Die geisterhafte "Kokosblume" ist in Wahrheit ein Pilz.

Foto: Michele P. Verderane/IP-USP-2008

São Paulo/Washington - "Flor de coco" nennt man in Südamerika geisterhaftes grünes Leuchten, das sich nachts am Fuß von Kokospalmen zeigt. Dahinter steckt der entfernt mit dem Champignon verwandte Pilz Neonothopanus gardneri, der mit seiner Biolumineszenz Insekten anlockt, berichten Wissenschafter aus Brasilien und den USA im Fachblatt "Current Biology".

Von den insgesamt etwa 100.000 bis heute beschriebenen Pilzen leuchten gerade mal 71 Arten, schreiben die Forscher. Neonothopanus gardneri gehört zu den größten und am hellsten leuchtenden Arten.

Ein Pilz, der mit seinem Output haushält

Bisher nahmen viele Fachleute an, dass Leuchtpilze rund um die Uhr ihr Licht produzieren, auch wenn es tagsüber nicht sichtbar ist, weil es vom Sonnenlicht überstrahlt wird. Wie die Studie zeigte, verwenden die Pilze aber nur dann Energie auf die Produktion von Licht, wenn es auch sichtbar ist.

Die Forscher um Anderson Oliveira von der Universität São Paulo stellten fest, dass der Pilz sein Licht rhythmisch aussendet, dass also die Leuchtintensität im Verlauf eines Tages zu- und wieder abnimmt. Um Licht zu erzeugen, müssen der Leuchtstoff Luciferin und das Enzym Luciferase unter Sauerstoffbeteiligung miteinander reagieren. Das Luciferin wird dabei zur Aussendung eines Lichtteilchens angeregt.

Ein Experiment

Die Tatsache, das der Pilz das Leuchten reguliere, spreche dafür, dass es eine Funktion besitze - und nicht bloß ein Abfallprodukt seines Stoffwechsels sei, vermuteten die Wissenschafter nach ihrer Untersuchung. Um herauszufinden, was diese Funktion sein könnte, machten sie ein weiteres Experiment: Sie bastelten Kunstpilze aus Acrylharz, die im Inneren ein kleines, grünlich leuchtendes LED-Lämpchen hatten.

Dann brachten sie diese Kunstpilze und als Kontrollgruppe auch solche ohne LED-Lampe an einem Baumstamm an und beobachteten, was geschah. Rund um die leuchtenden Kunstpilze versammelten sich nun unzählige Insekten, viel mehr als um die nicht-leuchtenden Kontrollpilze. Die Wissenschafter fanden Käfer, Mücken, Fliegen, Wespen, Ameisen und andere kleine Krabbler. Von allen beobachteten Insekten ist bekannt, dass sie grünes Licht sehen können.

Griff in die evolutionäre Trickkiste

"Es scheint so zu sein, dass die Pilze Licht machen, um von Insekten gesehen zu werden, die dann dem Pilz helfen, neue Gebiete zu besiedeln", erläutert Oliveiras Kollege Cassius Stevani. Die vom Licht angelockten Insekten nehmen an der klebrigen Oberfläche des Pilzes Sporen auf und verbreiten diese dann in weitem Umkreis, wenn sie weiterziehen.

Die Insekten übernehmen damit die Aufgabe des Windes, mit dem die Sporen einiger anderer Pilzarten verbreitet werden. Da es unter dem Dach des Waldes nur wenig Wind gebe, seien die Insekten für die Verbreitung der Pilze sehr hilfreich, so die Forscher. (red/APA, derStandard.at, 19.3. 2015)