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Während die letzten Bastionen des Frontantriebs fallen, feiert der Hinterradantrieb fröhliche Urständ. Mercedes hat über seine A-Klasse schon längst den Schwenk vollbracht, auch BMW mit Mini schon ein Jahrzehnt lang geübt, jetzt vollzieht BMW auch im Markenkern den Wandel hin zum Vorderradantrieb - ohne das an die große Glocke zu hängen. Die Entscheidung soll wohl keine ideologischen Brände mehr entfachen. Tatsächlich erleichtert der Frontantrieb das Autofahrerleben einigermaßen: bietet gute Traktion im Winter und sicheres Fahrverhalten alleweil.

Den Nachteil von Antriebseinflüssen in der Lenkung hat man über die Jahrzehnte zu bändigen gelernt. Immer ausgeklügeltere Achsgeometrien und elektronische Antriebsschlupf- und Traktionssysteme haben die letzten Zweifel beseitigt: Bei allem, was ein normales Auto ist, erscheint Frontantrieb doch als die einfachere und vernünftigere Lösung. Motor und Antrieb vorn, keine Antriebswelle zur Hinterachse. Das ist eine schlüssige Anordnung.

Kaum hat sich diese Erkenntnis in den Köpfen breitgemacht, soll schon wieder das Gegenteil gelten: der Hinterradantrieb oder überhaupt der Heckmotor als die klügere Lösung. Irrwitz - oder muss man die Meldung trotzdem ernst nehmen, vor allem, wenn die Botschaft aus der Ecke eines derart zukunftsträchtigen Marktsegments schallt, nämlich vom Kleinwagen her, genauer vom Elektroauto?

Flexibilität Richtung Zukunft

Doch der Reihe nach. Die Kooperation von Renault und Daimler bei der Entwicklung des neuen Smart hat einen völlig neuen Zugang zum Thema gebracht. Man hat die Aufgabenstellung Kleinwagen noch einmal neu aufgerollt und ist zu folgendem Schluss gekommen: Will man möglichst flexibel in der Implementierung unterschiedlicher Antriebskonzepte sein, so ist es günstig, den Antrieb als kompaktes Paket, als im Wesentlichen geschlossene Einheit darzustellen, jederzeit austauschbar gegen ein anderes Modul.

Damit lässt sich eine hohe Flexibilität in Richtung Zukunft erreichen. Man kann weiterhin noch beliebig große Mengen mit Benzinmotor bauen, geht der Trend dann, zumindest bei Kleinwagen, verstärkt in Richtung Elektroauto, kann die Elektrovariante forciert werden. Man macht sich damit ziemlich unabhängig gegenüber Entwicklungen, die seitens des Autoherstellers nicht so beeinflussbar sind. Denn die Zukunft des Elektroautos ist nicht unwesentlich von politischen Weichenstellungen abhängig, etwa Begünstigung von Zero-Emission-Fahrzeugen in Ballungsräumen.

Wendekreiskünstler

So, nun zum Kern der Sache: Sitzt das ganze Paket an der Hinterachse, kann der Wandel wesentlich flexibler erfolgen. Die Zusammensetzung des ganzen Vorderwagens ist nämlich erheblich von Crash-Maßnahmen geprägt und bleibt am besten dafür reserviert. Denn diese Aufgabe ist bei Kleinwagen besonders schwierig zu erfüllen, weil aufgrund der Kürze des Fahrzeugs ja viel weniger Strecke zum Energieverzehr zur Verfügung steht. Das heißt, bei zwei unterschiedlichen Antriebskonzepten müsste man zwei strukturell markant unterschiedliche Vorderwagen bauen. Das kostet unnötig Geld.

Ein wichtiges Prinzip wirtschaftlicher Serienfertigung ist ja, symbolisch ausgedrückt, möglichst viele Modellvarianten über einen Kamm zu scheren. Im Falle von Smart und Renault Twingo hat man sich deshalb entschieden, den Antrieb hinten zu platzieren, und hat noch einen großen Vorteil obendrein: einen sensationell kleinen Wendekreis. Knapp sechs Meter der kurze Smart Fortwo, deutlich unter neun Meter Smart Fourfour und Renault Twingo. (Rudolf Skarics, DER STANDARD Rondomobil, 11.4.2015)