Studienleiterin Angela Christiano sieht in JAK-Inhibitoren ein vielversprechendes Mittel zu Behandlung von Haarausfall.

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Mäuse, die mit JAK-Inhibitoren behandelt worden waren, zeigten bereits nach fünf Tagen vermehrten Haarwuchs.

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New York – Im Durchschnitt fallen uns Menschen pro Tag an die 100 Kopfhaare aus. Eigentlich kein Problem: Die Haarwurzeln bleibt in der Regel in der Kopfhaut verankert, und das Haar wächst ständig nach. Der Ausfall ist somit nicht sichtbar. Anders bei der Alopezie, dem sichtbaren Haarausfall, der Betroffene psychisch und sozial stark belasten kann.

Dementsprechend groß ist die Hoffnung auf Heilmittel. Die Suche nach Therapiemöglichkeiten war bis dato allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Derzeit auf dem Markt erhältliche Produkte zeigen nur geringe Wirkung. Ein neues Verfahren erzielte nun aber vielversprechende Ergebnisse, berichten Wissenschafter des Columbia University Medical Center in einer jüngst im Fachblatt "Science Advances" veröffentlichten Studie.

Das Forscherteam um Angela Christiano nutzte im Experiment mit Mäusen JAK-Inhibitoren, um das Haarwachstum anzuregen. Das sind Proteine, die den JAK-STAT-Signalweg, einen intrazellulären Signalweg, unterbrechen können. Üblicherweise werden sie in der Therapie von Knochenkrebs und Blutkrankheiten eingesetzt, aber auch in der Behandlung von rheumatoider Arthritis.

Zufällige Entdeckung

Die Wirksamkeit auf Haarfollikel entdeckten die Forscher eher zufällig, als sie die Erkrankung Alopecia areata, den kreisrunden Haarausfall, untersuchten. Bei dieser Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem die Haarfollikel der Betroffenen an, was zum Ausfall der Haare in runden Flecken, aber selten zu völliger Kahlheit führt.

Im Rahmen einer Testreihe war bei einigen Patienten, die JAK-Inhibitoren in oraler Form verabreicht bekommen hatten, Haarwachstum festgestellt worden. Im Experiment mit Mäusen beobachteten die Forscher weiters, dass diese ein stärkeres Haarwachstum aufwiesen, wenn der Stoff auf die Haut appliziert und nicht oral verabreicht wurde. Die Forscher schlossen daraus, dass die JAK-Inhibitoren nicht nur den Autoimmunangriff stoppten, sondern auch direkt auf die Haarfollikel wirkten.

Test an der Maus

Follikel produzieren Haare nicht in konstantem Tempo, sondern wechseln zwischen Ruhe- und Wachstumsphasen. Als die Forscher die Wirkung der JAK-Inhibitoren auf die Haarfollikel gesunder Mäuse untersuchten, beobachteten sie, dass "ruhende Follikel" durch die Behandlung sehr rasch aus ihrer Ruhephase erweckt wurden.

Die JAK-Inhibitoren lösen bei den Follikeln also den Übergang in die Wachstumsphase aus. Die Autoren gehen davon aus, dass die JAK-Inhibitoren die sogenannten Vorläuferzellen – Abkömmlinge von multipotenten Stammzellen – der Haarfollikel aktivierten. Mäusen, die fünf Tage lang mit JAK-Inhibitoren behandelt worden waren, wuchsen nach zehn Tagen bereits neue Haare, während an einer unbehandelten Kontrollgruppe kein neuer Haarwuchs festgestellt wurde.

Angela Christiao

Die Autoren untersuchten auch die Auswirkungen der JAK-Inhibitoren auf den Haarwuchs von menschlichem Gewebe, indem sie fetales Kopfhautgewebe auf Mäuse verpflanzten. Wie zuvor führte die Behandlung auch hier zu Haarwachstum.

Weitere Tests nötig

"Es gibt bereits ein paar bekannte Stoffe, die die Wachstumsphase der Haarfollikel anregen können, aber nur wenige haben eine so schnelle und potente Wirkung wie die JAK-Inhibitoren", sagt Christiano. Auch wenn die Wirksamkeit gegen Androgenetischen Haarausfall – also den typischerweise bei Männern auftretenden Haarausfall – bisher nicht bewiesen werden konnte, halten die Wissenschafter ihre Ergebnisse für vielversprechend: "Weitere speziell auf die menschliche Kopfhaut abgestimmte Rezepturen müssen getestet werden, um das herauszufinden." (Renate Degen, 4.11.2015)