Der Mietermix ist im Seestern so bunt wie das Arbeitsumfeld: Hier sitzen eine Schiffsmanagerin, ein Tontechniker sowie Fotografen nebeneinander. Einige Plätze gilt es aber noch zu füllen, damit sich Co-Working hier auszahlt.

Foto: Philipp Naderer

Tausende Menschen leben schon in der Seestadt Aspern. Nur ein Bruchteil von ihnen arbeitet jedoch hier – dabei ist es der Mix aus Wohnen und Arbeiten, der den Unterschied zwischen Satellitenstadt und gelungener Stadterweiterung ausmacht. "In diesem Punkt hinkt die Seestadt noch hinterher", urteilt Philipp Naderer, Mitglied der Baugruppe Seestern, die Anfang August ihr neues Zuhause bezogen hat.

Lange hat sich die Gruppe mit der Frage auseinandergesetzt, wie sie dem Erdgeschoß ihres Projekts Leben einhauchen kann. Nach vielen Diskussionen einigte man sich darauf, es mit einem Co-Working-Angebot an die Seestadt zu versuchen – das erste seiner Art hier.

205 Euro im Monat

"Wir wollten unser Haus auch nach außen öffnen", erklärt Luiza Puiu, eine der Bewohnerinnen, die die Idee von Anfang an befürwortet hat. Denn nicht nur Seestern-Bewohner, auch externe See- beziehungsweise Donaustädter sollen damit angesprochen werden. 205 Euro kostet ein Fixplatz monatlich, auch halbe Plätze werden vergeben. Dieser Preis sei günstiger als bei vergleichbaren Angeboten in der Innenstadt, sagt Naderer. Der Verein Seestern, der die Flächen betreibt, sei nämlich nicht auf Profit ausgerichtet.

Auf Service, der bei Projekten in der Innenstadt dazugehört, muss dafür aber verzichtet werden: Das Glasfaserinternet muss sich jeder selbst einrichten, die eigenen Möbel mitgebracht werden. Rezeptionisten gibt es keine. Das Co-Working soll möglichst unkompliziert nebenbei laufen und die zwölf Plätze auf insgesamt 175 Quadratmetern bald voll sein, wünschen sich die Seestern-Bewohner.

Bisher sind die Plätze erst zur Hälfte vergeben. Die weißen Regale im Eingangsbereich sind beim STANDARD-Lokalaugenschein noch weitgehend leer. Mit einem Schild, auf dem "Willkommen im Coworking Seestern Aspern" steht, werden Interessenten begrüßt, die laut Naderer nun, da die ersten Co-Worker eingezogen sind, immer öfter vorbeikommen.

40 Plätze im Seeparq

Der Mietermix ist bunt: Die britische Schiffsmanagerin Sue Obermoser hat sich ebenso eingemietet wie Roland Thurner, der Online-Tontechniker-Kurse anbietet und auf Synergien mit Gleichgesinnten hofft. Obermoser will künftig Wohnen und Arbeiten besser trennen können.

Nicht weit vom Seestern, im Baugruppen-Projekt JAspern, feilt der Architekt Fritz Oettl ebenfalls gerade an einem Co-Working-Konzept. Auch für JAspern seien bereits solche Flächen in Betracht gezogen werden, berichtet er: "Das war uns aber damals zu riskant."

Im Projekt Seeparq, das Oettl mit seinem Unternehmen Cofabrik nun entwickelt, sind solche Arbeitsflächen aber jetzt fix eingeplant: Neben 45 freifinanzierten Wohnungen im Eigentum wird es auch einen Co-Working-Space mit 40 Plätzen in Erdgeschoß und erstem Obergeschoß auf insgesamt 800 Quadratmetern geben. Derzeit befindet sich das Projekt in der Seestadt in Planung, wenn alles gutgeht, soll es Ende 2017 bezogen werden.

"Management unabdingbar"

Unter 300 bis 400 Quadratmetern Fläche mache Co-Working keinen Sinn, sagt Oettl – aus ökonomischen Gründen und weil bei kleineren Flächen das Netzwerk, von dem die Mieter profitieren wollen, fehlt.

Noch etwas sei unabdingbar: ein Management, das sich um die richtige Auswahl der Mieter kümmert. "Das funktioniert sonst nicht", sagt er. Im Seeparq soll es außerdem auch einen thematischen Fokus der Co-Worker geben, den Oettl aber noch nicht verraten will.

Nur einen Steinwurf entfernt biegt die Baugruppe LiSA demnächst in die Zielgerade ein. Sie hat in einem Nebenhaus noch zwei Ateliers mit 60 beziehungsweise 90 Quadratmetern im Angebot. Ein "flexibel nutzbarer Gewerbebereich" sei das, sagt Oliver Auer von LiSA, der auch für Büros, Bildungseinrichtungen oder Ähnliches genutzt werden könne und internen sowie externen Interessenten offen stehe.

Weiter Weg

Auch eine kleinteiligere Nutzung sei möglich, heißt es auf der Webseite der Baugruppe – der Bedarf an Co-Working sei derzeit aber in der Seestadt wohl gedeckt, meint Auer: "Kategorisch ausschließen würde ich eine solche Nutzung längerfristig aber nicht." In diesem Fall sei aber ein Hauptmieter zu finden. "Uns fehlen derzeit die Ressourcen, um eine derartige Vermietung auch noch selbst zu organisieren", sagt Auer.

Bis sich Co-Working in der Seestadt etabliert hat, ist es noch ein langer Weg – das wissen auch die Bewohner. Die Anbindung an die Stadt lasse noch zu wünschen übrig, sagen manche. Nur jede zweite U2-Garnitur fährt derzeit bis in die Seestadt, die Busse zur Aspernstraße sind zu Stoßzeiten brechend voll.

Plan B: Wohnungen

"Wir brauchen mindestens zehn Mieter, damit sich das auszahlt", sagt Naderer mit Blick auf das Co-Working-Projekt im Seestern. Angst davor, dass das Angebot nicht angenommen wird, gab es durchaus, berichtet Puiu: "Aber genau das ist es, was der Seestadt bisher gefehlt hat." Denn es gäbe hier viele Selbstständige und Menschen, denen ihre Work-Life-Balance wichtig ist.

Während der Planungsphase gab es jedoch auch einen Plan B, falls die Idee am Ende doch nicht aufgeht: Aus den Flächen im Erdgeschoß wären dann einfach zwei Wohnungen geworden. Für Naderer ist so eine Alternative mittlerweile aber keine Option mehr. Zwei identische nebeneinanderliegende Wohnungstüren, die vom Stiegenhaus ins Co-Working hineinführen, erinnern aber noch daran. (Franziska Zoidl, 8.9.2015)