Bild: Five Nights at Freddy's
Bild: Five Nights at Freddy's
Bild: Five Nights at Freddy's
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Es ist eine der ungewöhnlicheren Entstehungsgeschichten für ein Videospiel: Als sich der US-amerikanische Entwickler Scott Cawthon 2014 daran machte, seine Idee von einem Horrorgame umzusetzen, war er mehr als desillusioniert. Der gelernte Animateur und gläubige Christ hatte zuvor mehrere mäßig erfolgreiche Spiel mit christlichen Themen veröffentlicht, die jedoch allesamt finanzielle Fehlschläge gewesen waren.

In einem Interview mit der Webseite Geeks under Grace beschreibt Cawthon eine tiefe persönliche Krise: "Ich war desillusioniert und auch von Gott frustriert. Ich hatte das Gefühl, mit meinen religiösen Spielen mein Leben verschwendet zu haben, oder dass Gott selbst mir den Erfolg verwehrte. Am Tiefpunkt angelangt, bat ich Gott darum, mich für irgendetwas vorzusehen, mir irgendeine Aufgabe zu geben. Da fühlte ich mich wieder zu Spielen hingezogen - diesmal nicht mehr dezidiert christlichen Spielen. Und so kam mir die Idee zu ‘Five Nights at Freddy’s’."

Scott Cawthon

Gruselige Nachtwache

"Five Nights at Freddy’s" ist aber auch aus einer weiteren Enttäuschung entstanden: Der Protagonist eines früheren Spiels, ein lustige Biber aus Cawthons sang- und klanglos untergegangenem familienfreundlichen Adventurespiel "Chipper Sons Lumber & Co", hatte einige Rezensenten eher verstört, als - wie beabsichtigt - niedlich zu wirken. Jim Sterling nannte das Spiel in einem Video "unabsichtlich furchteinflößend" und seine starren Hauptfiguren "seelenlos" - schlechte Kritik für ein lustiges Kinderspiel, aber beste Voraussetzungen für jenes Horrorspiel, das seit August 2014 wahren Kultstatus erreicht hat.

In "Five Nights at Freddy’s" (Android, iOS, Windows Phone, Windows, ab 2,45 Euro bis 7,99 Euro) übernehmen Spielerinnen und Spieler die Rolle eines Sicherheitsbediensteten, der im Restaurant Freddy Fazbear’s Pizza Nachtschicht hat. Das Themenrestaurant ist aber zugleich das Zuhause einer Vielzahl von animatronischen Puppen, die untertags bei jugendlichen Kunden für Unterhaltung sorgen. Nachts entwickeln die mannshohen Stofftierroboter allerdings ein mörderisches Eigenleben, und es ist die Aufgabe der Spieler, mehrere Nächte im Security-Büro des unheimlich leeren Restaurantkomplexes zu überleben. Und das ist gar nicht so einfach, denn wer von den unheimlichen Puppen erwischt wird, segnet mit effektvollem Schockeffekt das Zeitliche.

Beim Überleben im Horrorhaus stehen Spielern nur wenige Hilfsmittel zur Verfügung: Der Blick auf verschiedene Überwachungskameras zeigt, wo sich die unheimlichen Puppen gerade aufhalten (oder - noch gruseliger - auch nicht), Taschenlampe, verschließbare Türen und Ablenkungs-Gadgets geben kurzfristig Sicherheit. Hauptmerkmal des grafisch zwar nicht spektakulären, aber dafür atmosphärisch unheimlichen Spiels ist die nervenzerreißende Spannung, die sich durch die Verwundbarkeit des Spielers und die Ungewissheit ergibt, jederzeit Opfer der verstörenden Plüschmonster werden zu können. Ein "Point-and-Click-Survival-Horrorspiel" dieser Art gab es zuvor nicht. Schon wenige Monate nach Release des ersten Teils lieferte Cawthon ein Prequel als Nachfolger und Anfang 2015 sogar einen dritten Teil mit noch komplexeren Überwachungs- und Managementoptionen- diesmal ist der Schauplatz ein Vergnügungspark, der die Fazbears-Morde nachstellt. Was könnte da schiefgehen?

Scott Cawthon

Von Null auf Kult

Das durchaus originelle Spielkonzept sorgte für Begeisterung bei der von Indie-Phänomenen wie "Slender" auf Horror und Jumpscares geeichten Spielerschaft. Prominente YouTuber sprachen von dem kleinen Spiel als "scariest game in years", auf Steam, aber auch auf den Mobile-Plattformen iOS und Android verkaufte sich der Titel spektakulär: Aktuell generieren die drei bislang erschienen Teile allein auf Mobilgeräten täglich knapp 60.000 Neuinstallationen. Neben hunderten Let’s Plays hat das Indiespiel außerdem einen wahren Wildwuchs verschiedenster Verschwörungstheorien zur Story der Serie hervorgebracht, und hunderte Fans versuchten sich sogar an der Erstellung von Fan-Games und Hommagen.

Wenn sich weltweit Spieler mit derartiger Hingabe engagieren, ist auch Hollywood nicht weit. Warner Bros. bekundete inzwischen Interesse: Erst Anfang April wurde verkündet, dass eine Filmadaption des Kultspiels geplant sei. Unbestätigten Meldungen zufolge soll auch schon ein vierter Teil in Vorbereitung sein.

Die Glaubens- und Schaffenskrise von Scott Cawthon hat mit seinem Kult-Bestseller offenbar ein gutes Ende gefunden. (Rainer Sigl, derStandard.at, 23.4.2015)