Grippemittel, um schnell wieder fit zu sein, sind ein Trugschluss, im Bett bleiben ist sicher besser.

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Wien - Es ist Grippezeit. 159,3 Millionen Euro gaben Österreicher im Jahre 2014 für rezeptfreie Erkältungsmittel aus, wie eine Studie des Marktforschungsinstituts IMS Health zeigt. Am meisten gekauft wurden Aspirin C (Acetylsalicylsäure, ASS), Bronchostop (Thymian, Eibisch) und Tantum verde (Benzydaminhydrochlorid). "Die Kunden erwarten schnelle Heilung", sagt Andrea Vlasek, Präsidentin der Wiener Apothekerkammer, "leider fürchten auch etliche um ihren Arbeitsplatz und gehen lieber gedopt zur Arbeit."

Markus Zeitlinger, Pharmakologe an der Med-Uni Wien, dämpft übertriebene Erwartungen: "Alle Präparate beeinflussen die Krankheitsdauer nicht oder nur unwesentlich, sondern lindern nur die Beschwerden." Man solle Nutzen gegen Risiko abwägen. "Rezeptfrei heißt nicht, dass die Mittel ungefährlich sind. Manche können mehr schaden als nützen."

Bei einer Erkältung entzünden sich die oberen Atemwege, also Hals, Nase, Kehlkopf, Bronchien oder alles zusammen. "Viele glauben, man erkältet sich, weil man im Schneeregen nasse Füße bekam oder beim Warten auf den Bus total durchgefroren ist", sagt Uwe Popert von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin. "Ausgelöst wird eine Erkältung aber in den meisten Fällen durch Viren."

Fit in drei bis sieben Tagen

Meist bessern sich die Beschwerden innerhalb von drei bis sieben Tagen von selbst, und nach zwei Wochen sollte man wieder fit sein. "Fühlt man sich aber dann noch schwer krank, hat hohes Fieber oder bekommt starke Ohren- oder Halsschmerzen, geht man besser zum Arzt", rät sein Kollege Reinhold Glehr, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin.

"Dann könnten sich zusätzlich Bakterien angesiedelt haben, und die müssen mit Antibiotika behandelt werden." Bei einer normalen Erkältung braucht man diese aber nicht. Denn Antibiotika richten sich gegen Stoffe oder Mechanismen in oder auf Bakterien, die in Viren nicht vorkommen.

Unzureichende Studien

Leider sind die meisten Studien zu Erkältungsmitteln klein und schlecht aufgebaut. Nichtsteroidale Antiphlogistika wie ASS oder Ibuprofen linderten Kopf- und Gliederschmerzen sowie das allgemeine Krankheitsgefühl, gegen Husten oder Schnupfen halfen sie aber nicht. Die Medikamente unterbrechen die durch Viren verursachten Entzündungssignalwege, das erklärt die Schmerzlinderung. Bei Schnupfen oder verstopfter Nase halfen Nasentropfen mit Ephedrin, Pseudoephedrin oder Xylometazolin.

Diese Substanzen stellen die Blutgefäße in der Nasenschleimhaut enger, sie werden weniger durchblutet, wodurch die Schleimhäute abschwellen. Vitamin C kann man sich dagegen sparen: In den Studien gab es keinen überzeugenden Beleg, dass es die Beschwerden lindert, die Krankheitsdauer verkürzt es nur um etwa einen Tag.

Rund einen Tag rascher verschwanden die Symptome auch mit täglichen Zink-Lutschbonbons. Doch die Studienteilnehmer mussten sich das mit Nebenwirkungen wie Übelkeit oder einem schlechten Geschmack im Mund erkaufen, Erkältungssymptome lindern Bonbons nicht.

Besser keine Kombi-Präparate

Mit Kombi-Präparaten, also Mischungen aus Schmerzmitteln, Antihistaminika oder abschwellenden Substanzen wie Wick Daymed, Wick Medinait, Aspirin Complex oder Grippostad C, ging es den Probanden im Schnitt zwar besser als mit Placebo, dafür litten aber viele unter Nebenwirkungen wie Schwindel, Magen-Darm-Problemen oder Schlaflosigkeit.

"Von Kombi-Präparaten würde ich die Finger lassen", sagt Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Apotheker in Berlin und Herausgeber des pharmakritischen Arznei-Telegramms. "Viel besser ist es, die lästigen Symptome durch die Einzelsubstanzen gezielt zu behandeln - außerdem spart man damit noch Geld."

Auch Markus Zeitlinger warnt: "Zwar mag es verlockend sein, mit einer Tablette oder einem Brausepulver Hals, Nase und Kopf auf einmal zu kurieren. Wie effektiv die einzelnen Substanzen darin aber wirklich sind, ist nicht klar. Außerdem steigt das Risiko für Unverträglichkeiten mit der Anzahl der eingesetzten Wirkstoffe."

Erholung am Wichtigsten

Doch auch die Einzelsubstanzen sind nicht harmlos. Antiphlogistika können Magen-Darm-Probleme verursachen, Nasentropfen zum Abschwellen der Schleimhäute sollte man nicht über längere Zeit anwenden: Sie verlieren ihre Wirksamkeit und können die Nasenschleimhaut zerstören. Zu viele Hoffnungen darf man sich auch vom beliebten Echinaca nicht machen. "Es wirkte in den Studien kaum oder gar nicht - ich rate davon ab", sagt Zeitlinger.

Ein wirklich wirksames Erkältungsmedikament gebe es nicht. "Viel besser, als sich mit Medikamenten vollzupumpen, ist, zu Hause zu bleiben und sich zu erholen", sagt Becker-Brüser. "Dann freuen sich die Kollegen, weil sie nicht angesteckt werden." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 21./22.2.2015)