Wenn er mit seinem Podex wackelt, kreischt die Halle. Maurice Ernst, Sänger von Bilderbuch, ist zurzeit sehr, sehr nachgefragt.

Foto: Robert Newald

Wien - Peugeot ist vor der Arena keiner zu sehen. Zwar bewirbt der Autohersteller eine Kreation seiner Marke zurzeit mit einem Lied, das klingt, als wäre es dem Song Maschin von Bilderbuch aus den Rippen geschnitten, aber so schnell dürfte Werbung doch nicht überzeugen. Zumal Maschin keinen Mittelklassewagen, sondern einen Lamborghini anbrunftet. So eine giftgelbe Sitzbadewanne mit 400 PS für Männer mit Kompensationsdruck.

Dennoch spricht man über diese dreiste Herstellung von Ähnlichkeit, die in der Werbewirtschaft länger schon gang und gäbe ist. Nämlich Songs angesagter Bands von Bezahlknechten sehr ähnlich nachstellen zu lassen. So ähnlich, dass keine Urheberrechtskosten anfallen. Andererseits erinnert einiges an Maschin an den Titel The Seed (2.0) von The Roots, was die Empörung vielleicht ein wenig relativiert.

Am Mittwochabend ist das thematisch aber eine Marginalie. Da gilt es die heimische Band der Stunde in der Arena abzufeiern. Nach drei Wochen auf Deutschlandtournee beenden Bilderbuch zu Hause ihre Schick-Schock-Tour. Das Konzert ist seit Monaten ausverkauft, das im Juni wieder in der Arena stattfindende Open-Air-Konzert von Bilderbuch ist ebenfalls ausverkauft, die nächste Publikumsaudienz gewährt der Vierer als Headliner des Harvest of Art Festival im Juli, im burgenländischen Wiesen. Dort wird neben Bilderbuch Wanda auftreten, die andere heimische Band der Stunde.

Bilderbuch beginnen ihr Konzert mit Willkommen im Dschungel programmatisch, das Publikum empfängt die Kunde willig, und heiß soll es in den nächsten eineinhalb Stunden tatsächlich hergehen. Das Lied steht prototypisch für die Musik ihres Albums Schick Schock. Dieses überzeugt mit einer verwegenen Mischung aus Funk, Hip-Hop, Rock und Texten, die Sänger Maurice Ernst mit goscherter Lässigkeit wahlweise Englisch oder Deutsch kredenzt.

Live übersteigert der blondierte Frontmann die Lässigkeit gern ins Gockelhafte. Sein Hemd, um das ihn jeder Fußgängerzonenclown beneidet, unterstreicht seine Extravertiertheit ebenso wie die angetäuschten Breakdanceposen. Doch das Augenzwinkern, das der Koketterie verlässlich folgt, rückt das Ganze zurecht.

Immerhin hat man ja katholische Demut gelehrt bekommen, damals, in der Klosterschule in Kremsmünster, wo die Band 2005 noch in anderer Besetzung zusammengefunden hat. Doch wie so oft nach einer anständigen katholischen Erziehung herrscht später im Leben Verwirrung, wenn die profanen Versuchungen der Realität locken. Da wird die erwähnte Ode an ein geiles gelbes Blech mit Rädern ebenso als Liebeslied angekündigt wie jene an Barry Manilow, das Konzert zur Rock-'n'-Roll-Messe ausgerufen: halleluja!

Gitarrist Michael Krammer, Schlagzeuger Philipp Scheibl und Bassmann Peter Horazdovsky stellen diese Messe auf ein solides Fundament. Ihr Spiel weicht kaum von der Vorgabe des Albums ab, wozu auch? Schließlich fällt darauf wirklich alles wie perfekt. Der drückende Funkrock von Feinste Seide, zu dem Ernst lüstern falsettiert, der von Krammers geil jaulender Gitarre angeschobene Titelsong Schick Schock, das minimalistische Rosen zum Plafond oder, die vielleicht schärfste Nummer des neuen, dritten Albums, Gigolo.

Sparpotenzial

Verlängert wird das Programm mit älteren, rocklastigeren Stücken wie Calypso. Irgendwann gibt es einen zarten Hänger, dem Saal ist das egal. Der tanzt und schwitzt, singt und ruft der Band mehr als einmal ein bei Wanda entliehenes "Amore!" zu. Am Ende wirken alle mindestens zufrieden und sind sich sicher, in welcher Stadt sie sind. In Wien. Immer noch. Es stimmt also, was Ernst dem Saal an die 30-mal zugerufen hat: "Hey, Wien!"

Da gäbe es Sparpotenzial. (Karl Fluch, DER STANDARD, 3.4.2015)