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Sir Terry Pratchett starb am 12. März 2015.

Foto: AP/Wigglesworth

"Shaking Hands with Death": Die Dimbleby-Lecture Terry Pratchetts aus dem Jahr 2010 erschien im Sommer posthum in Buchform.

Die Aufzeichnung der Lesung Terry Pratchetts in voller Länge.

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Anfang November, wenn der Herbst das Land bereits fest im Griff hat und die Nebel durch die Straßen wabern und die Natur sich auf den Winter vorbereitet, ist seit jeher die Zeit für die Menschen, über die Vergänglichkeit zu sinnieren. Dabei wird ganz allgemein viel zu wenig über den eigenen Tod nachgedacht. Dieser erscheint den meisten fern zu stehen, etwas, das einem zwar als unausweichliches Ende bewusst ist, das im Alltag jedoch nicht vorkommt, ein klassisches Tabu.

Wenn man sich an verstorbene Freunde oder Verwandte erinnert, sollte man sich die Frage stellen, wie viele dieser Menschen sinnlos an schweren Krankheiten leiden mussten. In vielen Fällen wurden diese Leiden durch lebenserhaltende Maßnahmen ohne eine Chance auf Linderung oder gar Heilung verlängert. Praktisch keiner dieser Verstorbenen hatte die legale Möglichkeit einer selbstbestimmten Entscheidung, sein Leiden zu beenden.

Einen humanen Tod, den wir unseren Haustieren selbstverständlich zugestehen, verweigern wir unseren Mitbürgern, unseren engsten Verwandten und zuletzt auch uns selber.

Im Jahr 2015 hat mir der Tod zwei Begleiter genommen, die beide seit 1996, also 19 Jahre lang, mein Leben bereichert haben. Zum einen handelt es sich dabei um meinen von Hand aufgezogenen Kater, zum anderen mit dem britischen Fantasy-Autor Terry Pratchett um jemanden, der von seiner Bedeutung für mich selbst gar nichts wusste. Damals hatte ich erstmals ein Buch von ihm gelesen, mit "Alles Sense" ("Reaper Man") ausgerechnet einen der Romane mit Tod in der Hauptrolle. Kein einziges seiner Bücher habe ich in der Folge ausgelassen.

Nachdem bei Pratchett im Alter von 59 Jahren eine seltene Form von Alzheimer diagnostiziert wurde, setzte er sich intensiv für die Legalisierung von Sterbehilfe ein. Im Jahr 2010 wurde ihm als erstem Schriftsteller überhaupt die Ehre zuteil, die prestigereiche Richard-Dimbleby-Lecture zu halten. Seine direkten Vorgänger in der Rolle des Lecturers waren keine Geringeren als der Genforschungspionier Craig Venter und Prinz Charles. Pratchett gab seinem Vortrag den Titel "Shaking Hands with Death". Die bereits fortgeschrittene Erkrankung machte es ihm unmöglich, die gesamte Vorlesung selbst zu halten, so ließ er sich nach einleitenden Worten von seinem guten Freund Tony Robinson als "stunt Pratchett" vertreten.

"Shaking Hands with Death" ist ein Plädoyer eines todgeweihten Mannes für die Legalisierung von Sterbehilfe. In der wortgewaltigen Rede des Schriftstellers sind der Zorn und die Ohnmacht gegenüber der Krankheit in jeder Zeile spürbar. Keinesfalls ist sein Text von einer morbiden Todessehnsucht getragen, ganz im Gegenteil. "Ich möchte friedlich mit Thomas Tallis auf meinem iPod sterben, bevor mich die Krankheit völlig übernimmt ... Denn wenn ich wüsste, dass ich jederzeit sterben könnte, wenn ich das will, dann wäre plötzlich jeder Tag so wertvoll wie eine Million Pfund. Wenn ich wüsste, dass ich sterben kann, würde ich leben. Mein Leben, mein Tod, meine Wahl."

Pratchett berichtet auch vom Tod seines Vaters, der nicht an Schläuche angeschlossen im Krankenhaus sterben wollte und trotzdem genau so sein Ende fand. Auch aufgrund dieser Erfahrung ist er der Überzeugung, dass "einvernehmlicher Sterbehilfe für jene, die darum ersuchen, sehr schwer etwas zu entgegnen ist, besonders für jene, die Mitgefühl haben".

Der Autor argumentiert für ein lebenswertes Leben und einen menschenwürdigen Tod. "Wir sollten nach einem gut und reich gelebten Leben trachten und am Ende in unserem eigenen Zuhause in der Gesellschaft jener, die uns lieben, einen Tod haben, der es wert ist, dafür zu sterben." (Michael Vosatka, 2.11.2015)