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Die Organisation Ärzte ohne Grenzen stellt der Flüchtlingsbetreuung in Traiskirchen ein fatales Zeugnis aus.

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In Traiskirchen leben Asylwerber nach wie vor teilweise in Zelten. Geburten im Freien hat es laut Innenministerium nicht gegeben.

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Wien/Traiskirchen – Nach Amnesty International beschreibt auch ein Bericht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen die Zustände in Traiskirchen. Das Urteil fällt ähnlich verheerend aus: Die Unterbringung sowie das Angebot an sanitären Anlagen sei für die Flüchtlinge "unmittelbar gesundheitsschädigend". Die Versorgung in medizinischer und psychologischer Hinsicht sei "völlig unzureichend". Ärzte ohne Grenzen hatte Traiskirchen nach mehreren Anlaufversuchen zweimal im August besucht.

So seien Schwangere "teilweise unter inakzeptablen Bedingungen in Zelten untergebracht". Laut der Organisation hätten Lagerbewohner und private Helfer auch von Geburten im Freien sowie von Totgeburten erzählt. Die Duschen seien ohne Vorhänge oder Türen "vollkommen frei einsehbar". Laut dem Bericht gibt es zudem viel zu wenige Toiletten.

Insgesamt seien elf Ärzte, die bei der Betreiberfirma ORS unter Vertrag stehen, im Lager tätig. Wochentags zwischen 9 und 17 Uhr müssen laut Ärzte ohne Grenzen vier praktische Ärzte anwesend sein, in der Nacht gebe es kein medizinisches Personal vor Ort. Zudem hätten Bewohner und private Helfer von 17 Selbstmordversuchen berichtet, so Ärzte ohne Grenzen.

Innenministerium: Es gab keine Geburten im Freien

Der Bericht von Ärzte ohne Grenzen ist schon am Montagabend im Innenministerium eingelangt. Am Dienstagvormittag gab es eine erste Nachbesprechung mit der Organisation. Derzeit werde der Bericht laut Innenministerium mit der Gesundheitsbehörde erörtert.

Ein Sprecher des Innenministeriums dementierte im Gespräch mit dem STANDARD, dass es Geburten im Freien sowie Totgeburten in Traiskirchen gegeben habe. Bestätigen könne man lediglich eine Entbindung Mitte August in einem herbeigerufenen Krankenwagen innerhalb des Lagers. Ob die Frau zuvor in einem Zelt schlafen musste oder obdachlos war, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Keine Ärzte in der Nacht vor Ort

Richtig sei laut Innenministerium auch, dass die Arztstation in Traiskirchen nicht rund um die Uhr besetzt sei. In der Nacht gebe es kein medizinisches Personal vor Ort. Die Asylwerber seien aber im rechtlichen Rahmen krankenversichert, die medizinische Versorgung sei durch Notärzte und Rettung, die gerufen werden könne, gewährleistet. Im Lager leben rund 3.500 Personen.

Um Traiskirchen zu entlasten, hat Wiens Bürgermeister Michael Häupl dem Innenministerium vergangene Woche angeboten, alle unbegleiteten Kinder aus dem Lager zu übernehmen und in Wien in adäquaten Quartieren unterzubringen. Seither ist ein Streit mit dem Innenministerium entbrannt, weil teilweise Kinder, die die Stadt Wien abholen wollte, nicht überstellt werden konnten. Am Montag seien es laut Fonds Soziales Wien fünf minderjährige Burschen gewesen, die beim Abholtermin nicht anzutreffen waren.

Entscheidung über Quartier Erdberg ausständig

Auch die Verwaltung des großen Asyl-Bundesquartiers in Wien-Erdberg könnte Wien übernehmen, bot Häupl vergangene Woche dem Innenministerium an. Am Dienstag sagte Häupl: "Ich erneuere mein Angebot." Denn nach wie vor gibt es darüber keine Entscheidung. Am Dienstag hieß es aus dem Innenministerium, man sei noch "im Gespräch". Eine Entscheidung könne aber "relativ schnell" fallen. (David Krutzler, 25.8.2015)