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"Ein Traumwetter, ein super Klettergarten, und ich schwimme ja so gerne." Thomas Bubendorfer schwelgt seit 1984 im monegassischen Übungsfels.

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La Lingua Bubendorfer: Als Vortragender ist er gut gebucht und hoch bezahlt.

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Auch der Kletterei im Eis frönt Thomas Bubendorfer regelmäßig.

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Bubendorfer in Aktion.

Grivel Mont Blanc

Im Grunde sollte Thomas Bubendorfer ein offenes Buch sein. Denn nicht nur in einem Buch, sondern in bisher sieben Bänden hat der Salzburger sein Werden und Wirken als Bergsteiger und seine Gedanken, bei weitem nicht nur zu diesem Thema, ausgebreitet – von "Der Alleingänger" 1984 bis "Life Is Like Mountaineering" 2012. Die Bücher haben sich verkauft, manche sogar sehr gut. Dass das vorerst letzte in China erschien, bis dato nicht ins Deutsche übersetzt wurde und also in seinem Geburtsland ohne Widerhall blieb, ist kein Zufall. Denn Thomas Bubendorfer, Profibergsteiger und von internationalen Konzernen weltweit gerngebuchter und ausgezeichnet bezahlter Vortragender in mehreren Sprachen, ist der österreichischen Öffentlichkeit weitgehend entschwunden.

Dabei war er einmal sehr präsent, so präsent, dass ihm Mediengeilheit unterstellt wurde, der Wille zum Auffallen um fast jeden Preis – durch seinen für des Laien Auge immer hart am Rand des Runterfallens betriebenen Sport. Durch je nach Sichtweise kluge oder nur klug klingende Sätze über sein Tun. Und durch, ebenfalls je nach Sichtweise, erfrischend anderes oder unerträglich prätentiöses Auftreten. "Ich habe nie Absichten gehabt", sagt Bubendorfer heute. "Was habe ich denn schon Schlimmes gemacht? Ich bin zum Opernball gegangen, meine erste Frau war 20 Jahre älter – das durfte man nicht machen als guter Bergsteiger."

Bei vielen, die selbst von der Vermarktung ihrer bergsteigerischen Abenteuer lebten – durch Bücher, Vorträge, Filme und Werbung -, kam gar nicht gut an, dass Bubendorfer so hervorragend ankam, gutaussehend und behände in Aktion und Wort, wie er war. Völlig arglos kann der gerade 24-Jährige nicht gewesen sein, als er am 20. Mai 1986 einer Einladung des ORF Folge leistete, an der Diskussionssendung Club 2 zum Thema "Grenzerfahrungen – Menschen, Helden, Selbstdarsteller" mit Gastgeber Adolf Holl teilzunehmen.

Reinhold Messner kanzelte den, nun ja, Emporkömmling im Studio ab. Die Attacke des Leitsterns der weltweiten Profibergsteigerei, dem er ursprünglich nachgeeifert hatte, war für Bubendorfer schmerzlich. Schließlich hatte der junge Spund aus St. Johann im Pongau in den Jahren zuvor am Berg quasi keinen Stein auf dem anderen gelassen. Keine der großen Wände und Routen in den Alpen, die er nicht durchstiegen hätte, ungeachtet der Witterung, oft allein auf sich gestellt und ungesichert, meist in Rekordzeit. Im Sommer 1983 stürmte Bubendorfer durch das 1800 Meter hohe Kalkmonument namens Eiger Nordwand im Berner Oberland – binnen vier Stunden und 50 Minuten, "wie in Trance". Ab da war der sportlich Erfolgreiche auch berühmt.

Ein Bachbett aufwärts

Das sei acht Jahre zuvor, als ihn die Bergsteigerei gleichsam berief, nicht das Ziel gewesen, sagt Bubendorfer. Der Gymnasiast aus gutbürgerlichem Haus – der Vater ein oft reisender Geschäftsmann, die Mutter eine der ersten AUA-Stewardessen – geriet bei einer eher ziellosen Wanderung, "ein Bachbett" hinauf, weit oberhalb St. Johanns in ein Gewitter. Diese Erfahrung habe ihm "alles gegeben, was ich mir vom Leben vorstellte. Spannend, abwechslungsreich und abenteuerlich sollte es sein."

Bubendorfer begann wie besessen zu trainieren, bald waren es täglich Klimmzüge und Laufkilometer sonder Zahl. Gut trainieren ließ sich auch im Pongauer Hotel des aus Wien stammenden Großvaters Otto Knösel, das als erstes in Österreich eine Tennishalle zu bieten hatte. Der O-Vati – als Opa sah sich der bis ins hohe Alter äußerst sportliche Hotelier ungern – riet aber auch zu einem Ausgleich. "Und was hast du für deinen Kopf getan?", frug Knösel und verwies auf eine riesige Hotelbibliothek. Bubendorfer, der schon früher Buch um Buch, Abenteuerliteratur wie Karl May, verschlungen hatte, las fortan täglich 100 Seiten – William Faulkner, Saul Bellow, Klassiker, problemlos auch in englischer Sprache, weil er auf O-Vatis Betreiben die vierte Schulstufe in einem Internat in Truro, Cornwall, absolviert hatte.

Bubendorfer hat natürlich auch Bergbücher gelesen, "das war die hohe Zeit Messners, der hat tolle Sachen gemacht und auch sehr gut geschrieben damals. Und er hat Vorträge gemacht. Und da habe ich mir vorgestellt, so werde ich das auch machen." Die Eltern waren "natürlich begeistert". So begeistert, dass Bubendorfer einmal zu Weihnachten mit einem Bücherkonvolut über die Seefahrt beglückt wurde, "nur, dass ich nicht auf den Berg gehe. Das hat natürlich gar nichts genutzt."

Die elterliche Sorge um das körperliche Wohl des Sohnes hat sich nie gelegt, die Zweifel an seinem Weg schwanden. Spätestens 1984, als er eingeladen wurde, einen Vortrag zu halten. Durch den Großvater habe er erkannt, "dass es zu wenig ist, wenn ich nur Sportler bin. Das hat mir in der Folge, wie ich bekannt geworden bin, einen Anruf von IBM beschert. Was geht in Ihrem Kopf vor? Können wir von Ihnen lernen?", hätten Verantwortliche des IT-Unternehmens wissen wollen – in Monaco.

Die Tragik der Lächerlichkeit

Bubendorfer, von der französischsprechenden Mutter begleitet, war vom Fürstentum auf Anhieb begeistert, "ein Traumwetter, ein super Klettergarten, und ich schwimme ja so gerne." Da gefällt es mir, da bleibe ich jetzt, habe er gedacht. Bubendorfer nahm die billigste Wohnung, sie kostete 3500 Schilling. Nicht zuletzt auf diese Wohnsitzentscheidung führt er die Fitness zurück, die ihn noch als 53-Jährigen auszeichnet. Das Schwimmen sei im wahrsten Sinne des Wortes ein Ausgleich gewesen, vom Senkrechten in die Waagrechte, "der Mensch im Gleichgewicht funktioniert am besten. Ich habe kein Knieweh, ich habe kein Schulterweh. Ich habe nur ein steifes Fußgelenk."

Geholt hat sich Bubendorfer das 1988 bei einem Absturz aus gut 20 Metern Höhe in der Liechtensteinklamm, wenige Kilometer von St. Johann entfernt. Der hätte leicht tödlich enden können. Es passierte bei Werbeaufnahmen, eigentlich lächerlich für den Eiger-Alleingänger, der kurz davor in den Dolomiten die insgesamt 3000 Höhenmeter der Nordwände der Drei Zinnen, der Südwand der Marmolada und der Nordwestwand des Sasso Pordoi an einem Tag im seilfreien Alleingang durchstiegen hatte, von einem Hubschrauber jeweils vom Gipfel zum nächsten Wandfuß gebracht.

Bubendorfers Lehre aus dem Absturz, der neben einer langen Reha auch eine zweijährige Lebenskrise nach sich zog: "Das Gefährlichste ist, wenn man leichte Wege geht. Und wenn man es gemütlich haben will. Du musst immer aus deiner Komfortzone heraus." Am Eiger sei er jedenfalls weniger gefährdet als in der Liechtenstein-klamm gewesen, "wo einer gesagt hat, dass ich einmal die Hand herunter- und die Zunge hineingeben soll". La Lingua ist in Italien der Spitzname des Vaters dreier Kinder, sicher auch wegen seiner Sprachgewandtheit, die er in mittlerweile rund 900 Vorträgen nützte.

Bis zuletzt aufwärts

Ein Journalist hieß Bubendorfer einmal Leistungsphilosoph. Damit kann er sich anfreunden. "Ich denke darüber nach, wie man intelligent besser wird. Leistung ist das Nebenprodukt von inneren Haltungen." Besser werden, aber nicht um den Preis der Quantität, das interessiere auch seine Auftraggeber. Nach wie vor verbringt Bubendorfer viel Zeit in Wänden, in Eiswasserfällen, auf Expeditionen, arbeitet, wie er sagt, an sich selbst, trainiert Körper und Geist. Wird das immer so weitergehen? "Ja, sicher, ich werde bis zum letzten meiner Tage hinaufgehen, irgendwo – wenn ich kann." (Sigi Lützow, 29.6.2015)