Vermehrung vor 565 Millionen Jahren, rekonstruiert auf Grundlage von Fossilien aus Kanada: Die großen Individuen sind die ersten Kolonisatoren, um die sich Kinder und Kindeskinder ansiedeln. Darunter Fossilien der Spezies Fractofusus.

Illustration: C. G. Kenchington
Foto: EG Mitchell

Cambridge/Wien – Womöglich waren sie die ersten Tiere des Planeten. Über den Status der Rangeomorpha ist sich die Forschung allerdings nach wie vor uneins. Unstrittig ist, dass diese frühen komplexen Lebewesen im sogenannten Ediacarium lebten, vor 580 bis 541 Millionen Jahren.

Einige Vertreter der im Meer lebenden Organismen sahen aus wie Farnblätter und konnten bis zu zwei Meter lang werden. Nach allem, was man aus fossilen Funden weiß, hatten die Vertreter der Rangeomorpha weder Organe noch eine Mundöffnung oder Extremitäten, um sich zu bewegen.

Da diese Organismen vor 540 Millionen Jahren allerdings mit einem Mal verschwanden, ist die Rekonstruktion ihrer Lebensweise extrem schwierig, da man auch keine Verbindungslinien zu "moderneren" Lebensformen herstellen konnte. "Es gibt keine Fossilien, die den Rangeomorpha entfernt ähnlich wären", sagt Emily Mitchell von der Universität Cambridge. "Und genau das macht sie zu so einem Mysterium."

So ist nach wie vor unklar, wie sie sich ernährten. In Sachen Vermehrung hat ein Team um Emily Mitchell nun aber konkrete Vermutungen, die im Fachblatt "Nature" veröffentlicht wurden. Mitchell und Kollegen analysierten Fossilien der Rangeomorpha-Art Fractofusus, die vor 565 Millionen Jahren lebte und deren Überreste sich im Südosten der kanadischen Insel Neufundland fanden.

Die aufwendigen Berechnungen ergaben, dass die Lebewesen über eine erstaunlich komplexe Strategie bei der Vermehrung verfügten. Die Forscher vermuten, dass sich die Großelterngeneration wie zufällig in der Umgebung ansiedelte, um die herum sich dann die kleineren Eltern und Kinder gruppierten.

Diese Muster ähneln stark der Vermehrung moderner Pflanzen – und legen eine Doppelstrategie nahe, vergleichbar der heutiger Erdbeeren: Diese können sich sowohl ungeschlechtlich (über die Wurzeln) wie auch geschlechtlich (über die Nüsschen der Früchte) reproduzieren.

Für Emily Mitchell liegt darin auch das Erfolgsrezept der Rangeomorpha: "Sie konnten erstens neues Areal kolonisieren und sich zweitens dort sofort ausbreiten." (Klaus Taschwer, 4.8.2015)