Ein Blick in die Nasenlöcher und eine Analyse des Mikrobioms in den dortigen Schleimhäuten bringen eine neue Erkenntnis darüber, welche Bakteriengemeinschaften dort existieren.

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Wien - Die Höhle ist meist wohltemperiert. Temperatur und Luftfeuchtigkeit können in der Nähe des Eingangs zwar schwanken, weiter im Inneren jedoch entsprechen sie praktisch den Idealbedingungen. Nährstoffe werden frei Haus geliefert. Kein Wunder also, dass an den Wänden dichtes Gedränge herrscht. Millionen Bakterien tummeln sich dort. Jeder von uns hat, mikrobiologisch gesehen, buchstäblich die Nase voll.

Lange unerforscht

Die Erforschung dieser Siedlerscharen fristete lange Zeit ein Schattendasein. Erst seit etwa zehn Jahren interessieren sich Experten zunehmend für das sogenannte nasale Mikrobiom. Einer der Auslöser dieser Aufmerksamkeit ist Staphyllococcus aureus, ein wachsendes medizinisches Problem.

Die Keime leben oft als harmlose Kommensale (lat. für Tischgenosse) auf dem menschlichen Körper, können sich aber mitunter in aggressive Krankheitserreger verwandeln. Menschen, die von ihnen befallen sind, sind anfällig für jede Art von Infekt. Immer mehr S.-aureus-Stämme sind zudem resistent gegen verschiedene Antibiotika. Das erschwert ihre Bekämpfung.

Die tückischen Bakterien fühlen sich anscheinend nirgendwo so wohl wie in der Nase. Reihenuntersuchungen zufolge beherbergt knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung eine S.-aureus-Population in ihrem Riechorgan. Die Besiedlungshäufigkeit ist bei Kleinkindern und Jugendlichen am höchsten und nimmt bei älteren Jahrgängen ab. Träger haben die Mikroben fast immer auch an den Händen - eine logische Folge der menschlichen Angewohnheit, sich ständig an die eigene Nase zu fassen oder darin herumbohren zu müssen.

Keime leben allerdings nur selten allein. Wo eine Bakterienart auftritt, findet man normalerweise auch andere. So wie überall in der Natur bilden sich dabei Lebensgemeinschaften aus diversen Spezies. Die Organismen interagieren, entweder direkt oder indirekt. Ein Ökosystem entsteht, auch in der Nase. Doch die dort vorherrschende Artenvielfalt ist keinesfalls bei jedem Menschen gleich. Von den dutzenden der Forschung bekannten, nasenbesiedelnden Spezies kommt von Individuum zu Individuum immer nur ein Teil vor.

Eine mögliche Ursache für die Entstehung von individuellen Unterschieden im nasalen Mikrobiom wären genetische Faktoren. Medizinische Untersuchungen konnten diese These allerdings nicht bestätigen. Spielt somit die Umwelt eine entscheidende Rolle? Anscheinend ja. Aber nicht sie allein. Ein Team aus US-amerikanischen und dänischen Experten hat Proben aus den Nasen von 46 eineiigen und 43 zweieiigen Zwillingen hinsichtlich ihrer Mikroflora analysiert. Die Wissenschafter stießen auf eine bislang ungeahnt große Diversität - ohne jedoch einen Zusammenhang zwischen Wirtsgenetik und Artenspektrum aufzeigen zu können.

Nasale Gemeinschaften

"Wir sind erstaunt darüber, wie wenig Ähnlichkeit es diesbezüglich bei eineiigen Zwillingen gibt", betont Lance Price, Epidemiologe an der George Washington University in Washington D.C., und Co-Autor der neuen Studie. Insgesamt konnten Price und seine Kollegen bei den untersuchten Zwillingspaaren sieben verschiedene Typen von bakteriellen Lebensgemeinschaften identifizieren. Von den Eineiigen trugen nur 26 Prozent dieselbe mikrobielle Ausstattung in der Nase.

Die jeweilige Zusammensetzung der verschiedenen Mikrobiome barg ebenfalls Überraschungen. Die Wissenschafter fanden erstmals nasale Gemeinschaften, die von Bakterien der Gattungen Proteus und Serratia dominiert werden. Sie sind als Darmbewohner bekannt. Bemerkenswertes zeigte sich auch bei der Präsenz der Dolosigranulum-Spezies. Wo sie zahlreich auftreten, hat S. aureus offenbar keine Chance. Wie diese negative Assoziation zustande kommt, lässt sich derzeit noch nicht genau klären, sagt Lance Price. Vielleicht produziert Dolosigranulum irgendeinen Abwehrstoff oder ist Träger eines Virus, welches S. aureus in Schach hält. Auch eine Verdrängung im Konkurrenzkampf um lebenswichtige Nährstoffe sei denkbar.

Die Experten vermuten, dass der Aufbau der Lebensgemeinschaften sowohl durch die Erstbesiedlung im Säuglingsalter als auch infolge diverser Umwelteinflüsse geprägt wird. Hygiene, vor allem Händewaschen, sei ebenfalls ein wesentlicher Faktor. Neuankömmlinge von außen dürften zudem unterschiedliche Chancen auf Etablierung haben - je nachdem, welche Arten bereits vorhanden sind. Das gilt auch für potenzielle Krankheitserreger. Price hofft auf die Entwicklung von probiotischen Präparaten zur gezielten Umgestaltung nasaler Mikrobiota. "Können wir wohlerzogene Bakterien einsetzen, um S. aureus daran zu hindern, an der Party teilzunehmen?" Das ist das Ziel. (Kurt de Swaaf, 13.6.2015)