Willi Resetarits, einst Ostbahn-Kurti, heute Menschenrechtsaktivist, wohnt in Wien-Floridsdorf. Zum Wohnen, sagt er, gehören die Geschichten. So wie die vom alten Sautanz-Tisch. Wojciech Czaja hat zugehört.

"Als das Haus gebaut wurde, war ich zehn, zwölf Jahre alt. Mein Vater war gelernter Maurer. Wie die meisten Häuser hier wurde auch dieses mit alten Abbruchziegeln errichtet. Statt neues Baumaterial zu kaufen, was man sich damals eh nicht leisten konnte, hat man sich einen Lkw mit Bau- und Kriegsschutt bringen lassen. Meine Mutter hat den alten Mörtel und Putz abgeschlagen, ich war dann der sogenannte 'Zuaroacher' und hab meinem Vater die Ziegel in den ersten Stock hochg'schupft. Und ich hab mich dabei so richtig als junger Erwachsener g'fühlt.

Willi Resetarits hat schon in vielen Wohnungen gewohnt, heute hat er es am liebsten warm, bunt und gemütlich. Der Tisch im Hintergrund stand früher in einem Gasthaus.
Foto: Lisi Specht

Die Gegend, wo ich wohne, heißt Bruckhaufen. Einst gehörte das Land dem Stift Klosterneuburg und wurde armen Leuten als Grabeland zur Verfügung gestellt, damit sie hier Sachen zum Essen anbauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Leute angefangen, sich illegal niederzulassen, so wurde die Gegend zugebaut. 1958 dann auch von uns.

Die Gegend hat sich stark gewandelt. Ich kann mich noch an die ersten Jahre erinnern. Rundherum war alles Mülldeponie. Mit dem Bau des Donauturms und des Donauparks sind die Ratten und der Gestank verschwunden, und die einstige Arme-Leute-Gegend wurde immer feiner. Heute wird viel Spekulation betrieben. Trotzdem – mit dem richtigen Blick kann man noch gut erkennen, was das typische Bruckhaufner Häusl ist: drei Fenster, flaches Dachl und eine außenliegende Holztreppe, die in den Dachboden hochführt.

2002 habe ich das Haus von meiner Mutter übernommen. Ich habe Wände weggerissen, Fenster vergrößert, Durchbrüche reingemacht und die Garage zu einer Küche ausgebaut. Auf dem Dach haben wir Sonnenkollektoren installiert. Außerdem heizen wir mit drei kleinen Holzöfen, die wir uns erhalten haben, und mit einem modernen Kachelofen im Wohnzimmer. Das Holz kommt von meinem sehr, sehr kleinen Wald im Südburgenland.

Ich habe schon in vielen Wohnungen gewohnt, einmal sogar in einer richtigen Schöner-wohnen-Wohnung in den Achtzigerjahren. Das war schon toll, und tatsächlich, man konnte darin sogar wohnen! Doch das hab ich hinter mir. Heute hab ich's gern warm und bunt und gemütlich, auch auf die Gefahr hin, dass das vielen nicht gefällt. Macht nix. Mir g'fallt's. Der Esstisch beispielsweise stammt aus einem alten Gasthaus. Das ist ein Sautanz-Tisch, auf dem man meist den Speck geschnitten hat. Die Messerspuren in der Holzplatte sieht man noch. So hat jedes Möbel seine eigene Geschichte.

In gewisser Weise sind das auch jene Werte, um die ich mich in unserem Integrationshaus bemühe. Die Flüchtlinge, die wir aufnehmen, haben oft so viel Schreckliches erlebt, dass Gemütlichkeit, die Möglichkeit zum Rückzug und eine eigene Kochstelle oft der erste Schritt zur Normalisierung sind. Wir haben 110 Betten für Familien und drei Wohngemeinschaften für unbegleitete Minderjährige. Die meisten Flüchtlinge sind froh, dass sie bei uns sind. Die Wartelisten sind lang. Wir sind immer auf der Suche nach günstigen Wohnungen.

Die aktuelle innenpolitische Situation in Österreich ist eine Katastrophe. Die Aussagen zum Asylverfahren, die unlängst zu hören waren, haben vieles, was wir erreicht haben, auf einen Schlag zunichtegemacht. Gerade jetzt müsste man viel guten Willen an den Tag legen. Das Gegenteil wird gemacht. Das ist entsetzlich.

Was ich mir für die Zukunft wünsche: einen respektvollen Umgang mit jugendlichen Flüchtlingen, einen Arbeitsmarktzugang für Asylwerber und Hilfe bei der Wohnungssuche. Und was ich mir persönlich wünsche: Ich will gesund bleiben und meine Pension genießen. Aber ruft die Bühne, werd' ich da sein." (20.7.2015)