1902 malte Gustav Klimt im Auftrag des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew dessen Tochter Gertrud (verehelichte Felsövanyi). Bis zur Flucht der Familie 1939 war es deren Besitz, 1941 schmückte das Gemälde bereits die Kollektion des NS-Filmregisseurs Gustav Ucicky. Bei Sotheby’s soll das Gemälde nun um die 25 Millionen Euro einspielen.

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Gertrud Loew, Tochter des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew, etwa zu jener Zeit, als sie von Gustav Klimt porträtiert wurde.

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Wien – Die Spielfilmversion der Causa Bloch-Bauer (Die Frau in Gold) rückt den Themenbereich Raubkunst und Restitution dieser Tage wieder an die Öffentlichkeit. Abseits der durchaus positiven Zwischenbilanz, wenn es um die Erforschung und Rückgaben aus Bundesmuseen geht, mehren sich Forderungen für eine stärkere Sensibilisierung, wenn es um das deutlich größere Volumen problematischer Fälle in Privatbesitz geht.

Bis zu 180.000 Kunstwerke, spekuliert Otto-Hans Ressler, seien wohl allein in Wien von Wohnungsnachbarn oder Nachmietern gestohlen und unterschlagen worden. Ressler war einer jener Experten, die auf Einladung der Constantin Film im Rahmen eines Pressegesprächs Montagvormittag Resümee zogen. Als politische Garnierung blieb SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel mit dem klassischen Stehsatz, wonach Österreich über die Gesetzgebung und die Arbeit der Kommission für Provenienzforschung mittlerweile eine Vorreiterrolle innehabe, spektakulär unauffällig.

Sie sehe Handlungsbedarf im Privatbereich, Maßnahmen oder Regelungen seien nicht geplant, mehr als eine Diskussion darüber könne sie nicht bieten. Das ist etwas wenig, wenn man sich zeitgleich den Anschein gibt, das Verantwortungsbewusstsein Betroffener einmahnen zu wollen.

Die Hürde: Das Kunstrückgabegesetz umfasst nur Bundesbesitz, für Personen oder Stiftungen gibt es keine gesetzliche Regelung. Ein bequemes Ruhekissen: nicht für alle, aber für viele. Nach gegenwärtiger Rechtslage käme eine solche Verpflichtung einem Eingriff in das verfassungsrechtlich verbriefte Eigentumsrecht gleich. Lösungen standen noch nie zur Diskussion.

Andreas Nödl, einst von Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann als Mitglied des Schiedsgerichts nominierter Rechtsanwalt, appelliert deshalb an Private, sich Problemfällen zu stellen, Provenienzen klären zu lassen und im Fall der Fälle mit Erben faire und gerechte Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien anzustreben. Bisweilen leichter gesagt als umgesetzt, weiß Nödl als Vorstandsmitglied der Leopold- Museums-Privatstiftung, wo erst knapp fünf Prozent des Bestandes als erforscht gelten. Naturalrestitution erfolgte dort keine, Vergleiche mit Erbengemeinschaften immerhin.

Und Nödl weiß es auch als rechtlicher Berater der Klimt-Foundation, die sich seit ihrer Gründung mit einem solchen Problemfall herumschlug: einem von Gustav Klimt gemalten Porträt der Tochter des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew, das bis zur Flucht von Gertrud Felsövanyi 1939 in ihrem Besitz war und seit 1941 die Kollektion des NS-Propagandafilmregisseurs Gustav Ucicky schmückte. Wie das Kunstwerk dorthin gelangte, ist bis heute ungeklärt – auf redliche Weise vermutlich nicht. Von vier über einen Rückstellungsvergleich nach Ucickys Tod 1961 ans Belvedere gelangten Klimt-Gemälden mussten 2001 und 2004 drei (Bildnis einer Dame, Der Apfelbaum II, Bauernhaus mit Birken) an Erben jüdischer Sammler restituiert werden.

Einigung auf Millionen-Vergleich

Jahrelang hatte sich Gertruds Sohn Anthony Felsovanyi um das Bildnis seiner Mutter bemüht, die Briefe an die Witwe des Regisseurs waren jedoch unbeantwortet geblieben. Stattdessen brachte Ursula Ucicky das Porträt seiner Mutter in die von ihr gegründete Stiftung ein. Für den 98-Jährigen war Peter Weinhäupls (von Ucicky als Vorstand auf Lebenszeit berufen) avisierte schnelle Klärung eine Ankündigung geblieben. Er verstarb einen Monat später.

Basierend auf Ergebnissen der Provenienzforscherinnen Sonja Niederacher (Klimt-Foundation) und Ruth Pleyer (Felsovanyi-Erben) empfahl ein Rechtsexpertenteam Anfang September 2014 einstimmig die Rückgabe.

Dem STANDARD exklusiv vorliegenden Informationen zufolge haben sich die Klimt-Foundation und die Felsovanyi-Erben nun geeinigt. Demnach gelangt das Gemälde am 24. Juni bei Sotheby's in London zur Auktion und wird der Erlös – dem Vernehmen nach halbe-halbe – geteilt.

Im Sinne der Washingtoner Prinzipien eine faire und gerechte Lösung, die im Privatbereich eine Ausnahme ist. Ein Deal, von dem beide Seiten profitieren, nicht nur monetär. Für die Klimt-Foundation, die sich redlich bemüht, die braunen Schatten um die Person Gustav Ucickys zu vertreiben, war es eine Imagefrage. Für Andrea Felsovanyi geht es um Symbolik, nach so vielen Jahren namens ihrer Großmutter und ihres Vaters zumindest dieses eine Kapitel zu beschließen, das auch nach der Flucht ins Exil, nun Heimat, in der Familie präsent geblieben war.

Klimt-Experten bezeichnen das 1902 geschaffene Gemälde schlicht als hinreißend. Aus Marktsicht handelt es sich laut Andrea Jungmann (Sotheby's-Geschäftsführerin für Österreich, Ungarn und Polen), "um eines der wichtigsten von Klimt gemalten Porträts, die seit mehr als 20 Jahren auf den Markt kommen". Der Schätzwert liegt bei moderaten 16,8 bis 25,3 Millionen Euro (12–18 Mio. Pfund). Das Antlitz der 19-jährigen Gertrud Loew könnte auch zu deutlich mehr verführen, so "rein hingehaucht, mit den vier blasslila Seidenbandstreifen längs des duftigen, knittrigen Kleides", wie Ludwig Hevesi beschrieb, als das Bildnis im November 1903 erstmals in der Secession öffentlich zu sehen war. (Olga Kronsteiner, 2.6.2015)