Ausstattung der früheren James-Bond-Filme für weltweites Aufsehen gesorgt, man denke nur an die luxuriöse Unterwasserbleibe Atlantis aus "Der Spion, der mich liebte", in der Bösewicht Curd Jürgens hauste. Warum wurde die Agentenreihe derart erfolgreich?

Ken Adam: Die Bond-Filme waren einzigartig, weil man sie einfach nicht ernst nehmen konnte. Sie waren eine ganz andere Disziplin als Filme, bei denen das Drehbuch die Bedeutung einer Bibel hat. Bei den Bond-Drehbüchern haben wir einfach wild darauflos erfunden. Ich hatte großes Glück, meine Ideen durchsetzen zu können. Es hat mir keiner dreingeredet. Dadurch entstand dieses recht spezielle Design, mit dem ich die Gegenwart mit einem Ausblick in die Zukunft verbinden konnte. Das hat Riesenspaß gemacht.

STANDARD: Und die Produzenten haben sich die Hände gerieben.

Adam: Als der erste Bond-Film zum Erfolg wurde, haben sie erkannt, auf was für eine Goldgrube sie gestoßen waren. Glücklicherweise war für sie das Design sehr wichtig. Und so konnte ich weitermachen.

Ein Szenenfoto aus dem James-Bond-Streifen "Moonraker" (1979).
Foto: LLC and United Artists

STANDARD: Es heißt, die Arbeiter in den Londoner Pinewood Studios waren auf manche Bond-Sets derart stolz, dass sie ihre Familien aufs Gelände eingeladen haben. Stimmt das?

Adam: Ja, vor allem an den Wochenenden sind Besucher gekommen. Als wir für Goldfinger das Set von Fort Knox gebaut haben, waren anfangs alle kritisch. Die Kulisse war eine Riesenkonstruktion, die wir im Freien errichtet hatten und die auch nicht ganz ungefährlich war. Da wurde viel geschimpft. Und dann hab ich mich gewundert, dass die Kinder und Enkelkinder eingeladen wurden, um sich die Kulissen anzusehen. Das hat den Stolz der ganzen Mannschaft gezeigt. Das war sehr wichtig, da auch bei schlechtem Wetter und Frost gearbeitet wurde. Der Enthusiasmus war unterm Strich einzigartig. Das hat auch mir viel Mut gemacht.

STANDARD: Noch realistischer als Fort Knox wirkte 1964 Ihr berühmter "war room" aus Stanley Kubricks Dr. Strangelove. Er machte auf die Zuschauer einen derart echten Eindruck, dass US-Präsident Reagan später verlangt haben soll, in diesen Raum geführt zu werden. Ihr wichtigstes Set also?

Adam: Der "war room" spielte in diesem Film eine derart dramatische Rolle, dass er sogar bei der Arbeit am Drehbuch geholfen hat. Auch Kubrick und den Schauspielern hat dieser Entwurf die Arbeit leichter gemacht. Deswegen glaube ich, dass er mein bestes Set war.

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Sein legendärer Entwurf für den "war room" in Stanley Kubricks Film "Dr. Strangelove" (1964).
Foto: Ken-Adam-Archiv

STANDARD: Erzählen Sie doch die Geschichte vom B52-Bomber im Film "Dr. Strangelove".

Adam: Ich hab die ganzen Pläne für den Flieger in technischen Magazinen gesucht und gefunden. Mit dem Entwurf war ich so nah an der Wirklichkeit, dass wir eines Tages Besuch von der U. S. Air Force bekamen. Die wurden kreidebleich wegen der Geschichte, denn das war ja schließlich eine Geheimsache. Am nächsten Tag erhielt ich ein Memo von Kubrick. Darin stand, er hoffe, dass ich wüsste, woher ich all diese Informationen habe. Ansonsten würden wir künftig von der CIA überwacht werden. Das war absolut ernst gemeint.

STANDARD: In der Deutschen Kinemathek in Berlin, also Ihrer Geburtsstadt, ist derzeit die Ausstellung "Bigger than Life" über Ihr Lebenswerk zu sehen. In einem Raum ist ein Film zu sehen, der Sie zu Hause beim Zeichnen zeigt. Sind Ihre Sets in Heimarbeit entstanden?

Adam: Das war sehr unterschiedlich. Ich bin natürlich jeden Tag ins Studio gegangen, aber der Tag war immer zu kurz. Also habe ich zu Hause weitergezeichnet. Doch nicht alles ist an meinem Schreibtisch passiert. Viele Ideen habe ich einfach schnell auf einen Zettel gekritzelt, beim Telefonieren mit einem Bekannten oder bei sonst irgendwas. Es gab keine festen Regeln.

STANDARD: Die Art, wie Kulissen im Film zur Geltung kommen, hat auch viel mit der Kameraführung zu tun. Haben Sie probiert, diesbezüglich mitzureden?

Adam: Ich habe versucht, nicht allzu streng zu sein und eher auf freundliche Art und Weise Einfluss zu nehmen. Mit Stanley Kubrick hatte ich oft Schwierigkeiten: Er sagte: "Ken, ich weiß, dass du die Kamera gerne dort hättest. Aber ich habe eine bessere Idee!" Klar hatte er manchmal wirklich eine bessere Idee.

STANDARD: Wie würden Sie die Bedeutung von Kulissen im Verhältnis zu jener der Schauspieler einschätzen. Sind sie vielleicht genauso wichtig?

Adam: Ich würde sagen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Die besten Schauspieler benutzen die Kulissen für ihre Charaktere. Sie entwickeln auch ein Gespür dafür, wo sie besonders gut wirken. Marlon Brando, mit dem ich 1990 den Film Freshman gemacht habe, war unglaublich interessiert an seinen Sets. Er brachte Einfälle ein, was für mich sehr schmeichelnd war. Auf diese Art sind manchmal ganz fabelhafte Ideen entstanden.

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Entwurf "Chitty Chitty Bang Bang" für den Film "Chitty Chitty Bang Bang"
Ken Hughes, GB/USA 1968
Foto: © Sir Ken Adam Quelle: Deutsche Kinemathek – Ken Adam Archiv

STANDARD: Zurück zu Berlin. Welche Beziehung haben Sie zu Ihrer Geburtsstadt heute? Ihre Familie ist 1934 vor den Nationalsozialisten nach England geflohen.

Adam: Die Zeit um 1933 habe ich als Kind erlebt. Das war natürlich schrecklich. Doch die Zustände machten auf uns Kinder nicht denselben Eindruck wie auf meine Eltern, Tanten und Großeltern. Ich war seit den 1950er-Jahren immer wieder dort und hab auch viele Filme in Berlin gedreht. Als ich 1958 an Ten Seconds to Hell mit Jack Palance in Berlin arbeitete, lud ich meine Mutter ein mitzukommen. Ich habe ihr gesagt, dass es am Kurfürstendamm noch das Café Kranzler und einige der Modehäuser von damals gibt. Sie ist tatsächlich gekommen. Doch schon nach drei, vier Tagen wollte sie zurück nach London. Sie konnte über die Hitlerzeit nicht hinwegkommen. Ich habe in Berlin eine Menge gute Freunde gefunden, fast mehr noch als in London. Die Atmosphäre ist bis heute unglaublich. Doch, ich liebe Berlin.

STANDARD: In Berlin wurde auch der Grundstein für Ihre Arbeit gelegt. Da waren Sie noch kein Teenager.

Adam: Ich hatte einen älteren Bruder, und wir gingen beide auf das französische Gymnasium. Er war mit Gottfried Reinhardt, dem Sohn von Max Reinhardt befreundet. Die beiden sind öfters ausgegangen und haben mich manchmal mitgenommen. Das hat mich sehr beeindruckt, obwohl ich erst zwölf Jahre alt war. Auf diese Weise lernte ich Max Reinhardt und viele andere Leute am deutschen Theater kennen. Es war eine unglaubliche Renaissance in Berlin in jenen Jahren, ob am Theater, in der Kunst, im Film, in der Literatur oder am Bauhaus. Vor allem ein Film hat mich besonders beeinflusst: Das Kabinett des Dr. Caligari. Der Film war eine Zusammenarbeit von vielen expressionistischen Künstlern, was mir schon damals sehr gefallen hat. Auch später, als ich anfing zu arbeiten, war ich mir nie ganz sicher, ob ich für den Film oder nicht doch lieber für das Theater entwerfen möchte. Das Kabinett des Dr.Caligari hat mir die Möglichkeit gegeben, zwischen beiden Disziplinen einen Kompromiss zu finden.

STANDARD: Ihre Familie besaß vor dem Krieg ein bekanntes Kaufhaus an der Leipziger Straße, Ecke Friedrichstraße in Berlin, für das Mies van der Rohe einen Neubau geplant hat. Würden Sie sagen, dass Ihnen die Moderne der Bond-Sets quasi in die Wiege gelegt wurde?

Adam: Ich habe die Entwürfe als Kind gesehen. Doch richtig beschäftigt habe ich mich mit ihnen erst später in London. Mein Vater ist sehr früh gestorben. Da habe ich viel herumgekramt in seinen Sachen. Erst da habe ich herausgefunden, dass die hochmodernen Pläne von Mies van der Rohe waren. Das hat mein Interesse sofort geweckt und mich bestimmt auch bei meinen späteren Sets beeinflusst. (Norman Kietzmann, Rondo, DER STANDARD, 13.2.2015)