Ein Sturm der Entrüstung brach los, als EA Frauenteams für "Fifa 16" ankündigte. Sachliche Kritik war dabei nur selten zu finden.

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Im Spätsommer wird EA Sports mit "Fifa 16" die mittlerweile 23. reguläre Auflage seiner erfolgreichen Fußballsimulation auf den Markt bringen. Bis vor kurzem hielt sich der Hersteller mit Ankündigungen zu dem Titel noch zurück, ehe er schließlich vor wenigen Tagen offenbarte, dass das Spiel erstmals auch Frauenfußball abbilden werde. Ein Dutzend Damen-Nationalteams wurden dafür lizenziert.

Man könnte nun davon ausgehen, dass diese Meldung zumindest positiv aufgenommen wird, immerhin stehen jedem Spieler damit mehr Teams zur Auswahl – auch wenn Spiele zwischen Frauen und Männern nicht möglich sein werden.

Doch weit gefehlt. Was sich in der Folge etwa auf der Facebook-Seite von EA und in zahlreichen Online-Foren (darunter auch unter dem Ankündigungsartikel des GameStandard) abspielte, zeichnet ein verheerendes Bild der "Fifa"-Community und schadet der immer noch um Akzeptanz kämpfenden Gamer-Gemeinschaft im Ganzen.

"Wann kommt der Nacktpatch?"

Prominent und viel bejubelt von Gleichgesinnten waren zwischen offen sexistischen Wortmeldungen ("Frauen sollen in der Küche bleiben", "Wann kommt der Nacktpatch?"), Kundgebungen für ein Männermonopol auf den Sport ("Ich will keine Frauen in meinem Fifa!") und Machosprüchen ("Reißen die sich beim Torjubel auch das Trikot vom Leib?", "Kann man da Brustgrößen konfigurieren?") nur selten eine positive Stimme oder sachliche Kritik. Dafür sind die nicht immer anonymen Verfasser, deren Postings mal eben eine Hälfte der Menschheit durch den Schmutz ziehen, um Ausreden nicht verlegen.

Frauenfußball habe keinen Platz in "Fifa", weil deutsche Bundesliga-Damenteams irgendwann mal ein Trainingsspiel gegen einen Kreisligisten verloren haben, hieß es da. Freilich außer Acht lassend, dass der Herrenfußball strukturell – sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch – ein gutes Jahrhundert Vorsprung hat. Ist er deswegen mehr wert? Für einige anscheinend schon, folgte doch schnell das Argument, dass Männer aus rein körperlich-naturgegebenen Gründen auf ewig das Monopol auf das "schönere" Spiel gepachtet hätten.

Eine engstirnige Sichtweise, die ignoriert, dass das Klassendenken in anderen, emanzipierteren Bereichen längst ein Relikt der Vergangenheit ist. Man denke nur an den Schwimmsport, Volleyball, Tennis oder die weiblichen Stars des österreichischen Skiverbandes.

Blatters Brüder im Geiste

Scheinheilig wird es, wenn die Masse an Wortmeldungen zum Trikottausch und Oberweiten plötzlich damit gerechtfertigt wird, dass männliche Kicker ja auch virtuell Hemden tauschen. Nie und nimmer sei dies eine Reduktion der Spielerinnen auf ihre Körper, beteuert man wehleidig. Das Interesse an der virtuellen männlichen Leiberlübergabe hielt sich bei seiner Einführung komischerweise vergleichsweise sehr stark in Grenzen.

Dieselben Kommentatoren haben wahrscheinlich auch kein Problem mit den Aussagen des skandalumwitterten und jüngst wiedergewählten FIFA-Chefs Sepp Blatter. Der sinnierte vor nicht all zu langer Zeit darüber, dass man Frauenfußball dadurch für die Massen attraktiver gestalten könne, in dem man die Spielerinnen in Beachvolleyball-Outfit auflaufen lässt. Geht es um die Korruption "ihres Sports" ist der Aufschrei um Blatter groß, werden 55 Prozent der Menschheit klein gemacht, gibt es von Seiten vieler männlicher Fans lediglich zustimmendes Kichern.

Legitime Kritik ist möglich

Andere Nutzer warfen ein, dass der Sturm der Entrüstung darauf zurückzuführen sei, dass EA wohl vorhabe, mal wieder ein einfaches Update als Vollpreisspiel anzubieten. Die Ressourcen, die in die Lizenzierung und Umsetzung der Damenteams gesteckt wurden, wären doch besser in Features geflossen, die von der Community schon länger nachgefragt werden.

Auf dieser Ebene kann man das Vorgehen von EA durchaus kritisieren, wenn man möchte. Dabei sollte man allerdings einige Dinge bedenken. "Fifa 16" erscheint in rund vier Monaten. Bis dahin hat EA noch genug Zeit, andere Verbesserungen anzukündigen. In puncto Neuerungen ist also noch nicht aller Tage Abend. Und: Kein sexistischer Witz, keine untergriffige Anmerkung kann mit Kritik am Publisher gerechtfertigt werden.

Vorgeschobene Kritik

Der Vorwurf, EA würde Wucherpreise für einfache Updates verlangen, existiert zudem nicht erst seit gestern. Er lässt sich bis an den Anfang des Jahrtausends nachverfolgen. Trotzdem belegen die Verkaufszahlen, dass die Jahr für Jahr auftauchenden Boykottdrohungen offenbar nur heiße Luft sind und man den Entwicklern somit herzlich wenig Anlass gibt, ihre Strategie zu ändern. Und dann kommt der bisher mit Abstand größte Shitstorm ausgerechnet bei der Einführung von zwölf Frauenteams? Wer soll diese Kritik ernst nehmen?

Damit eines klar ist: Frauenfußball in "Fifa" löst nicht das nach wie vor gegebene Problem vielerorts mangelnder Geschlechtergleichberechtigung, eben so wenig wie der Songcontest-Sieg von Conchita Wurst vergangenes Jahr Österreich in eine beispielhaft tolerante Gesellschaft verwandelt hat. EA ist ein Unternehmen, das Geld verdienen will und dementsprechend steckt hinter der Neuerung gewiss auch Marketing-Kalkül. Daran ist aber nichts Verwerfliches, wenn hier sowohl der Spielehersteller als auch der Sport gewinnen.

Gamergate reloaded

Die Gaming-Community hingegen schlittert aufgrund dieses neuerlichen sexistischen Shitstorms in der öffentlichen Wahrnehmung in das gleiche Debakel, das sie sich erst letztes Jahr mit "Gamergate" eingebrockt hat. Ob der "noble Vorwand" nun Kritik an fragwürdigen Verhältnissen zwischen Spielemedien und der Games-Industrie ist oder man einen mächtigen Publisher von seiner gefühlt unlauteren Preisgestaltung abbringen möchte: In beiden Fällen entsteht der Eindruck, viele Männer fürchteten angesichts vermehrter Anstrengungen zur Erstellung inklusiver Spielinhalte um ihr persönliches Revier. Mitunter scheint die Angst sogar so groß zu sein, dass selbst der politische Kampfbegriff "Genderwahn" ausgepackt wird.

Ob es sich um ein letztes Aufbäumen des Chauvinismus handelt oder Frauenfußball und die Ansprüche von Spielerinnen noch länger marginalisiert werden, wird sich weisen. Auswüchse wie diese schaden letztlich auch all jenen Videospielfans, für die Gleichberechtigung und Vielfalt längst eine Selbstverständlichkeit sind. Es ist schade, dass wir Gamer 24 Jahre nach Austragung der ersten Frauenfußball-WM noch immer von solchen Eigentoren aufgehalten werden. (Georg Pichler, 2.6.2015)