Wien/Graz/Salzburg – Die Universitäten Wien, Graz und Salzburg haben nun einen Spezialforschungsbereich an Land gezogen, mit dem sie sich die kommenden acht Jahre lang mit dem Wandel der deutschen Sprache in Österreich beschäftigen. An dem Projekt werden rund zwei Dutzend Forscher mitarbeiten, neben Germanisten auch Slawisten und Computerlinguisten, teilte die Universität Salzburg mit.

"Deutsch in Österreich" (DiÖ) ist heuer der einzige Spezialforschungsbereich, der zum Zug gekommen ist. Was soll damit genau erforscht werden? "Es gibt in Österreich zwar exzellente Dialekt-Atlanten, wie z. B. den 'sprechenden' Sprachatlas 'Deutsche Dialekte im Alpenraum'. Was bisher aber fehlt, ist eine Gesamterhebung für ganz Österreich mit einer einheitlichen Methode", erläuterte der Salzburger Germanist Stephan Elspaß seinen Part am Projekt. Die Forscher gehen von der Hypothese aus, dass sich die Dialekte einerseits durch den Einfluss der Standardsprache wandeln und dass sich andererseits die Dialekte gegenseitig stark beeinflussen.

Generationenvergleich

Elspaß hat zwei Teilprojekte des Projektes nach Salzburg geholt. So leitet er federführend eines der drei großen Teilprojekte, das den Titel "Variation und Wandel dialektaler Varietäten in Österreich" trägt. Mit der Befragung von zwei Altersgruppen, älteren und jungen Sprechern, wollen die Forscher Unterschiede zwischen Dialekten flächendeckend von Vorarlberg über Salzburg bis Wien dokumentieren und ihre Veränderungen untersuchen.

Das Team wird die Erhebung an 40 Ortspunkten durchführen; geplant sind in einem zweiten Förderungsabschnitt Aufnahmen an weiteren 100 Orten. Der Generationenvergleich soll Aufschluss über den Sprachwandel geben, sowohl in Bezug auf den Wortschatz (z.B. Frühjahr/Frühling/Auswärts/Länzing), die Aussprache (z.B. unterschiedlich ausgesprochene "l"- Laute), Akzente oder die Grammatik (z.B. unterschiedliche Wortstellungen).

Keine Angst vor Aussterben der Dialekte

Die Gefahr, dass die Dialekte aussterben, wie er für Deutschland befürchtet, sieht Elspaß für Österreich nicht unmittelbar. Gewissheit werde aber erst die Forschung bringen. "Immerhin gibt es auch Gegenbeispiele, wo – wie in der Schweiz – Dialekte sehr lebendig sind und ein gutes Image haben. Es könnte aber auch sein, dass Österreich einen dritten Weg geht, auf dem – aus Standardsprache und Dialekt gespeist – langfristig neue regionale Dialekte entstehen bzw. sich verfestigen. Das wollen wir herausfinden."

Mit "Deutsch in Österreich" verbindet Elspaß auch ein gesellschaftspolitisches Anliegen: "Die Ergebnisse des Projekts sollen eine bessere Grundlage für das Wissen um die sprachlichen Gegebenheiten in Österreich schaffen, um so klarer zu sehen, wie verschiedene Sprachen und Varietäten wahrgenommen und eingeschätzt werden." Die Wahrnehmung und Bewertung der sprachlichen Vielfalt steht im Mittelpunkt einer Gruppe von Teilprojekten, die unter dem Titel "Deutsch in den Köpfen" zusammengefasst sind.

"Es gibt keinen Sprachverfall"

Zudem wollen die Forscher mit ihren Untersuchungen auch dazu beitragen, hartnäckigen Mythen wie dem vom Sprachverfall entgegenzuwirken. "Es gibt keinen Sprachverfall, auch wenn selbst ernannte Sprachmahner ihn immer wieder heraufbeschwören. Sie sollten beispielsweise nur einmal bedenken, dass sie selber ja auch nicht mehr so reden und schreiben wie ihre Vorfahren – das aber vermutlich nicht als Verfall deuten würden. Sprache ist etwas, das sich mit seinem Gebrauch ständig wandelt. Aufklärung ist Teil unserer wissenschaftlichen Arbeit." (APA, 18. 8. 2015)