Kugler kämpft gegen Diskriminierungsverbote für Angehörige der LGBTQ-Community

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Besonders überzeugt von den Inhalten ihrer Partei ist ÖVP-Kandidatin Gudrun Kugler offenbar nicht. "Trotz allem ist die ÖVP die beste Wahl für Christen", lautet der offizielle Slogan der 38-jährigen Juristin, die gute Chancen auf den Einzug in den Wiener Landtag hat. Sie selbst spürt einen "überwältigenden Zuspruch" aus der Bevölkerung.

Das dürfte vor allem an jenen Menschen liegen, die genau wissen, was Kugler mit ihrem "Trotz allem"-Slogan meint: Sehr gläubige Christen, die sich enttäuscht über liberale Tendenzen in der ÖVP zeigen. Beobachtet man Kuglers Wahlkampfstrategie, tauchen vor allem Themen wie Homo-Ehe, Schwangerschaftsabbruch und der Kampf gegen Sterbehilfe auf.

"Moderne Christenverfolgung"

Besonders der Fall der US-Amerikanerin Kim Davis beschäftigt Kugler: Die Beamtin weigerte sich mit Verweis auf ihren christlichen Glauben, Eheurkunden an homosexuelle Paare auszustellen. Dafür musste Davis kurzzeitig ins Gefängnis, vorläufig dürfen andere Mitarbeiter die Urkunden ausstellen. Für Kugler ist Davis ein Paradebeispiel für die moderne Christenverfolgung.

Sie kämpft vehement gegen das sogenannte "Levelling-up", das homosexuellen Paaren gleiche Rechte gegen Diskriminierung verleiht. Dabei schreibt Kugler auf ihrer offiziellen Facebook-Seite über Davis, dass diese vor einem "Patt Gewissen gegen Gesetz" gestanden sei. "In der Geschichte gab es oftmals solche Situationen, wir erinnern uns an jene, die ihrem Gewissen treu geblieben sind", schreibt Kugler. Auf Nachfrage verweist sie etwa auf Grenzhelfer, die Flüchtlinge in ein Land bringen – und "formell betrachtet" auch gegen das Gesetz verstoßen.

Hitzige Diskussionen

In einer anderen Diskussion mit Nutzern taucht beim Fall Davis die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf. "Für das Halten an Gesetze!", schreibt eine Nutzern über Davis, denn: "Der IS spielt in letzter Konsequenz auch Religions-, Gewissens- und Meinungsfreiheit." Das sieht Kugler anders: "Nein, das tut der IS gewiss nicht. Im Gegenteil, wer nicht zustimmt, muss weg. Wie in diesem Fall die arme Kim Davis." Kugler bestreitet vehement, Davis damit auf eine Stufe mit IS-Opfern setzen zu wollen. "Der IS verstößt auf schlimmste Art gegen alle Menschenrechte. Europa ist weltweit Vorbild für die Einhaltung der Menschenrechte. Und das soll so bleiben, auch im Bereich Gewissensrechte", sagt Kugler auf Anfrage des STANDARD.

Standesbeamte mit Gewissensklausel?

Kugler will, dass auch in Wien Standesbeamte die Begründung eingetragener Partnerschaften mit Verweis auf ihren christlichen Glauben ablehnen dürfen. "Eine Gewissensklausel wie z.B. bei der Abtreibung" sei eine praktikable Lösung. Der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka erklärt, dass es zu dieser Frage "keine Parteilinie" gebe.

Kugler war bereits vor einigen Wochen heftig von LGBTQ-Vertretern kritisiert worden. Die ÖVP-Kandidatin hatte in der Zeitschrift "Couleur", herausgegeben vom Mittelschüler-Kartell-Verband, davon geschrieben, dass die Homo-Ehe "unweigerlich zu schrittweisen Erweiterungen" führe, etwa einer "Ehe unter Geschwistern".

"Vielfalt einer Partei"

Im Jahr 2005, als Kugler schon einmal für die Wahl zum Wiener Landtag angetreten ist, hatte sich die damalige Nationalratsabgeordnete Christine Marek öffentlich von Kugler distanziert, da radikale Abtreibungsgegner für Kugler geworben hatten. Die Kandidatin, damals auf Listenplatz 18, hatte von der "Fundamentalismuskeule" gesprochen, die bei "kritischer Betrachtung der Abtreibungsfrage" geschwungen werde. Jurazcka spricht nun davon, dass Kandidatinnen wie Kugler die "Vielfalt einer Partei" ausmachen.

Engmaschiges Netz an Unterstützern

Kugler, die die europäische "Beobachtungsstelle der Intoleranz und Diskriminierung gegen Christen in Europa" leitet, hat innerhalb des konservativen Milieus ein engmaschiges Netz an Unterstützung. Ihr Mann war als Pressereferent der fundamentalistischen katholischen Gruppe "Opus Dei" tätig. Eine enge Beziehung hat Kugler auch zum Salzburger Weihbischof Andreas Laun, der in der Vergangenheit öfters mit homophoben Aussagen aufgefallen war. Erst vergangenen Jänner verglich Laun das "Schweigen der Menschen" zu homosexuellen Beziehungen damit, "gegenüber den Untaten der Nazis geschwiegen zu haben."

Kathtreff.org gegründet

Laun hatte Kugler und ihrem Ehemann einst vorgeschlagen, eine katholische Partnervermittlungswebsite zu starten. Daraus entstand kathtreff.org, das von Kugler betreut wird. Die ÖVP-Kandidatin wirbt auch damit, vor der Eheschließung enthaltsam gelebt zu haben. Feministen sind der Juristin ein Dorn im Auge: Auf Einladung Kuglers wird die umstrittene deutsche Autorin Birgit Kelle in Wien Station machen.

Kelle publiziert im berüchtigten Kopp-Verlag und wurde von deutschen Medien heftig für ihre Positionen angegriffen. So riet Kelle einer Journalistin, die sich von anzüglichen Kommentaren des FDP-Politikers Rainer Brüdele belästigt fühlte, doch "die Bluse zuzumachen". Kelle orchestrierte außerdem mit der AFD-Politikerin Beatrix von Storch eine Kampagne gegen moderne Sexualkunde in Schulen. Von Storch hatte laut Recherchen der ZEIT davon gesprochen, dass die Aufklärung über sexuelle Minderheiten zu "Analsex unter Grundschülern" führen werde.

Gute Chancen auf Einzug

Für die ÖVP Wien ist Sexualkundeunterricht eine Sache, die "zwischen den jeweiligen Schulen und Elternvertretern akkordiert wird". Die Eltern sollten also eingebunden werden, sexuelle Minderheiten aber prinzipiell nicht diskriminiert werden. Kugler ist sich jedenfalls sicher, dass "Famielienfreundlichkeit, Schutz der Menschenwürde und aller Freiheitsrechte – inklusive Gewissensfreiheit- wichtiger als Ampelpärchen" seien. Von einem Einzug in den Gemeinderat geht sie aus: Sie ist auf Listenplatz 13, soviele Mandate hatte die ÖVP bei der letzten Wahl errungen. Außerdem ist Kugler eine Vorzugsstimmen-"Kaiserin": Bei der Nationalratswahl 2013 erhielten nur zwei ÖVP-Kandidaten mehr Vorzugsstimmen als sie: der damalige Spitzenkandidat Michael Spindelegger und Sebastian Kurz. (Fabian Schmid, 2.10.2015)