Bild nicht mehr verfügbar.

Argumentative Aufräumarbeit in Sachen Klimawandel: Die Wissenschaftshistoriker Naomi Orsekes und Erik M. Conway rekonstruieren in einer fiktiven Chronik, wie wir den Klimakollaps nicht verhinderten.

Foto: AP Photo/Aaron Favila

Naomi Oreskes und Erik M. Conway, "Vom Ende der Welt. Chronik eines angekündigten Untergangs". € 10,20 / 121 Seiten. Oekom, München, 2015

Foto: Oekom

Die Zeichen stehen gar nicht gut für die 21. UN-Klimakonferenz, die am 30. November in Paris beginnen wird. Das Treffen soll neue internationale Klimaschutzvereinbarungen in Nachfolge des Kioto-Protokolls aus dem Jahr 1997 bringen. Doch von einer vernünftigen Einigung scheint man weit entfernt: Erst vor wenigen Tagen kritisierte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon das "Schneckentempo" bei den Vorverhandlungen.

Dabei nahm zuletzt sogar der Papst in seiner im Juni veröffentlichten Enzyklika "Laudato si'" mit klaren Worten Stellung: Die globale Erwärmung wird darin als eine der wichtigsten Herausforderungen bezeichnet, der Treibhausgasausstoß sei drastisch zu reduzieren, man müsse aus der Verbrennung fossiler Energieträger aussteigen.

Einige Wochen später behauptete dann die neue Umweltsprecherin der FPÖ im Parlament mehr oder weniger dreist, "dass es keinen wissenschaftlichen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen der CO2-Konzentration in der Luft und der Veränderung des Klimas gibt". Ihr sekundierte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache beim ORF-Sommergespräch und säte abermals Zweifel am menschengemachten Klimawandel.

Schwierige Kommunikation

Die Kommunikation des Klimawandels und der Dringlichkeit des Problems ist weder für die Wissenschaft noch für die Medien und die Politik trivial. Neben der Ermüdung, ständig darüber zu hören, sorgen wissenschaftliche Unsicherheiten, die es in konkreten Fragen nach wie vor gibt, für Dissens darüber, was die beste Strategie sei: Während Marcia McNutt, Geophysikerin und Herausgeberin des US-Wissenschaftsmagazins "Science", kürzlich in einem Leitartikel argumentierte, dass die "Zeit für Diskussionen" vorbei sei, warnte Physiker Steven Koonin, ehemaliger wissenschaftlicher Berater von US-Präsident Barack Obama, im "Wall Street Journal" davor, einen Schlussstrich zu ziehen: Die Klimaforscher seien noch lange nicht in allem sicher.

Die in den USA zurzeit einflussreichste Vertreterin der Position McNutts ist Naomi Oreskes, promovierte Geologin und seit 2014 Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Harvard University. Weil sie besonders engagiert gegen Klimawandelskepsis auftritt, wurde sie von der "New York Times" in einem großen Porträt kürzlich zum "Blitzableiter" der Klimaforschung erklärt.

Das erste Mal war Oreskes damit 2004 erfolgreich: Sie zeigte in einem kurzen Artikel in Science, dass von 928 begutachteten Fachartikeln zum Thema Klimawandel von 1993 bis 2003 kein einziger das Faktum in Zweifel zog. Ein noch größerer Aufreger war ihr mit Erik M. Conway verfasstes Buch "Merchants of Doubt" (2010, auf Deutsch: "Die Machiavellis der Wissenschaft", 2014), in dem sie Beziehungen zwischen wissenschaftlichen Klimawandelskeptikern und der Energieindustrie aufdeckte. Anfang 2015 kam eine Filmversion des Buchs in die Kinos.

Noch ein Schäuflein legt das Autorenduo in seinem aktuellen Büchlein "Vom Ende der Welt" nach – und in einer für Wissenschafter ungewöhnlichen Form. Oreskes und Conway blicken in Form einer fiktiven Chronik, die aus dem Jahr 2393 stammt, auf den Untergang der westlichen Kultur zurück, deren Ende im Jahr 2093 durch dramatische Folgen der Erderwärmung besiegelt wurde.

Dramatisches Szenario

Das Szenario der großen Klimakatastrophe wird im Buch nur angedeutet: Der Temperaturanstieg führt zu einer dramatischen Kettenreaktion, der Meeresspiegel steigt noch im 21. Jahrhundert um acht Meter, es kommt zu Massenmigrationen, Australien und Afrika werden entvölkert. Anders als der deutsche Buchtitel suggeriert, geht es nicht um das Ende der Welt: Die Menschheit wird trotz schwerer Verluste überleben, allerdings in einer anderen politischen Ordnung als in den USA und Europa heute. Entsprechend heißt der englische Buchtitel auch "The Collapse of Western Civilization".

Das ist leider nicht das einzige Übersetzungsproblem der deutschen Ausgabe. So bezeichnet das Autorenduo unserer Zeit als die penumbrale Ära, also die des Halbschattens – ein Wortspiel mit dem Age of Enlightenment, also dem Zeitalter der Aufklärung. Für Oreskes und Conway ist die düstere Zukunft nämlich nur der Aufhänger, um im Stile der großen Satiriker darüber zu räsonieren, aber auch in der Tradition eines Jonathan Swift oder George Orwell gehörig zu spotten, warum man es rund um die Jahrtausendwende verabsäumte, geeignete Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Der Kohlenstoffverbrennungskomplex

Auch die Wissenschaft bekommt da ihr Fett ab: Man habe sich zu lang an zu strenge Wahrscheinlichkeiten gehalten und so rechtzeitige Maßnahmen verhindert. Als die Hauptschuldigen am Kollaps werden aber der Marktfundamentalismus und der sogenannte Kohlenstoffverbrennungskomplex entlarvt, also einerseits die mächtige Lobby, die für die Produktion und Nutzung fossiler Energie eintritt, und andererseits neoliberale Vordenker, die ganz auf den Markt vertrauten – auch wenn Friedrich August von Hayek selbst bereits argumentierte, dass zum Schutz der Umwelt staatliche Eingriffe in den Markt legitim seien, wie das Autorenduo nicht verschweigt.

So folgt am Ende noch eine besonders ätzende Pointe: Als einzige Weltmacht bleibt im 24. Jahrhundert das neokommunistische China übrig, das die Klimakatastrophe dank der Stärke der staatlichen Regierung weit besser überstand als der Westen. (Klaus Taschwer, 14.9.2015)