Denkanstöße, damit die Stadt von morgen nicht zu einem Unort der Unmenschlichkeit wird, sind derzeit im MAK zu erlangen.

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Wien – Im Jahr 2030 wird die Erde voraussichtlich acht Milliarden Menschen tragen. Zwei Drittel davon, so die Prognosen, werden in Städten und Ballungsräumen leben. Der Horror ist ein häufig und regelmäßig skizzierter.

"Doch Megastädte sind nicht nur riesige, hoffnungslos überfüllte Moloche, sondern einigermaßen gut funktionierende Makrostrukturen, von den man sich einiges abschauen kann", sagt Pedro Gadanho. Er ist Kurator für zeitgenössische Architektur am New Yorker Museum of Modern Art (Moma).

"In gewisser Weise sind Megacitys wie Bienenwaben. Je größer die Stadt ist und je dichter die Bevölkerung, umso größer ist die Redundanz der einzelnen Stadtbausteine."

Denkanstöße aus aller Welt

Sechs dieser Bausteine widmet sich die von ihm kuratierte Ausstellung Uneven Growth – Tactical Urbanisms for Expanding Megacities, die im Rahmen der ersten Vienna Biennale derzeit im MAK zu sehen ist. New York, Rio de Janeiro, Istanbul, Lagos, Mumbai und Hongkong. Das Ungewöhnliche daran: Die Schau ist keine Zusammenstellung von bereits bestehenden Konzepten und Ideen, sondern das Resultat eines einjährigen Workshops, an dem sich zwölf Architekturbüros aus aller Welt beteiligt haben. Sie lieferten Denkanstöße, die dazu beitragen sollen, dass die Polis von morgen nicht zu einem Unort der Unmenschlichkeit verkommt.

Eine der sechs porträtierten Städte ist die nigerianische Hauptstadt Lagos. "Das ist eine der größten und zugleich am schnellsten wachsenden Städte der Welt", sagt Architekt Kunlé Adeyemi von Nleworks. "Allein, für eine Stadt dieser Größe sind der öffentliche Verkehr und die Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung weit unterentwickelt. Wir untersuchen, wie man innerhalb der bestehenden Strukturen die Lebensqualität heben kann."

Nutzung des Luftraums

Auch in Mumbai ist die Verbesserung der Lebensbedingungen ein omnipräsentes Thema. "60 Prozent der Bevölkerung leben in Slums, doch die offizielle Politik der Stadt sieht vor, alle Slums aufzulassen und das Land an private Investoren zu verkaufen", erzählen Matias Echanove und Rahul Srivastava, URBZ Architects.

"Wo sollen dann die ganzen Menschen leben? Mit unserem Projekt Reclaiming Growth wollen wir die meist flachen Slumviertel in verschiedenen Entwicklungsstufen aufwerten und nach und nach in die Höhe bauen." Durch die Nutzung des Luftraums soll der massive Druck auf Landfläche verringert werden.

"In Megacitys findet permanent Evolution statt, denn die riesigen Ballungsräume müssen notgedrungen auf äußere Umstände wie Bevölkerungswachstum, Verkehrszunahme, infrastrukturelle Engpässe, steigende Grundstückskosten und Versorgungsdefizite reagieren", sagt Gadanho. "Damit sind Megastädte ein Paradebeispiel für Resilienz, also für eine gewisse Toleranz und Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen, sowie für Flexibilität und soziale Anpassungsfähigkeit."

Daraus kann man wertvolle Erkenntnisse ziehen. Auch für europäische Städte. (Wojciech Czaja, 29.6.2015)