Nur selten würden Österreicher unter der problematischeren Allergie gegen Cor a 8, 9 oder 14 leiden. "Schon bei kleinen Mengen Nutella oder Manner können diese Patienten einen allergischen Schock bekommen", sagt der Wiener Allergologe Stefan Wöhrl.

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Eine Allergie gegen Haselnüsse kann sich unterschiedlich äußern. Das liegt an verschiedenen Eiweißen in den Nüssen, die die Allergie auslösen, "Cor a" genannt. Bei Erwachsenen und älteren Kindern verursachen die "harmlosen" Cor a 1 oder 2 meist nur ein Kribbeln oder ein pelziges Gefühl auf der Zunge, bei Kleinkindern lösen eher die "schlimmen" Cor a 9 oder Cor 11 eine heftigere Reaktion mit Atemnot aus.

Patienten mit der milden Allergie vertragen kleine Mengen Haselnüsse, aber die mit der schlimmen Form können schon von wenigen Gramm einen lebensbedrohlichen Schock bekommen. Sie müssen vor jedem Essen nachfragen, ob darin Nüsse enthalten sind, und immer Notfallmedikamente bei sich haben.

Mögliche Lücke geschlossen

Mittlerweile können Ärzte die Eiweiße im Blut identifizieren und so feststellen, ob der Patient eher unter der harmlosen oder unter der gefährlichere Allergieform leidet. "Das ist besonders dann wichtig, wenn die Symptome nicht eindeutig zuzuordnen sind", sagt Margriet Faber, angehende Allergologin an der Universität Antwerpen – zum Beispiel wenn bei einem Kind Zunge, Lippen und Rachen stark anschwellen.

Vor einem Jahr fiel Faber auf, dass sie bei einigen Kindern die gefährlichen Eiweiße nicht nachweisen konnte, obwohl diese heftig reagiert hatten. Sie erinnerte sich daran, dass Forscher kurz zuvor noch ein weiteres Eiweiß gefunden hatten, nämlich Cor a 14.

Daraufhin untersuchte sie das Blut von 89 Kindern und Erwachsenen, von denen 37 eine schwere allergische Reaktion mit Atemnot und Kreislaufzusammenbruch erlitten hatten. Bei 26 dieser Patienten fand sie Cor a 9 und bei 28 Cor a 14. "Zusammen konnten wir damit alle Kleinkinder mit schwerer allergischer Reaktion identifizieren", sagt Faber. "Testen wir jetzt zusätzlich Cor a 14, schließen wir die Lücke bei der Diagnose."

Kribblen im Mund

Philippe Eigenmann, leitender Allergologe in der Universitäts-Kinderklinik in Genf, ist noch skeptisch: "In der Studie hatte Cor a 14 nur bei zehn Prozent der Patienten einen zusätzlichen Nutzen." Er bestimmt deshalb zunächst Cor a 1 und 9, und erst wenn beide Eiweiße nicht nachweisbar sind, auch Cor a 14. In Österreich hätten Menschen meist die mildere Form mit der Haselnuss-Allergie gegen Cor a 1, erzählt Stefan Wöhrl, Allergologe am Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien.

"Die Betroffenen spüren ein Kribbeln im Mund, etwa wenn sie rohe Haselnüsse essen. Nüsse in verarbeiteter Form wie Nutella oder Manner-Schnitten vertragen sie in der Regel aber", berichtet der Mediziner. Nur selten würden Österreicher unter der schlimmeren Allergie gegen Cor a 8, 9 oder 14 leiden. "Schon bei kleinen Mengen Nutella oder Manner können diese Patienten einen allergischen Schock bekommen – sie sollten immer Notfallmedikamente dabei haben", sagt Wöhrl.

Krankenkasse: Maximal fünf Untersuchungen

In Österreich würden zwar die Tests auf die einzelnen Eiweiße von den Krankenkassen bezahlt werden. "Aber je nach Krankenkassa, bei der der Patient versichert ist, ist die Zahl der Untersuchungen gedeckelt, also nicht mehr als ein bis fünf", erklärt der Allergologe. "Ich muss mir also genau überlegen, welche Tests Sinn haben." Gut fände er den sogenannten ISAC-Chip-Test, mit dem man 112 Eiweiße auf einmal bestimmen lassen könnte. "Das zahlt die Kassa aber nicht, und außerdem ist der Test weltweit zurzeit wegen technischer Probleme auf Herstellerseite nicht verfügbar."

Antonella Muraro, Allergologin an der Universität Padua und Vorsitzende der Nahrungsmittelallergie-Kampagne bei der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie EAACI, findet den neuen Test auf Cor a 14 sehr nützlich. "Viel wichtiger ist aber, dass Lebensmittel in Europa adäquat und einheitlich gekennzeichnet werden, so dass man genau weiß, ob Nüsse in jeglicher Art von Lebensmitteln enthalten sind, also nicht nur in abgepackten, sondern auch in losen wie zum Beispiel frischem Kuchen oder Brot." EAACI habe das schon seit Jahren propagiert, aber erst seit 2014 beginnen die Länder das auch für lose Lebensmittel umzusetzen.

Keine Immuntherapie

Auf die Therapie haben die Eiweiße bisher keine Auswirkungen, denn heilen kann man eine Haselnussallergie bisher noch nicht. "Erste Studien mit Immuntherapien zeigen zwar, dass man damit die allergische Reaktion lindern kann", sagt Cezmi Akdis, Direktor des Schweizer Instituts und des Christine-Kühne-Zentrums für Allergieforschung in Davos. "Bis das aber zur Routine wird, kann es noch einige Jahre dauern."

Bei anderen Allergien nutzen Ärzte die Bestimmung einzelner Eiweiße schon für die Therapie. Ist ein Patient mit Bienenallergie etwa gegen Bienen-Eiweiße mit den Nummern 3 oder 10 allergisch, verdoppeln sie die Dosis bei der Immuntherapie. Nussallergikern bleibt vorerst nur, die Nüsse zu meiden. (Felicitas Witte, 6.7.2015)