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BND-Chef Gerhard Schindler vor der Abhöranlage in Bad Aibling

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Auf der Königswarte nahe Hainburg lauscht Österreichs Heeresnachrichtenamt. Seit Jahrzehnten mit der Unterstützung von NSA und BND.

Foto: Markus Sulzbacher

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Erich Schmidt-Eenboom (62) gilt als einer der renommiertesten deutschen Geheimdienstexperten. Er ist Autor, Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik und wurde ab 1993 selbst vom deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) observiert.

Foto: Schmidt-Eenboom

STANDARD: Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) hat in den vergangenen Wochen in Österreich für Schlagzeilen gesorgt. Im Auftrag der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) sollen Leitungen der Telekom Austria abgehört und Behörden gezielt ausspioniert worden sein. Welche Ziele hatte man im Visier?

Schmidt-Eenboom: Die Amerikaner und die Deutschen haben von der Lauschstation im bayerischen Bad Aibling aus österreichische Sicherheitsbehörden angezapft. Auch wenn diese über enge und gute Kontakte zu beiden Nachrichtendiensten verfügen, geben diese ja nicht alle ihre Geheimnisse preis. Daher haben die Amerikaner den österreichischen Verfassungsschutz ausspioniert, und der BND hat dabei assistiert. Der BND wäre ein schlechter Nachrichtendienst, wenn er nicht auch diese Erkenntnisse für sich nutzt.

STANDARD: An welchen Informationen war man da interessiert?

Schmidt-Eenboom: Etwa an Informationen über ausländische Geheimdienste. Dieses Wissen ist natürlich für den BND und die NSA sehr wertvoll.

STANDARD: BND und NSA überwachen den österreichischen Verfassungsschutz. Also Spionage unter Freunden.

Schmidt-Eenboom: Das ist aus deutscher Sicht nicht rechtswidrig. Der BND hat den Auftrag zur Auslandsaufklärung, insofern darf er Österreich ausspionieren. Es gab aber durchaus Stimmen im BND, die vor bündnispolitischen Verwerfungen warnten. Das zielt in erster Linie natürlich auf das Verhältnis mit Frankreich, das auf der deutsch-amerikanischen Selektorenliste mit vielen, vielen Zielobjekten vertreten ist.

STANDARD: Der BND macht wohl nicht nur Handlangerdienste für US-Dienste in Österreich.

Schmidt-Eenboom: Mit Agenten ist der BND in Österreich seit den 1980er- und 1990er-Jahren nicht mehr gegen österreichische Interessen aktiv, aber sehr wohl gegen Diplomaten und andere Spione. In Wien operiert er ohne jede Kenntnis durch die österreichischen Nachrichtendienste. Er beansprucht da so etwas wie ein nachrichtendienstliches Hausrecht – der BND würde sich so etwas in Washington nie trauen.

STANDARD: Gleichzeitig spionieren US-Dienste den BND aus.

Schmidt-Eenboom: Es ist üblich, dass sich Partner untereinander nicht nur politisch und wirtschaftlich ausspähen, sondern auch in dem Sektor Gegenspionage in den befreundeten Dienst einschleichen. Wir hatten in Deutschland den Fall, das ein CIA-Agent im BND aufgeflogen ist.

STANDARD: Hat der BND ein besseres Verhältnis zur NSA als zu den österreichischen Geheimdiensten?

Schmidt-Eenboom: Im Prinzip verhält sich der BND gegenüber den österreichischen Diensten genauso wie die US-Dienste gegenüber dem BND. Das ist die Rolle des großen Bruders. Ganz massiv versuchte er ab 1953 so etwas wie das Patronat über die österreichischen Nachrichtendienste zu bekommen. Da gab es immer zwei Wege: Einmal eine offizielle oder halboffizielle Kooperation, und zum anderen wurden sogar österreichis

che Beamte bestochen, damit die für den BND arbeiten.

STANDARD: 1953 hieß der BND noch Organisation Gehlen, benannt nach seinem ersten Chef Reinhard Gehlen, der für die NS-Wehrmacht "Fremde Heere Ost" auskundschaftete. Mit wem unterhielt Gehlen in Österreich gute Kontakte?

Schmidt-Eenboom: Hier muss man Karl Lütgendorf ins Auge fassen. Er gehörte zur sogenannten Bolerogruppe, also jenen acht Geheimdienstlern des NS-Regimes, die nach Kriegsende für ein Jahr in die USA gebracht und ausgebildet wurden. Die anderen sieben, an der Spitze Reinhard Gehlen, kamen zurück und bauten die Organisation Gehlen und den BND in Deutschland auf. Der achte Mann im Boot war Lütgendorf, der nach seiner Rückkehr den Bundesheervorläufer B-Gendarmerie mit aufbaute und von 1971 bis 1977 Verteidigungsminister war. Der steht als Beispiel dafür, welche engen personellen Bindungen es gab.

STANDARD: Zwei Jahre Snowden-Enthüllungen: Haben die irgendwelche Auswirkungen auf die Arbeit der Geheimdienste gehabt?

Schmidt-Eenboom: Die Nachrichtendienste schreien zwar Alarm und behaupten, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus sei ungemein schwieriger geworden. Allerdings konnte man bisher keine größere Bedrohungslage verzeichnen. Islamisten haben zwar ihr Kommunikationsverhalten verändert, allerdings können sie weiterhin überwacht werden. Insgesamt ist diese Aufregung ein Werfen von Nebelkerzen. Man versucht so, von den anderen Aufklärungsaufträgen, also der politischen und wirtschaftliche Spionage, auch gegen Freunde, abzulenken.

STANDARD: Kann man in einer Demokratie Geheimdienste konrollieren?

Schmidt-Eenboom: Man kann. Die Fach- und Dienstaufsicht der Regierung kann, wenn sie das will, eine sehr starke Kontrolle ausüben. So könnte sie zum Beispiel verlangen, dass der NSA-Verbindungsstab nicht in Bad Aibling sitzt, sondern nach Berlin übersiedelt. Dort könnte man ihn an die BND-Zentrale oder an das Bundeskanzleramt koppeln, dann hätte man wieder mehr administrative Kontrolle. Richtig schwierig ist es mit einer funktionierenden parlamentarischen Kontrolle. Die ist in Deutschland schwierig, wegen der Durchlässigkeit der Parlamentarier gegenüber Medien. So erleben wir immer wieder, dass Dinge aus Geheimgremien alsbald den Weg in deutsche Medien finden. In den USA, Großbritannien oder in Frankreich sind Abgeordnete viel mehr der Staatsräson verpflichtet. (Markus Sulzbacher, 28.6.2015)