Die Gewerkschaft zauberte anlässlich Mariä Himmelfahrt mit der Feiertagsfrage einen Klassiker des politischen Grabenkampfes aus dem Hut. Die aktuelle Forderung: Jene Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, sollen am darauffolgenden Montag nachgeholt werden. Sowohl der Wunsch der Arbeitnehmerseite nach mehr Freizeit als auch entgegengesetzte Vorstöße der Arbeitgeber liegen im jeweiligen ureigensten Interesse und haben eine lange Tradition. Ein Einordnungsversuch.

Frage: Stimmt es, dass in manchen europäischen Ländern Wochenendfeiertage auf den Montag verschoben werden?

Antwort: Stimmt tatsächlich. Fällt beispielsweise in Großbritannien der Neujahrstag auf ein Wochenende, wird er am folgenden Montag nachgeholt. Selbiges gilt für den 26. Dezember ("Boxing Day"). Und um sicherzustellen, dass auch wirklich beide Weihnachtstage frei sind, wird der Christtag, fällt er auf ein Wochenende, am darauffolgenden Dienstag nachgeholt.

Frage: Wie viele fallen denn in Österreich auf ein Wochenende?

Antwort: Zwei auf jeden Fall: Oster- und Pfingstsonntag. Manche finden dagegen jedes Jahr am selben Werktag statt: Der Ostermontag sowie die Donnerstagsfeiertage Christi Himmelfahrt (39 Tage nach dem Ostersonntag) und Fronleichnam (60 Tage nach dem Ostersonntag). Der Rest ist beweglich, fällt also je nach Jahr immer auf einen anderen Wochentag.

Frage: Wie viele Feiertage gibt es in Österreich genau?

Antwort: Gesetzlich festgeschriebene: 13. Tatsächlich gibt es hierzulande aber noch mehr zu feiern: Mit ihren neun unterschiedlichen Bestimmungen kommen fast alle Bundesländer auf 17 Feiertage pro Jahr, Kärnten sogar auf 18. Zehn der 13 gesetzlichen Feiertage sind übrigens kirchlich. Nur Neujahr, der Staatsfeiertag und der Nationalfeiertag sind "weltlich". Tage wie der 24. und der 31. Dezember sind keine gesetzlichen Feiertage, können aber branchenabhängig in Kollektivverträgen verankert werden. Für Angehörige mancher Glaubensgemeinschaften gelten darüber hinaus auch der Karfreitag (unter anderem Evangelische Kirchen) oder Jom Kippur (Israelitische Glaubensgemeinschaft) als arbeitsfreie Tage mit Lohnfortzahlung.

Frage: Liegt Österreich bei der Anzahl der Feiertage im Spitzenfeld der europäischen Staaten, wie das die Wirtschaftskammer behauptet?

Antwort: Wir liegen gemeinsam mit Portugal ex aequo auf dem zweiten Platz. Spitzenreiter ist Finnland mit 14 arbeitsfreien Feiertagen. Deutschland liegt mit deren neun im unteren Mittelfeld. Noch weniger Feiertage gibt es in Großbritannien mit acht und in den Niederlanden mit sieben Tagen. Weltweit liegt ein lateinamerikanisches Land vorn: Die Argentinier genießen insgesamt 19 arbeitsfreie Tage.

Frage: Und beim Urlaubsanspruch?

Antwort: In der EU gibt es für Arbeitnehmer laut einer Studie der EU-Forschungsagentur Eurofund durchschnittlich 25,4 Tage Urlaub pro Jahr. Deutsche, Franzosen und Dänen haben mit je 30 Tagen am meisten. Österreich liegt mit seinen 25 Urlaubstagen fast genau im Mittel.

Frage: Wir sind also bei Urlaub und Feiertagen nicht Europameister, wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl einmal gesagt hat?

Antwort: Bei der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit, die Faktoren wie Überstunden und Abwesenheit durch Urlaub oder Feiertage berücksichtigt, liegt Österreich mit durchschnittlich 40 Arbeitsstunden je Vollzeitbeschäftigten über dem EU-Durchschnitt von 39,5 Stunden. Am längsten arbeiten mit 41,2 Stunden übrigens die Rumänen.

Frage: Wie bedeutend ist die Anzahl der Feiertage für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes?

Antwort: Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Anzahl an Feiertagen und der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ist nicht belegt. Zählt man Urlaub und Feiertage zusammen, so haben Russen mit 40 Tagen am meisten Freizeit. Auch Dänemark und Deutschland, derzeit für seine Wettbewerbsfähigkeit gelobt, kommen auf diesen Wert. Malta (37) und Italien (37) liegen im Bereich von Österreich mit seinen 25 Urlaubs- plus 13 Feiertagen. Mehrere andere Länder liegen mit 35 beziehungsweise 34 Anspruchstagen knapp dahinter.

Frage: Geht es also bei der Feiertagsdebatte weniger um wirtschaftliche Fakten als um ideologische Grundsätze?

Antwort: Nicht nur. Arbeitgeber wollen naturgemäß ihre Kosten senken und Arbeitnehmer eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen erwirken. Die Industriellenvereinigung, die in regelmäßigen Abständen die Abschaffung eines Teils der Feiertage fordert, versuchte es 2013 mit einer anderen Idee: Die Donnerstagfeiertage sollten auf den Freitag verschoben werden, um "Fenstertage" einzusparen. Mehrheitsfähig ist eine Freizeitverkürzung in Österreich aber nicht, auch nicht innerhalb der ÖVP. "Was kommt als Nächstes? Die Mittagspause auf den Abend verlegen?", kommentierte ÖAAB-Obfrau Johanna Mikl-Leitner damals den Vorstoß der Industrie.

Auch als im Jahr 2004 Karl-Heinz Grasser als von der ÖVP nominierter Finanzminister forderte, zwei Feiertage abzuschaffen, brach eine Welle der Empörung über ihn herein. Die kam nicht nur von der Opposition, Arbeitnehmer- und Kirchenvertretern, sondern auch aus den eigenen Reihen.

Frage: Gilt das auch für alle möglichen Änderungen?

Antwort: Zumindest bei einem Feiertag treten die ideologischen Trennlinien dann doch klar zutage: Nachdem Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) vergangenes Jahr die Abschaffung des freien 1. Mai und im Gegenzug einen Feiertag der Familie am 15. Mai forderte, hagelte es Kritik von der SPÖ. Die jetzige Gesundheitsministerin und damalige ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser sprach von "einem Anschlag auf die Arbeitnehmer und ihre Anliegen und wohlverdienten Rechte".

Frage: Hat sich also trotz der wiederkehrenden Debatte in den vergangenen Jahren in Wahrheit nichts geändert?

Antwort: Doch, teilweise. Das Offenhalten der Geschäfte am 8. Dezember, Mariä Empfängnis, ist zum Beispiel längst alltäglich geworden. Auch in der Frage der Sonntagsöffnung, die alle Jahre wieder mit Beginn des Weihnachtsgeschäfts die Gemüter erhitzt, hat sich einiges getan. Zumindest punktuell, etwa in Tourismusgebieten, ist die Sonntagsruhe nicht mehr unumstritten. Sonn- und Feiertage – weniger deren Anlass als der Effekt des arbeitsfreien Zeit – waren und sind also ein hochemotionales Thema. (Simon Moser, 17.8.2015)