Egon Fabian: Humor und seine Bedeutung für die Psychotherapie, Psychosozial-Verlag 2015, 131 Seiten, 17,40 Euro

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"Der Säugling lächelt, lange bevor er auf irgendeine andere Weise dokumentiert, dass er der menschlichen Rasse angehört", schrieb der Psychoanalytiker Martin Grotjahn. "Für mich ist alles Ernste lustig und alles Lustige ernst. Humor ist meine Waffe gegen alles Unerträgliche im Leben", schrieb Karikaturist Jean-Jacques Sempé.

"Der Humor ist nur eine der Kontakt schaffenden Möglichkeiten, aber sicherlich die erstaunlichste und wunderbarste. Wir sollten nicht darauf verzichten", schreibt Egon Fabian, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in München. Sein Buch "Humor und seine Bedeutung für die Psychotherapie" ist soeben erschienen.

Leid relativieren

Humor relativiert Leid, Schwächen und schwere Schicksale – mit Bedacht und gezielt angewendet, kann er viel Heilsames bringen, auch und besonders psychisch Kranken, schreibt Fabian darin. Gemeinsames Lachen verbindet und schafft Vertrauen. Es hilft, Distanz zu sich selbst und den eigenen Problem zu gewinnen und es ermöglicht, Konflikte, unangenehme Erinnerungen und Ängste zu thematisieren, zu denen man sonst nicht vordringen kann.

"Die Ankunft eines Clowns übt einen günstigeren Einfluss auf die Gesundheit einer Stadt aus als 20 Esel beladen mit Medikamenten", wusste der englische Arzt Thomas Sydenham schon im 17. Jahrhundert. Für Erich Kästner war Humor das "ernsteste Thema der Welt", für Sigmund Freud "eine köstliche und seltene Begabung", der er ein ganzes Buch ("Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten", 1905) widmete. Auch Viktor Frankl war von seiner heilenden Kraft überzeugt.

Dass Humor tatsächlich einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat, zeigen längst auch Studien. Neben seiner entspannenden und befreienden Wirkung bietet er auch die Möglichkeit, tief sitzende Ängste zu thematisieren. So wie auch im Traum oder mittels Kunst lassen sich auch mit dem Witz gängige Angstmechanismen im Gehirn umgehen. Patienten könnten damit allmählich begreifen, dass die Angst nicht nur ein "notwendiges Übel des Lebens" ist, sondern auch ein "Motor des Lebens, der seine Begrenzung und die damit verknüpften Chancen erlebbar machen kann".

Humor bei Borderline

Obwohl das Buch verständlich geschrieben ist und durchaus eine breite Zielgruppe anspricht, richtet es sich doch vorrangig an Therapeuten. Diese müssen, laut Fabian, bei der praktischen Umsetzung allerdings Vorsicht walten lassen, weil nicht jeder gleichermaßen für Humor empfänglich ist. Humor ist für manche Patienten sogar kontraproduktiv: Schließlich seien nicht wenige psychiatrische Patienten in ihrer Kindheit kränkender Ironie oder einem gehässigen Sarkasmus ausgesetzt gewesen, "einer Art des psychischen Missbrauchs, die sie für eine solche Sprache sensibilisiert hat."

Das gilt insbesondere für Borderline-Patienten, denen Fabian ein eigenes Kapitel widmet. Gerade bei ihnen könne Humor aber auch äußerst heilsam sein, weil er ermöglicht, ihre "ohnmächtige" Wut ohne Angst vor Konsequenzen heraus zu lassen.

"Ihre Wut ist nicht zuletzt durch die Abhängigkeit vom Therapeuten begründet, eine Abhängigkeit, die sie aus der Kindheit kennen und die sie den unterschiedlichsten Traumatisierungen hilflos ausgeliefert hat." Dabei, aber auch beim Thematisieren von Schuldgefühlen und Perfektionismus, beide charakterisierend für Borderline, könne Humor helfen. Zudem lassen sich damit Konflikte relativieren, Distanz zu sich selbst und zum eigenen Fatalismus gewinnen – nicht nur für Borderline-Patienten essenziell.

Jüdischer Witz

Dass Humor in totalitären Gesellschaften (etwa in der Sowjetunion, DDR, im sozialistischen Ungarn oder in Rumänien) einen besonderen Stellenwert hatte, ist laut Fabian kein Zufall: "Witze halfen auch in den schwersten Stunden des Leides und der Verfolgung, um Angst und Bedrohung zu ertragen oder Wut auszudrücken".

Das gilt insbesondere auch für den jüdischen Humor, dessen Witz mit seiner subtilen positiven Selbstironie sich vom ansonsten weit verbreiteten negativen Sarkasmus deutlich unterscheidet. Dem jüdischen Humor widmet Fabian besonders viel Raum, schweift dabei aber leider etwas vom eigentlichen Thema, der therapeutischen Anwendung, ab.

Die verschiedenen Facetten, Formen und Intentionen des Humors nimmt Fabian genau unter die Lupe und illustriert sie mit vielen Beispielen. Spannend wären noch Fabians Erfahrungen gewesen, wie er Humor in seiner therapeutischen Arbeit einfließen lässt. So bleibt das Buch etwas theoretisch. (Florian Bayer, derStandard.at, 1.4.2015)